Melnyk schlägt "Sanktionen auf Zeit" vor

  18 März 2022    Gelesen: 851
Melnyk schlägt "Sanktionen auf Zeit" vor

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Melnyk, setzt sich weiterhin für verschärfte Sanktionen gegen Russland ein. Diese könnten allerdings zeitlich begrenzt sein, sagt der Diplomat in der Sendung "Maybrit Illner". Die Talk-Sow muss derweil ohne die Moderatorin auskommen.

Die Sendung "Maybrit Illner" im ZDF bot am Donnerstagabend ein seltenes Bild. Die Moderatorin war nicht dabei. Sie war am Donnerstag positiv auf Corona getestet worden und musste zu Hause bleiben. Deswegen moderierte Hauptstadtstudio-Chef Theo Koll ersatzweise. Das machte er sehr souverän, allerdings deutlich verhaltener als Illner. Die war nicht die einzige, die bei ihrer Sendung fehlte. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert glänzte durch Abwesenheit. Für ihn sprang Michael Roth ein. Der SPD-Politiker ist Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im Bundestag.

Am Anfang der Sendung äußert sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen in einem vorab aufgezeichneten Interview zur Lage in der Ukraine. Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor dem Bundestag verspricht der Minister erneut, der Ukraine alles zu geben, was sie benötige. Nur in den Krieg einzugreifen sei eine Grenze, die die NATO nicht überschreiten werde, so Habeck.

"Werden Ukraine alles geben, was sie benötigt"

Nach dem Besuch der Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien in der Ukraine gibt es in Deutschland vereinzelt Forderungen, dass auch Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kiew reisen solle. Habeck erklärt dazu, er könne nicht über die Reisetätigkeit des Kanzlers reden. Aber: "Wenn es einen Beitrag leistet, würde ich immer fahren." Zu Forderungen nach einer NATO-Friedensmission in der Ukraine reagiert Habeck jedoch verhalten. Zuerst müsse es einen Waffenstillstand oder Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine geben.

Danach werde man mit internationalen Truppen diesen Frieden schützen und absichern müssen. Dass NATO-Truppen dabei sinnvoll seien, bezweifelt Habeck. Es sei der Vorwurf des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass sich die Ukraine der NATO zu sehr annähere. "Aber so weit sind wir noch nicht", sagt Habeck. "Erst muss der Krieg beendet werden." Dazu sei wichtig, dass die ukrainische Armee standhaft bleibe, und dabei werde Deutschland sie unterstützen. Und Putin müsse von der Wirtschaft abgeschnitten und so zu Verhandlungen gezwungen werden.

"Berührend, verstörend, anklagend"

Die Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor dem Bundestag hat alle Gäste der Talkshow berührt. Habeck nennt sie "berührend, verstörend und anklagend". Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt, sie sei besonders betroffen gewesen bei dem Gedanken, dass dort ein Mann zu den Abgeordneten gesprochen habe, der seit drei Wochen ununterbrochen für sein Land kämpfe, während die Abgeordneten im Warmen gesessen hätten. "Es macht einen fassungslos", sagt die Politikerin.

Für den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk ist wichtig, dass Selenskyj sich für die Hilfe aus Deutschland bedanken konnte, die besonders den Flüchtlingen aus seinem Land zuteil werde. Dennoch müssten die Europäer begreifen, dass die Ukraine mehr Hilfe brauche. "Denn was Putin vorhat, geht weit über die ukrainische Grenze hinaus. Putin möchte die Ukraine vernichten", warnt Melnyk. Für ihn ist deswegen wichtig, dass die Prüfung einer EU-Mitgliedschaft seines Landes nicht Jahrzehnte dauere wie bei anderen Ländern.

Außerdem schlägt Melnyk weitere Sanktionen vor. Er könne aber die Schwierigkeiten von Deutschland und anderen europäischen Ländern verstehen, die bei der Lieferung fossiler Brennstoffe von Russland abhängig seien. Seine Idee: "Man könnte doch ein Moratorium einführen: Man kauft für zwei Monate kein Gas und kein Öl. Das ist unsere Bitte an die Regierung: Sanktionen für eine begrenzte Zeit."

"Wie Dagobert Duck im Tresor"

Auch SPD-Politiker Roth ist für einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine. Zu Melnyks Idee der "Sanktionen auf Zeit" mag er sich aber nicht äußern. "Wir haben eine menge getan", sagt er. "Putin sitzt ja jetzt schon wie Dagobert Duck in einem Tresor mit 630 Millionen Euro, die er aber nicht nutzen kann." Er finde es gut, dass die Bundesregierung alles tue, damit Deutschland so schnell wie möglich langfristig aus der russischen Abhängigkeit aussteigen könne. Doch das brauche Zeit. "Da hilft es nicht, den Leuten jetzt zu empfehlen, ein zweites Pullöverchen anzuziehen", so der Politiker.

Am Ende der Sendung tritt Andrij Melnyk Gerüchten über einen bevorstehenden Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine entgegen. "Das kann ich nicht bestätigen." Ein solcher Vertrag könne nur zwischen den beiden Präsidenten ausgehandelt werden. Das große Problem sei, Putin davon zu überzeugen. "Unser Präsident ist bereit, diesen Schritt zu gehen, Tag und Nacht, überall auf der Welt", sagt er. "Wir sind bereit, diesem Krieg ein Ende zu setzen."

Quelle: ntv.de


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