Nach der Ausbreitung neuer Virusvarianten hat Deutschland die Regeln für die Einreise aus mehreren EU-Staaten erneut verschärft und teilweise auch stationäre Grenzkontrollen angeordnet. Neben Tschechien und Tirol in Österreich gilt ab Sonntag auch für die Slowakei wegen der Corona-Pandemie ein Beförderungsverbot. Die Bundesregierung stufte das EU-Land als Gebiet mit besonders gefährlichen Virusmutationen ein, wie das Robert Koch-Institut auf seiner Internetseite mitteilte. Das heißt, dass Fluggesellschaften sowie Bus und Bahnunternehmen keine Passagiere mehr aus der Slowakei nach Deutschland befördern dürfen. Ausgenommen davon sind deutsche Staatsbürger und in Deutschland lebende Ausländer.
Schon jetzt würden in Bayern bei deutlich mehr als zehn Prozent der Infizierten Mutanten festgestellt - mehr als doppelt so viel wie insgesamt in Deutschland, sagte der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner. Er warnte vor allem vor einem Einschleppen der gefährlichen südafrikanischen Coronavirus-Variante aus Tirol. Das sei nur mit einem strikten Vorgehen an der Grenze zu verhindern, sagte der Chefarzt für Infektiologie an der München Klinik Schwabing. Wenn lückenlose Kontrollen nicht funktionierten, bleibe nur eine Schließung der Grenzen. "Wir haben es mit der südafrikanischen Variante zu tun. Die ist nach bisherigem Wissen noch einmal gefährlicher als die britische Variante", sagte Wendtner. Sie sei nicht nur infektiöser, sondern ersten Erkenntnissen nach auch tödlicher - zudem wirkten manche Impfstoffe weniger gut dagegen. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich erneut anstecken. Die Rate der Zweitinfektionen werde daher wahrscheinlich steigen.
Mutation bei Pendlern aus Tschechien
Die britische Variante hat wiederum in einigen ostbayerischen Regionen bei Pendlern aus Tschechien bereits die Oberhand gewonnen. Der Anteil der Mutanten an den positiven Fällen liegt dort laut Wendtner teilweise schon bei über 40 Prozent. Grenzkontrollen zu Tschechien und Tirol sind deshalb auch nach Ansicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unverzichtbar. "Wir sind für ein freies Europa", aber in der Pandemie müsse die Sicherheit oben stehen, sagte er in seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag in München. Die stationären Grenzkontrollen könnten in der Nacht von Samstag zu Sonntag eingerichtet werden.
Aktuell beraten Vertreter verschiedener Ministerien in Berlin darüber, welche Ausnahmen es für Einreisende aus Tschechien und Tirol (mit Ausnahme des Bezirks Lienz, der Gemeinde Jungholz, sowie des Rißtals) geben soll. Dabei geht es unter anderem um die genauen Regeln für den Individualverkehr, beispielsweise wenn jemand mit dem eigenen Auto über die Grenze will.
Deutschland hatte am Donnerstag wegen des verstärkten Auftretens mutierter Coronaviren Tschechien und das Bundesland Tirol als Virusmutationsgebiete eingestuft. Außerdem ordnete das Bundesinnenministerium ab Sonntag Grenzkontrollen an, um die damit verbundenen Beförderungs- und Einreiseverbote durchzusetzen. Im Großen und Ganzen werde man sich wohl an den Regelungen orientieren, die es bereits für Einreisen aus anderen sogenannten Virusmutationsgebieten wie Portugal oder Großbritannien gibt, hieß es. Von dort dürfen im Prinzip nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland sowie medizinisches Personal und - unter bestimmten Voraussetzungen - Transitpassagiere einreisen. Auch Lieferverkehr soll weiterhin erlaubt sein, womöglich aber verbunden mit der Verpflichtung für Lastwagenfahrer, einen negativen Coronatest vorzuweisen.
Seehofer: "Nicht zusehen, wie Mutation rüber schwappt"
Die EU-Kommission forderte Deutschland dazu auf, Ausnahmen etwa für Pendler zu gewähren. Ein Sprecher der Behörde erinnerte daran, dass die EU-Staaten sich erst kürzlich auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen in Corona-Zeiten geeinigt hätten. Man erwarte, dass alle Länder danach handelten. Grenzschließungen und pauschale Reiseverbote sollten vermieden werden. Man fordere Deutschland deshalb dazu auf, zumindest für unverzichtbare Reisen sowie für Grenzpendler Ausnahmen zuzulassen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer wies die Ermahnungen aus Brüssel zurück. "Der Gesundheitsschutz hat oberste Priorität. Da helfen Ermahnungen aus Brüssel nicht weiter. Die in Deutschland ergriffenen Schutzmaßnahmen wirken", sagt Seehofer. Deutschland habe das Infektionsgeschehen gebremst. "Aber in unserer Nachbarschaft sehen wir eine besorgniserregende Entwicklung bei den Virus-Mutationen. Die Kommission selbst weist darauf hin, dass in diesen Fällen striktere Regeln zulässig sind." Die Aufforderung der Kommission, mehr Ausnahmen zuzulassen, weise er entschieden zurück. "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Virus-Mutation zu uns rüber schwappt." In der Slowakei steigen etwa seit Oktober die Infektionszahlen so dramatisch an, dass Experten vor einem drohenden Kollaps des Gesundheitssystems warnen.
Quelle: ntv.de, mau/dpa
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