Ersatzkeeper in der Nationalmannschaft: Wer Kahn`s?

  29 März 2016    Gelesen: 723
Ersatzkeeper in der Nationalmannschaft: Wer Kahn`s?
Vor der EM muss der Bundestrainer entscheiden, welche Torhüter er zusätzlich zu Manuel Neuer mitnimmt. Die sportliche Leistung wird bei Joachim Löws Entscheidung nur begrenzt eine Rolle spielen.
Irgendwann im frühen Stadium seiner Fußballkarriere hat Ralf Fährmann einen fundamentalen Fehler begangen. Er entschied sich, Torwart zu werden. Hätte er sich darauf konzentriert, die Laufbahn eines Außenverteidigers anzustreben, wäre er jetzt möglicherweise Stammspieler in der Nationalmannschaft. Als Torwart hingegen kann der Keeper des FC Schalke Glanzleistungen erbringen, wie er will - in der DFB-Elf hat er dennoch auf Sicht keine Chance.

Es gibt Manuel Neuer. Über ihn muss nicht lange geredet werden. Weltmeister, Welttorhüter genügen als Stichworte. Es gibt Marc-André ter Stegen, immerhin Torwart des Champions-League-Siegers FC Barcelona, es gibt Kevin Trapp, immerhin Torwart des französischen Titelträgers Paris Saint-Germain, es gibt Bernd Leno, der fast wie Prinz Charles beim britischen Königshaus seit Jahren darauf wartet, bei der Nationalmannschaft Einsatzzeiten zu bekommen. Es gibt den Hannoveraner Ron-Robert Zieler, auf den der Bundestrainer wegen seines genügsamen Auftretens bei der Nationalelf gern zurückgreift. Es gibt den Kölner Timo Horn, den Mainzer Loris Karius.

Und es gibt eben auch noch Fährmann, der am Tag der Nominierung des DFB-Kaders für die Testspiele gegen England und Italien gegen Borussia
Mönchengladbach vielleicht die beste Leistung eines deutschen Torwarts in dieser Saison ablieferte. Was nichts daran ändert, dass er an solchen Nominierungstagen seit jeher übergangen wird. Weil die Konkurrenz einfach zu groß ist. Und weil der Bundestrainer beim Torwartthema nicht immer das Leistungsprinzip als oberstes Kriterium ansieht.

Jobsharing von Leno und Trapp wäre möglich

Gegen Italien (20.45 Uhr ARD, Liveticker SPIEGEL ONLINE) fällt Neuer wegen einer Magenverstimmung aus. Es gilt als wahrscheinlich, dass Leno seine Chance erhalten wird. Möglicherweise gibt es auch ein Jobsharing mit Trapp, der sich die 90 Minuten mit Leno aufteilt. Es gehört zu den Anekdoten, dass Leno nun endlich seinen ersten A-Einsatz erhält in einer Saison, die wahrscheinlich die schwächste ist, die er seit Jahren absolviert hat. Seit fünf Jahren hat er für Bayer Leverkusen Topleistungen in Serie gebracht und kam dennoch lediglich in der U21 zu seinem Recht. Nun zeigt er bei Bayer Nerven, über einen Wechsel zu RB Leipzig wird spekuliert, und gerade jetzt darf er auf der großen Bühne vorspielen.

Leno ist ehrgeizig, ebenso wie ter Stegen. Joachim Löw mag das nicht allzu sehr, wenn Torhüter in der zweiten Reihe der Nationalmannschaft zu deutlich Ansprüche anmelden, auch die Nummer eins zu sein. Die Eins gehört Neuer - daran wird nicht gerüttelt, und wer das nur versuchen sollte, bringt Unruhe in den Kader, die Löw nicht gebrauchen kann. Aber ein Leno, den man erst lange zappeln lässt und ihn dann aufnimmt, wenn er gerade nicht seine beste Phase hat - der ist gefahrlos als Nummer zwei oder drei einzupreisen.

Auch Weidenfeller jahrelang zappeln gelassen

Mit Roman Weidenfeller sind Löw und Torwarttrainer Andreas Köpke auf ähnliche Weise verfahren. Der Dortmunder Keeper, in seiner besten Zeit auch jahrelang verschmäht, durfte mit in den WM-Kader, als klar war, dass er die Hierarchie nicht mehr gefährden würde.

Torleute, die vor Selbstbewusstsein strotzen, können eine Gefahr für eine feste Struktur einer Mannschaft sein. Ernsthaft würde zwar ohnehin niemand den Führungsanspruch Neuers in Frage stellen. Dazu ist der Bayern-Keeper mittlerweile viel zu groß geworden, nicht nur aufgrund seiner Leistungen ist er eine Leitfigur im DFB-Team. Aber es reicht schon, einen schlecht gelaunten zweiten oder dritten Keeper durchs Turnier zu schleppen, der mit seiner Rolle als Reservist hadert, um die Stimmung spürbar zu vermiesen. Teamgeist geht dem Trainerteam über alles. Im Zweifelsfall ist das wichtiger als das pure Leistungsprinzip.

Sportlich kann sich Löw ohnehin auf die zweite Reihe der Keeper verlassen. In vielen anderen Nationen wäre Deutschlands Torwart Nummer fünf die unumstrittene Nummer eins. Von daher kann es ihm aus rein sportlichen Erwägungen ziemlich egal sein, ob dort ter Stegen, Trapp oder Zieler auf der Bank sitzt und Neuer zuschauen darf. Qualität haben sie alle. Das ist das Pech für Ralf Fährmann.

Quelle : spiegel.de

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