“Er ist wieder da“, auweia

  08 Oktober 2015    Gelesen: 670
“Er ist wieder da“, auweia
"Der Führer" kommt wieder über uns. Im Buch, im Kino und ganz real. Schließlich hat er für die Verfilmung von "Er ist wieder da" in deutschen Landen echte Gesinnungsgenossen gesucht. Und gefunden. Gar nicht zum Lachen - oder etwa doch?
Humor kann eine Waffe sein. Dass man über Adolf Hitler lachen darf, steht deshalb außer Frage. Spätestens seit Charlie Chaplin als Anton Hynkel in Fantasie-Deutsch vor sich hin wütete, ist klar, dass selbst oder vielleicht gerade der schlimmste Diktator und Massenmörder das größte Potenzial zur Witzfigur hat.

Hitler-Parodien gab es so einige seither. Gelungene - wie etwa die von Mel Brooks - und weniger gelungene - wie etwa die von Helge Schneider. Das Wagnis, die "Führer"-Lachnummer jenseits von Studio, Script und Drehbuch auf ihr Volk loszulassen, ist bislang indes - jedenfalls in Spielfilmlänge - noch niemand eingegangen. Dazu brauchte es zunächst die Inspiration durch einen Roman, mit dem Timur Vermes vor rund drei Jahren die Bestsellerlisten im Sturm eroberte: "Er ist wieder da", der Adolf, der "Führer", der Gröfaz. Aufgewacht mitten in Berlin, knapp 70 Jahre nach Kriegsende, als wäre er seither nicht verwest, sondern als hätte er im konservierenden Dornröschenschlaf gelegen.

Ein Reporter wird auf ihn aufmerksam und schleift das vermeintliche Double, den Doppelgänger oder schlicht den Irren zum Fernsehen. Dort muss sich Hitler zwar erst einmal mit so neuen Errungenschaften wie dem "Internetz" vertraut machen, doch schon alsbald macht er Karriere - als vielleicht nicht ganz politisch korrekter, aber nicht zuletzt auch deshalb die Massen begeisternder Comedian.

Stars vom Fach

So weit, so gut. Die fiktive Rahmenhandlung des Films folgt zunächst in weiten Teilen der literarischen Vorlage, ehe sie zum Ende hin zusehends auch davon abweicht. Das Schauspielensemble ist dabei gespickt mit Stars, die sozusagen vom Fach sind und ihre Vornamen im Film behalten durften. Katja Riemann, die auch schon zweimal Hitlers Geliebte Eva Braun verkörperte, spielt die Fernsehchefin Katja Bellini. Christoph Maria Herbst, nicht nur "Stromberg", sondern auch die Stimme beim Hörbuch von "Er ist wieder da" und Hitler-Ebenbild "Alfons Hatler" in den "Wixxer"-Filmen, mimt ihren Widersacher Christoph Sensenbrink. Fabian Busch, in "Der Untergang" noch als SS-Obersturmbannführer unterwegs, gibt den Reporter Fabian Sawatzki. Und Michael Kessler, der Hitler aus der "Switch"-Show, steigt als mit dem "Führer" konkurrierendem Komiker Michael Witzigmann in den Ring.

Bliebe der Streifen auf die Szenen begrenzt, die nach Drehbuch-Dramaturgie ablaufen, ginge er nicht nur als Hitler-Klatsche, sondern ebenso als Mediensatire durch. Erinnerungen an Hape Kerkelings Filmdebüt "Kein Pardon" werden wach - mit Humor der Marke: Kann man mögen, muss man aber nicht. Doch "Er ist wieder da" will nicht im eindeutigen Spielfilm-Modus verharren. Das wird bereits klar, als der neue Comedy-Shooting-Star Adolf Hitler in den Medien herumgereicht wird. Immer noch ist alles gescripted. Aber allseits bekannte Gesichter wie die des Talkmasters Frank Plasberg, des Duos Infernale Joko und Klaas oder der Plaudertasche Jörg Thadeusz verleihen den Interviews einen Anstrich der Glaubwürdigkeit.

Das allein jedoch würde den Film noch nicht aus der Riege bisheriger Hitler-Parodien herausheben. Dazu braucht es schon "Borat". Nicht, weil er wie der "Führer" auch Schnauzbartträger ist, sondern, weil sich "Er ist wieder da" ganz im Stile des großen Kasachen des sogenannten Mockumentary-Prinzips bedient: der Vermengung gespielter und dokumentarischer Szenen, der Entgrenzung von Fiktion und Realität.

Selfies mit Hitler

Was dabei zutage tritt, ist erschreckend. Manch einer in Deutschland, so macht es den Eindruck, wartet noch immer geradezu sehnsüchtig auf die Rückkehr des "Führers". Und wenn es auch nur in der Gestalt eines Schauspielers ist - egal. Selfies mit dem angeblichen Hitler, Arme, die sich wie von selbst zum Gruß erheben, Gespräche, in denen vor laufenden Kameras der Traum von neuen Arbeitslagern geträumt oder die angebliche Minderintelligenz von Afrikanern erklärt wird - Aufnahmen wie diese gibt es in dem Film zuhauf. Nur dass insgesamt sage und schreibe 380 Stunden Material für das am Ende lediglich knapp zwei Stunden lange Ergebnis gedreht wurden, macht etwas Hoffnung, dass hier und da doch länger auf die ins Konzept passende Reaktion gewartet werden musste. Ansonsten bietet sich tatsächlich das Bild eines ziemlich tiefen braunen Abgrunds.

Dabei erweist sich das "Mockumentary"-Prinzip als Fluch und Segen zugleich. Eine Szene etwa, in der der Neuzeit-Hitler scheinbar der NPD-Zentrale einen Besuch abstattet und den Chef der Rechtsextremen zusammenstaucht, wirkt, als wäre auch sie real. Wer die Romanvorlage gelesen hat, in der die Episode bereits deckungsgleich erzählt wird, weiß jedoch, dass es sich nur um eine Spielszene handeln kann. Auch wer auf dem Schirm hat, dass der frühere NPD-Vorsitzende mit Nachnamen Apfel und nicht etwa, wie im Film eingeblendet, "Birne" hieß, kommt dem Schabernack schnell auf die Schliche. Manch andere Kinobesucher aber werden Fiktion und Realität an Stellen wie dieser endgültig nicht mehr auseinanderdividieren können. Das mag dem künstlerischen Anspruch geschuldet sein. Für die Aussagekraft des Films indes ist es kontraproduktiv.

Mut und Übermut

Umso produktiver ist dafür die Hauptfigur. Jedenfalls die Person, die in ihr steckt. Oliver Masucci hat zwar durchaus schon einige Film-Erfahrungen. Doch vor allem verdingt er sich als Darsteller am Wiener Burgtheater. Dass er dem deutschen Publikum nicht allgegenwärtig ist und somit - anders als etwa Christoph Maria Herbst - schwerer zu enttarnen war, prädestinierte ihn für die Rolle des Diktators. Doch nicht nur das, sondern vor allem seine schauspielerische Brillanz macht ihn zu einem ganz famosen Adolf Hitler - unter dem Aspekt der Darstellung, versteht sich.

Auch der Regisseur des Streifens, David Wnendt, heimste für seine bisherigen Filme viel Lob ein. Mit "Kriegerin" schuf er 2011 eine einfühlsame Neonazi-Studie. Mit "Feuchtgebiete" gelang ihm eine gekonnte Leinwand-Adaption von Charlotte Roches "Ekel-Roman", die zu einem der erfolgreichsten Streifen des Jahres 2013 wurde. Mut kann man dem 38-Jährigen sicher nicht absprechen. Auch und erst recht nicht im jetzigen Fall von "Er ist wieder da".

Allerdings hätte man Wnendt diesmal in der einen oder anderen Richtung durchaus auch noch einen Schuss Übermut gewünscht. Wäre der Film eindeutiger und weniger "Borat", wäre er noch viel mehr klares Statement als Klamauk. Wäre er indes an anderer Stelle noch bissiger und weniger auf politische Korrektheit - nämlich die der Filmemacher - bedacht, wäre er noch viel mehr Satire als Komödie. Als Sawatzki Hitler erschießt, feiert der sogleich schon wieder Auferstehung. Nein, man könne ihn nicht loswerden, erklärt der "Führer" dem verdatterten Reporter bedeutungsschwanger. Und der Zuschauer denkt sich: Typisch Deutsch. Oder waren das tatsächlich doch die braunen Vollpfosten, die man vorher gesehen hat?

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