Nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeugs in Minsk und der Festnahme eines belarussischen Regierungskritikers beraten die EU-Staats- und Regierungschefs noch heute über neue Sanktionen gegen Belarus. EU-Ratschef Charles Michel setzte das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des ohnehin geplanten zweitägigen EU-Sondergipfels in Brüssel. "Der Vorfall wird nicht ohne Konsequenzen bleiben", teilte der Belgier am Sonntagabend mit. Zugleich verurteilte er die erzwungene Landung der Ryanair-Maschine.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte im Namen aller 27 EU-Staaten die sofortige Freilassung des belarussischen Journalisten Roman Protassewitsch. Dessen Festnahme sei ein weiterer offenkundiger Versuch der belarussischen Behörden, alle oppositionellen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Mit diesem erzwungenen Vorgehen hätten die belarussischen Behörden die Sicherheit der Passagiere und der Crew gefährdet, sagte Borrell. Der Vorfall müsse eine internationale Untersuchung zur Folge haben.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte auf Twitter, dass "die Verantwortlichen für die Ryanair-Entführung" sanktioniert werden. Wegen der anhaltenden Unterdrückung der Demokratiebewegung in Belarus hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen das Land verhängt. Insgesamt stehen knapp 60 Personen aus Belarus auf der EU-Sanktionsliste, unter ihnen Machthaber Alexander Lukaschenko. Die Strafmaßnahmen sehen Einreiseverbote vor und ermöglichen das Einfrieren von Vermögenswerten.
Derweil hat Litauen, in dessen Hauptstadt Vilnius die Maschine nach dem Zwangsstopp mit mehr als achtstündiger Verspätung am Sonntagabend gelandet war, Ermittlungen wegen Entführung eines Flugzeugs eingeleitet. Die Voruntersuchung werde von der Kriminalpolizei des baltischen EU- und NATO-Landes durchgeführt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Dazu sollen auch die Passagiere und die Besatzung des Flugzeugs befragt werden. "Wir erwarten auch, dass sie mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten und unseren Beamten alle Informationen zur Verfügung stellen, die sie kennen", sagte Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte der Agentur BNS zufolge nach einem Treffen mit den Passagieren am Flughafen in Vilnius.
USA fordern internationale Untersuchung
Litauen setzt nach der erzwungenen Landung des Ryanair-Fliegers auf eine gemeinsame Antwort des Westens. Außenminister Gabrielius Landsbergis erklärte am Sonntagabend, er habe mit dem stellvertretenden US-Außenminister Philip Reeker über den Vorfall gesprochen. Es sei darüber diskutiert worden, "dass das beispiellose Ereignis eine starke transatlantische Reaktion finden muss".
Auch die US-Regierung hat die Aktion der Behörden in Belarus scharf verurteilt. "Wir fordern eine internationale Untersuchung und stimmen uns mit unseren Partnern über die nächsten Schritte ab. Die Vereinigten Staaten stehen an der Seite der Menschen in Belarus", schrieb US-Außenminister Antony Blinken am Sonntagabend auf Twitter.
Die Behörden der ehemaligen Sowjetrepublik hatten ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Athen nach Vilnius am Sonntag zur Landung in Minsk gebracht. Der Fluggesellschaft zufolge wurde die Besatzung von belarussischer Seite über eine mögliche Sicherheitsbedrohung an Bord informiert und angewiesen, zum Flughafen in Minsk zu fliegen. An Bord der Maschine mit mehr als 100 Passagieren war auch der von Lukaschenko international gesuchte Blogger Roman Protassewitsch. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Wesna wurde er nach der Landung auf dem Airport in Minsk festgenommen.
Quelle: ntv.de, mbe/dpa/rts
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