Der Leiter der WHO-Mission zur Untersuchung des Ursprungs der Corona-Pandemie im chinesischen Wuhan, Peter Ben Embarek, hat sich über den mangelnden Zugang zu Rohdaten beklagt. "Wir brauchen mehr Daten", um mögliche frühe Corona-Fälle ausfindig zu machen, sagte Ben Embarek nach seiner Rückkehr aus der chinesischen Millionenstadt. Er habe deshalb um weitere Daten gebeten und hoffe, diese auch zu bekommen.
Zuvor hatte bereits der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, Peking aufgefordert, alle Daten über die "ersten Tage des Corona-Ausbruchs" offenzulegen. Washington habe "ernste Bedenken" über die Art und Weise, wie die Untersuchung in Wuhan gelaufen sei.
Aufgabe der internationalen WHO-Expertengruppe war es, den Ursprüngen der Pandemie auf den Grund zu gehen. Dafür hatten sie nur wenig Zeit, da sie nach ihrem Eintreffen in Wuhan zunächst 14 Tage in Quarantäne mussten und sich ihre Anreise wegen fehlender Genehmigungen von chinesischer Seite um einige Tage verzögert hatte. Es gebe in seinem Team eine Mischung aus Frustration und der "realistischen" Einschätzung, was "in welchem Zeitrahmen machbar ist", sagte Ben Embarek nun. Zwar gehen die Experten nach ihrer Untersuchung weiter davon aus, dass das neuartige Coronavirus von Fledermäusen über ein weiteres Tier als Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Doch wann und wo das genau geschehen sein könnte, ließ sich nach ihren Angaben nicht klären.
Nur 92 von 72.000 Fällen untersucht
Peking hatte eine unabhängige internationale Untersuchung zum Ursprung des Virus, die beim Kampf gegen diese und kommende Pandemien helfen sollte, zunächst verweigert. Erst mit einem Jahr Verspätung stimmte die Regierung der WHO-Mission zu, doch blieb diese politisch heikel. Peking weist jede Verantwortung für die Pandemie von sich und bringt auch andere Verbreitungsmöglichkeiten ins Spiel.
Sein Team hätte gerne die Rohdaten über frühere Krankheitsfälle wie Lungenentzündung, Grippe und Fieber untersucht, bei denen es sich möglicherweise bereits um Covid-19 gehandelt habe, sagte Ben Embarek. Dabei geht es um 72.000 Fälle zwischen Oktober und Dezember, von denen chinesische Experten aber nur 92 nachträglich auf das Virus untersuchten. Diese fielen allesamt negativ aus.
Ben Embareks britischer Kollege John Watson lobte allerdings die Bereitschaft der chinesischen Kollegen, in allen Details über ihre Arbeit und Methoden zu berichten. Berichte über lautstarke Meinungsverschiedenheiten über den Zugang zu den Daten hatte zuvor schon ein weiterer Experte, Peter Daszak, zurückgewiesen. Trotz der deutlich verspäteten Untersuchung in Wuhan gebe es noch "eine Menge zu lernen, eine Menge zu entdecken", sagte Ben Embarek. Auch nach den Worten seines Kollegen Watson ist es immer noch möglich, deutlich mehr als bisher über die frühen Stadien der Pandemie zu lernen. Mit einer vollständigen Aufklärung sei aber nicht mehr zu rechnen, schränkte er ein.
Wie heikel die WHO-Mission ist, zeigen auch die Reaktionen der USA. Sicherheitsberater Sullivan forderte einen "unabhängigen" WHO-Bericht ohne Einmischung oder "Änderungen" der Expertenmeinungen durch die chinesische Regierung. Sullivan erinnerte daran, dass US-Präsident Joe Biden den Austritt der USA aus der WHO wieder rückgängig gemacht habe. Umso wichtiger aber sei es deshalb, die "Glaubwürdigkeit" der Weltgesundheitsorganisation zu schützen.
Quelle: ntv.de, Nina Larson, AFP
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