Superspreader-Orte sind für Großteil der Infektionen verantwortlich

  12 November 2020    Gelesen: 599
Superspreader-Orte sind für Großteil der Infektionen verantwortlich

Längerer Kontakt mit vielen Menschen treibt Corona-Infektionen in die Höhe. Das verdeutlicht erneut eine aktuelle Studie. Die Forscher sehen in der Erkenntnis aber auch eine Chance.

Innenräume, in denen sich viele Menschen über längere Zeit aufhalten, gelten seit Langem als perfekt für die Ausbreitung des Coronavirus und als häufiger Ort sogenannter Superspreading-Ereignisse. Eine große Datenauswertung aus den USA bestätigt diesen Eindruck nun einmal mehr.

Demnach findet ein großer Teil der Infektionen an nur wenigen Orten statt, die sich dadurch auszeichnen, dass Menschen dort lange in größeren Gruppen verweilen. Die Wiedereröffnung von Restaurants, Cafés, Fitnesscentern treiben die Infektionszahlen demnach am stärksten nach oben.

Die Ergebnisse basieren auf der Analyse anonymisierter Handy-Bewegungsdaten von 98 Millionen Amerikanern in zehn der größten Ballungsräume des Landes, darunter New York, Los Angeles und Chicago. Sie wurden vorab ohne Fachprüfung im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht und sämtliche Daten und Rechenmodelle zur Verfügung gestellt.

80 Prozent der Infektionen auf zehn Prozent der Orte zurückzuführen
Wissenschaftler um David Grusky von der Universität Stanford in Kalifornien fütterten ein Computermodell mit den Daten und erfassten, welche Orte die Personen zwischen März und Mai 2020 besuchten, wie lange sie sich dort aufhielten und auf wie viele Mitmenschen sie trafen. Das glichen sie mit der Zahl der gemeldeten Coronafälle pro Tag ab.

So lernte das Modell, die Wahrscheinlichkeit für Ansteckungen in den verschiedenen Städten anhand der Mobilitätsdaten vorherzusagen. "Wir können simulieren, wo und wann sich Menschen anstecken", sagte die Doktorandin Serina Chang, die an der Arbeit beteiligt war.

Eine halbe Million verschiedene Orte flossen in die Begutachtung ein, darunter Parks, Kirchen, Restaurants, Geschäfte, Fitnesscenter, Tierhandlungen und Autohäuser. "Bis zu 80 Prozent der Infektionen waren auf nur zehn Prozent der Orte zurückzuführen", so Chang. Allerdings variierten die Ergebnisse von Stadt zu Stadt etwas.

Geringere Personendichte, große Schutzwirkung
Ein Grundsatz blieb aber immer gleich: "Wir haben herausgefunden, dass Verringerungen der Personendichte an einem Ort das Infektionsrisiko erheblich senken", sagte Grusky. Die Forscher sehen darin auch eine Chance.

So könnten etwa Restaurants und Cafés möglicherweise langfristig offen bleiben, wenn die Zahl der Besucher stärker begrenzt wird. Auch in Supermärkten könnte das Ansteckungen verhindern.

Begrenzten die Forscher die Belegung öffentlicher Orte im Großraum Chicago in ihrem Modell auf 20 Prozent, sank die prognostizierte Zahl der Neuinfektionen bereits um mehr 80 Prozent. Da Bewegungsgrenzen in Restaurants vor allem während der Stoßzeiten eine Rolle spielen, verloren Restaurants trotz dieser harten Maßnahme nur 42 Prozent ihrer Gäste, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Welche Maßnahme bringt wie viel?
In einem Begleitartikel weisen Kevin Ma und Marc Lipsitch von der Harvard T.H. Chan School of Public Health darauf hin, dass das Modell somit auch helfen könnte, die Frage zu klären, welche Maßnahme sich wie stark auf die Infektionszahlen auswirken. Bislang lässt sich das im Detail nicht sagen.

Bei der Simulation von Infektionen in Hotels in Miami zeigte das Modell etwa, dass diese ihren Höhepunkt erreichten als im März von wilden Springbreak-Partys trotz Corona-Pandemie berichtet wurde. Nachdem Shutdown-Maßnahmen in Kraft getreten sind, sank die Zahl der Ansteckungen im Modell und in der Realität wieder.

Laut dem Bloomberg-Bericht schlägt der Gesundheitsexperte Eric Topol vom Scripps Research Translational Institute vor, die detaillierten Daten in einem nationalen Viren-Dashboard zusammenzutragen. Auf dessen Basis könnten Politiker gezieltere Gegenmaßnahmen treffen.

Zwar gibt es ein derartiges Simulationsprogramm für Deutschland nicht. Die Informationen könnten aber auch hierzulande helfen, nach dem aktuellen Shutdown gezielter über Öffnungsmaßnahmen zu entscheiden, um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden durch die Pandemie zu reduzieren.

spiegel


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