Markus Gisdol war auch auf den letzten Zentimetern seiner 509-tägigen Amtszeit beim 1. FC Köln noch tapfer. Obwohl es ihm schon sehr wahrscheinlich bewusst war, dass er nach der Niederlage gegen den FSV Mainz 05 (2:3) nicht mehr Trainer des Effzeh sein würde, beantwortete er die Frage nach der Hoffnung für die ausstehenden sechs Saisonspiele in der Fußball-Bundesliga souverän. Die Rückkehr von Stürmer Sebastian Andersson, einem klassischen Neuner, habe der Mannschaft sehr gut getan. Ebenso Florian Kainz, der erstmals nach seiner schweren Knieverletzung für 90 Minuten spielte. Für eine Offensive, die sich dieses Gütesiegel in den vergangenen Monaten nicht verdient hatte, sind das wirklich gute Nachrichten.
Ein paar Stunden nach der Pressekonferenz war's dann auch offiziell: Die Entfesselungskunst des Trainer-Houdinis ließ ihn in seinem fünften Endspiel der Saison erstmals im Stich - mit fatalen Folgen. Nach acht Spielen ohne Sieg, nach nur zwei Punkten und einer immer bedrohlicheren Situation am Rhein musste Gisdol gehen. Und so wirkten seine Worte über Hoffnung für den finalen Existenzkampf als geordnete Übergabe für seinen Nachfolger. Und der wird Friedhelm Funkel heißen. In den Gesprächen über seine dann wohl tatsächlich allerletzte Rettermission müsste schon Irrsinniges passieren, damit der Deal nicht zustande kommt. Funkel bekannte gegenüber dem "Express" bereits: "Es sieht gut aus, dass wir das hinbekommen."
Nun, das gilt freilich vorerst nur für sein zweites Engagement beim 1. FC Köln. Nicht für den inhaltlichen Erfolg. Eine allzu kühne Prognose wäre auch reichlich unangemessen. Zwar ist die Lage mit "nur" drei Zählern Rückstand auf Arminia Bielefeld (26 Punkte, Relegations-Platz 16) und Hertha BSC (26 Punkte, Platz 15) keineswegs aussichtslos. Das ist sie lediglich für den FC Schalke 04 mit 13 Zählern Rückstand auf Bielefeld und Berlin. Höchst schwierig ist die Situation aber unbedingt. Zumal es nächste Woche zunächst zum brisanten Rheinderby zu Bayer Leverkusen geht, ehe eine Woche später Wieder-Titelkandidat RB Leipzig zu Besuch kommt. Funkel sieht es so: "Ich weiß, dass die Aufgabe anspruchsvoll wird."
Warum aber erhebt sich der 67-jährige Trainer-Rentner überhaupt noch einmal von der Couch und tut sich solch eine komplizierte Mission ein? Es ist die Liebe. Die Liebe zum Verein. Die ist offenbar auch nicht durch sein Engagement bei Fortuna Düsseldorf, dem so verhassten Rivalen am Rhein, erkaltet. Und auch durch seine Entlassung am 30. Oktober 2003. Nach nur zehn Spielen wurde Funkel beim damaligen Aufsteiger entlassen. In seiner 20-monatigen Amtszeit war er mit dem Klub zunächst abgestiegen, dann ging es direkt wieder rauf, ehe die Wut der Fans und eine überschaubare sportliche Bilanz den Klub zum Handeln zwangen.
"Die Grundstimmung im Umfeld war einfach miserabel. Wir mussten uns zuletzt ja schon für Erfolge bei den Fans entschuldigen. Alles Negative wurde Funkel angelastet", klagte damals Manager Andreas Rettig. Wie aggressiv die Stimmung gegen den Trainer war, bekannte der Funktionär in einem anderen Zitat: Säße Funkel noch ein weiteres Spiel auf der Bank, "hätten wir nicht gegen Hannover, sondern gegen die Kulisse gespielt." Der Trainer scheiterte damals mit seinem defensiven, destruktiven Ansatz im Kampf des Aufsteigers um den Klassenerhalt. Funkel ging dennoch ohne Groll. "An Köln habe ich mein Herzblut verloren", sagte er zum Abschied, "aber ich konnte den Druck nicht von der Mannschaft nehmen. Ich hoffe, dass das Publikum nun milder gestimmt sein wird."
Und wie ist die Stimmung jetzt, kurz vor dem Comeback? Bei Twitter, dem wütendsten Live-Barometer, herrscht eine vogelwilde Meinungsdiversität. Von "letzter Funkel Hoffnung" (Klassiker) über "Abstieg jetzt" bis "Heuchler" reichen die Kommentare. Mehr Kritik gibt es indes an Geschäftsführer Horst Heldt, dem angelastet wird, sich (zu) spät von Gisdol getrennt zu haben. Der verteidigt sein Handeln derweil: "Markus Gisdol hat immer alles gegeben, die Ruhe bewahrt, nie seine Linie verloren und bis heute mit seiner Arbeit überzeugt." Aber eben keine Ergebnisse eingefahren. Auch das sagte Heldt.
Für die soll nun eben Funkel sorgen. Mit Kainz und Andersson und mit einer überraschenden Statistik. In seiner alles andere als schmächtigen Trainer-Vita hat der 67-Jährige mit keinem Klub mehr Punkte im Schnitt geholt, als mit dem Effzeh, 1,62 waren es in 63 Spielen. Den gleichen Wert in allerdings nur 45 Spielen sammelte er mit dem VfL Bochum ein, bei dem er am 14. September 2011 entlassen worden war. Auf die ausstehenden sechs Spiele gerechnet, wären das noch 9,72 Punkte, gerundet also zehn. Macht in der Summe 33 Zähler nach 34 Spieltagen. Könnte reichen, muss es aber nicht.
Quelle: ntv.de
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