Es war der 8. März 2006, an dem Firmenchef Joachim Hunold den Gang an die Börse bekannt gab: "Wenn wir im harten europäischen Wettbewerb weiter wachsen wollen, müssen wir uns auf der Kapitalseite entsprechend aufstellen", sagte er auf der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin. Air Berlin war bis dahin vor allem für seine Pendelflügen aus Deutschland nach Mallorca bekannt. Schnelles Wachstum war Hunolds Strategie. So wie er sie verwirklichte, stellte sie sich jedoch bald als problematisch heraus.
So übernahm Air Berlin 2007 den defizitären Ferienflieger LTU, um in das Geschäft auf der Langstrecke einzusteigen. Leider war der Kauf recht teuer, LTU blieb ein Verlustbringer und die Integration dauerte länger als gedacht. Trotzdem wuchs Air Berlin immer weiter. Im Jahr 2011, als Hunold schließlich aufgab, waren es schon 35,3 Millionen Fluggäste, doppelt so viele wie 2005. Der Umsatz hatte 4,2 Milliarden Euro erreicht, unterm Strich stand aber ein gewaltiges Minus von 272 Millionen Euro.
Hoch gestiegen, tief gefallen
Der Vorwurf, der das Management die ganze Zeit begleitete: Air Berlin lege sich nicht auf ein klares Geschäftsmodell fest. Europa-Kurzstrecke, Touristikgeschäft und Langstrecke - das passe von der Logistik und Kostenstruktur auf Dauer nicht zusammen. Nein, es sei gerade ein Vorteil, mehrere Standbeine zu haben, erwiderte der Konzern beharrlich. Und doch wurden Jahr für Jahr Verluste eingefahren, auch von Hunolds Nachfolger Hartmut Mehdorn, der kräftig auf die Kostenbremse trat, und dessen Nachfolger Wolfgang Prock-Schauer. Der derzeitige Chef Stefan Pichler hat den Umschwung wohl ebenfalls noch nicht geschafft.
Der Börsengang am 11. Mai 2006 klappte erst im zweiten Anlauf. Die neue Aktie musste billiger als geplant angeboten werden, um genügend Investoren anzulocken. Der Aktienkurs spiegelte fortan die Dauerkrise des Konzerns wider. Der Ausgabepreis lag bei 12 Euro, die Erstnotiz bei 12,65 Euro. Erst einmal ging es kräftig aufwärts - bis auf 20 Euro im April 2007. Es folgte ein dramatischer Absturz auf weniger als 3 Euro im Oktober 2008, als die Pleite der US-Bank Lehman Brothers die weltweiten Finanzmärkte in den Abgrund riss. Mit der folgenden Erholung ging es noch einmal hinauf auf rund 5 Euro, aber seit Dezember 2008 tendenziell im weiter bergab bis auf zuletzt nur noch rund 70 Cent.
Aus 1000 Euro werden 60 Euro
Das heißt: Wer vor zehn Jahren für 1000 Euro junge Air-Berlin-Aktien erworben hat, dem bleibt jetzt noch ein mickriger Rest von etwa 60 Euro. Wertverlust: 94 Prozent. Besonders bitter sieht das aus, wenn man sieht, wie die Aktien der erfolgreichen Konkurrenz im selben Zeitraum abgeschnitten haben: Billigflieger Ryanair plus 265 Prozent, Easyjet plus 300 Prozent. Und der Anteilsschein des deutschen Branchenprimus Lufthansa ist nach einigen Aufs und Abs heute fast exakt so teuer wie vor zehn Jahren.
Die Anleger sollten die Hoffnung, dass es mit Air Berlin noch einmal aufwärts geht, nicht ganz aufgeben, sagt Kunert. "Es ist das Verdienst von Mehdorn, dass er Etihad hereingeholt hat." Die staatliche Airline aus Abu Dhabi ist seit 2012 der starke Partner und mit 29,2 Prozent Anteil Großaktionär von Air Berlin. Beide Fluggesellschaften ergänzen ihre Streckennetze wechselseitig und gewannen erst im Januar einen Rechtsstreit um gemeinsam vermarktete Flüge gegen die Bundesregierung.
"Solange Etihad als Ankeraktionär dasteht, gibt es keine Insolvenzgefahr", zeigt sich Kunert überzeugt. Die Großaktionäre, allen voran die staatliche arabische Fluglinie Etihad, diskutierten derweil Modelle, wie sie Air Berlin von der Börse nehmen können. Das könnte eine enge Kooperation mit Alitalia erleichtern, an der Etihad zu 49 Prozent beteiligt ist. Allerdings kämpft auch Alitalia mit Problemen. Nachdem sich Air Berlin schon seit Längerem nur dank Geldspritzen vom Persischen Golf in der Luft hält, trat Etihad auch bei Alitalia als Retter auf.
Die Araber brauchen die europäischen Partner für Zubringerflüge zu ihrem Drehkreuz Abu Dhabi. Etihad selbst darf in der EU nur eine beschränkte Zahl von Flugzielen ansteuern. Bestätigt sind solche Pläne noch nicht. Käme es so, dürften die Air-Berlin-Besitzer allerdings noch weniger ausbezahlt bekommen, als sie schon heute am Aktienmarkt erhalten.
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