Nachdem die Taliban die Zusammensetzung der neuen Übergangsregierung bekannt gegeben haben, hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sich kritisch zum neuen Kabinett geäußert. Er bekräftigte am Mittwoch, dass ein weiteres Engagement Deutschlands in dem zentralasiatischen Krisenland vom weiteren Verhalten der militanten Islamisten abhänge. »Die Verkündung einer Übergangsregierung ohne Beteiligung anderer Gruppen und die gestrige Gewalt gegen Demonstrantinnen und Journalisten in Kabul sind nicht die Signale, die dafür optimistisch stimmen«, sagte er.
Die Taliban hatten am Dienstag 33 Regierungsmitglieder vorgestellt, darunter keine Frau und niemand aus einer anderen politischen Gruppierung. Westliche Staaten hatten aber eine sogenannte inklusive Regierung gefordert, der nicht nur Taliban angehören. Deutschland und die gesamte Europäische Union haben das sogar zur Bedingung für weiteres Engagement gemacht, etwa für die Zahlung von Entwicklungshilfe.
20 Staaten sprechen per Video über Umgang mit Taliban
Deutschland hatte seine Entwicklungshilfe nach der Machtübernahme der Taliban eingefroren. Humanitäre Hilfe für Not leidende Menschen in Afghanistan wird aber weitergezahlt, derzeit sind 600 Millionen Euro zugesagt. Maas warnte vor einer dreifachen humanitären Krise in Afghanistan. »In vielen Teilen des Landes herrscht jetzt schon Nahrungsmittelknappheit aufgrund der Dürre. Gleichzeitig sind internationale Hilfszahlungen gestoppt worden, von denen viele Menschen abhängen«, sagte Maas. »Und wenn eine neue Regierung nicht in der Lage ist, die Staatsgeschäfte am Laufen zu halten, droht nach dem politischen der wirtschaftliche Kollaps – mit noch drastischeren humanitären Folgen.«
Am Nachmittag will Maas auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein mit US-Außenminister Antony Blinken über die Lage in Afghanistan beraten. Anschließend werden Außenminister aus mehr als 20 weiteren Staaten per Video zugeschaltet. »Wir wollen klären, wie ein gemeinsamer Umgang mit den Taliban aussehen kann, der auch unseren Interessen dient: der Einhaltung grundlegender Menschenrechte, der Aufrechterhaltung von Ausreisemöglichkeiten und humanitärer Zugänge und dem Kampf gegen Terrorgruppen wie al-Qaida und IS«, sagte Maas.
Anders als die meisten westlichen Länder hatte Russland seine diplomatische Präsenz trotz der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan belassen. Direkte Gespräche mit der Übergangsregierung sind vom Kreml aber nicht geplant. »Die Kontakte werden über unsere Botschaft in Kabul abgewickelt«, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow am Mittwoch in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Dabei gehe es etwa darum, die Sicherheit der russischen Diplomaten in Afghanistan zu gewährleisten. »Weitere Gespräche sind nicht geplant«, sagte Peskow. Moskau werde wie andere Länder auch die weiteren Schritte der Taliban beobachten. Sie sind in Russland als terroristische Organisation verboten.
China begrüßt Regierungsbildung
Schon vor der Machtübernahme hatte sich der chinesische Außenminister mit Taliban-Anführern getroffen. China hat die Bildung der Übergangsregierung in Afghanistan durch die radikalislamischen Taliban begrüßt. Damit ende eine Phase der »dreiwöchigen Anarchie«, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Mittwoch. Die Volksrepublik rief die Taliban auf, die Ordnung im Land wiederherzustellen.
»China misst der Ankündigung der Taliban, eine Übergangsregierung einzusetzen und einige wichtige personelle Vereinbarungen zu treffen, große Bedeutung bei«, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin bei einer Pressekonferenz.
Während ein Großteil der Welt den Taliban skeptisch gegenübersteht, hat Peking bereits seine Absichten für eine freundschaftliche Beziehung zu den Taliban erklärt. Experten zufolge würde eine stabile und kooperative Regierung in Kabul China wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen und die Ausweitung seines Projekts Neue Seidenstraße ermöglichen.
spiegel
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