Die sächsische Koalition hat sich wenige Tage nach der chaotischen Demonstration von Kritikern der Corona-Maßnahmen in Leipzig zerstritten präsentiert. Nach einer sechsstündigen Sondersitzung zweier Landtagsausschüsse griffen auch Vertreter von SPD und Grünen Innenminister Roland Wöller (CDU) an. Der hatte zuvor vor allem der Stadt Leipzig die Schuld für die Ausschreitungen auf der Kundgebung mit mehr als 20.000 Teilnehmern zugeschoben.
Die Demonstration hätte unter diesen Umständen gar nicht beginnen dürfen, weil ein Großteil der Teilnehmer weder eine Schutzmaske trug noch die Abstandsregel einhielt, sagte Wöller und warf der Stadt vor, die Versammlung erst nach zweieinhalb Stunden aufgelöst zu haben. Zudem äußerte Wöller erneut Unverständnis über die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen, das die Kundgebung zuließ. Wöller kündigte aber auch eine Auswertung des Geschehens bei der Polizei an. Das sei nach jedem Einsatz so.
Wenn Wöller so die Verantwortung von sich weise, müsse er sich fragen lassen, ob er noch weiter Verantwortung tragen will, sagte SPD-Innenexperte Albrecht Pallas. "Die Ereignisse in Leipzig haben diese Koalition in eine schwere Vertrauenskrise geführt", sagte Valentin Lippmann von den Grünen. Der Demonstration habe eine "völlig untaugliche Gefahrenprognose" der Polizei zugrunde gelegen. Lippmann sprach von massiven Fehlern und einem "Planungsdesaster", in dessen Ergebnis am Ende zu wenig Polizei vor Ort war: "Jetzt liegt es an der CDU, dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten, dieses verloren gegangene Vertrauen innerhalb der Koalition, aber vor allem gegenüber dem Rechtsstaat durch wirksame Maßnahmen wieder herzustellen." Die Linke-Abgeordnete Kerstin Köditz fand es "erschreckend", wie sich die Beteiligten im Nachgang nun gegenseitig die Schuld zuschieben, und forderte erneut die Entlassung Wöllers.
CDU-Innenexperte Rico Anton leitete seine Bewertung so ein: "Die unqualifizierten Rücktrittsforderungen gegenüber Staatsminister Roland Wöller auch aus den Reihen der Koalition sind vom Tisch". Die Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses habe klar gezeigt, "dass die Polizei nicht anders handeln konnte, als sie gehandelt hat". Es sei sowohl für die Polizei als auch für die Stadt Leipzig und die beteiligten Gerichte eine schwierige Situation gewesen, zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen.
spiegel
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