Russische Rakete schlägt in Kaserne ein - "Wahlloser Beschuss" von Wohngebieten

  20 März 2022    Gelesen: 761
  Russische Rakete schlägt in Kaserne ein - "Wahlloser Beschuss" von Wohngebieten

Der ukrainische Präsident verbietet prorussischen Parteien die Arbeit - und spricht von Leichenbergen der feindlichen Armee. Selenskyj wendet sich erneut mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland. In Belarus wird offenbar eine wichtige Zugverbindung gekappt.

Die heftigen Kämpfe an den Frontabschnitten in der Ukraine sind auch in der Nacht zum Sonntag fortgesetzt worden. Auf politischer Ebene holte die Regierung in Kiew unterdessen zum Schlag gegen prorussische Parteien im Land aus und ließ deren Arbeit bis auf Weiteres verbieten. Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich erneut mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland.

Arbeit prorussischer Parteien in der Ukraine vorerst verboten

Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine hat die Arbeit einer Reihe von prorussischen Parteien für die Dauer des Kriegs im Land verboten. Das teilte Selenskyj in der Nacht zum Sonntag per Videobotschaft mit. "Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten", wurde Selenskyj von der Zeitung "Ukrajinska Prawda" zitiert. Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die "Oppositionsplattform - Aus Lebenszeit" und der "Oppositionsblock", die auch im Parlament vertreten sind. Sie gelten ebenso wie die übrigen neun nunmehr verbotenen außerparlamentarischen Parteien als euroskeptisch, antiliberal oder als prorussisch.

Selenskyj: Berge von Leichen russischer Soldaten

Mit martialischen Worten über schwere russische Kriegsverluste richtete sich Selenskyj in seiner Videobotschaft an die Bevölkerung Russland. "An den Brennpunkten besonders schwerer Kämpfe sind unsere vordersten Abwehrlinien mit Leichen russischer Soldaten praktisch überhäuft. (...) Und diese Leichen, diese Körper werden von niemandem geborgen", fuhr er fort. "Und über sie jagen sie neue Einheiten hinweg, irgendwelche Reserven, die die russischen Befehlshaber irgendwo sammeln."

Er könne verstehen, das Russland über schier endlose Reserven an Soldaten und Militärgerät verfüge. "Aber ich möchte von den Bürgern Russlands wissen: Was hat man mit Ihnen in diesen Jahren getan, dass Sie Ihre Verluste nicht bemerkt haben?". Schon jetzt seien mehr als 14.000 russische Soldaten getötet worden. "Das sind 14.000 Mütter, 14.000 Väter, Ehefrauen, Kinder, Verwandte, Freunde - und Ihnen fällt das nicht auf?" Die ukrainische Darstellung zu den getöteten russischen Soldaten lässt sich nicht unabhängig überprüfen - ebenso wenig wie jene zu den eigenen militärischen Verlusten, die die Staatsführung vor rund einer Woche auf etwa 1300 Soldaten bezifferte. Die russische Seite hat bislang offiziell nur knapp 500 eigene Gefallene bestätigt.

Ukrainische Behörden: Mehr als 260 Zivilisten in Charkiw getötet

Auch in der Zivilbevölkerung steigen die Totenzahlen weiter. Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vor über drei Wochen kamen allein infolge der Kämpfen um die Stadt Charkiw nach Angaben lokaler Behörden 266 Zivilisten ums Leben. Darunter seien 14 Kinder, teilten die Justizbehörden der zweitgrößten Stadt des Landes am Samstagabend mit. Die von russischen Truppen belagerte Stadt, in der vor Kriegsbeginn 1,5 Millionen Menschen lebten, werde weiterhin mit Artillerie beschossen, berichtete die Agentur Unian. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Hohe Opferzahl in zerstörter Kaserne in Mykolajiw

Nach einem Raketenangriff russischer Truppen auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben. Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die "Ukrajinska Prawda" am Samstag. Knapp 60 Verletzte seien in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Von unabhängiger Seite bestätigt sind diese Informationen nicht.

Bürgermeister von Tschernihiw berichtet von katastrophaler Lage

Der Bürgermeister von Tschernihiw wies in einem dramatischen Appell auf die prekäre Lage in der von russischen Truppen eingekesselten nordukrainischen Stadt hin. "Der wahllose Artilleriebeschuss der Wohngebiete dauert an, dabei sterben friedliche Menschen", sagte Wladislaw Atraschenko laut der Agentur Unian. Die Stadt erlebe eine humanitäre Katastrophe. "Es gibt keine Stromversorgung, kein Wasser, keine Heizung, die Infrastruktur der Stadt ist vollständig zerstört."

Bahnverbindungen zwischen Ukraine und Belarus wohl unterbrochen

Belarussische Bahnarbeiter sollen indes alle Schienenverbindungen zwischen Belarus und der Ukraine unterbrochen haben. Der Vorsitzende der ukrainischen Eisenbahnen, Olexander Kamyschin, dankte am Samstag den Kollegen in Belarus für die nicht näher beschriebene Aktion. "Mit dem heutigen Tag kann ich sagen, dass es keinen Bahnverkehr zwischen Belarus und der Ukraine gibt", wurde er von der Agentur Unian zitiert. Das würde bedeuten, dass russische Truppen in der Ukraine über diese Strecken weder Verstärkungen noch Nachschub erhalten.

Auch ein Berater der belarussischen Oppositions-Ikone Swetlana Tichanowskaja hatte auf Twitter von der angeblichen Aktion berichtet. "Helden! Belarussische Bahnarbeiter haben die Bahnverbindung mit der Ukraine unterbrochen, so dass Züge mit russischer Ausrüstung nicht in die Ukraine fahren können", schrieb Franak Viatschorka. Auch hier fehlte jedoch eine unabhängige Bestätigung der angeblichen Aktion. Obwohl russische Truppen aus Belarus in die Ukraine eingefallen sind, hat der autoritäre belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, der als Protegé des Kremlchefs Wladimir Putin gilt, bisher eine direkte Beteiligung seiner Truppen am Krieg im Nachbarland abgelehnt.

Amt für Strahlenschutz: Weiter "ernste Lage" in Ukraine

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hält die Lage rund um die ukrainischen Atomkraftwerke weiter für ernst. "Es ist in keinster Weise vorgesehen, dass sich um ein Atomkraftwerk herum Kriegshandlungen abspielen", sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe "grundsätzlich das Risiko, dass die Kampfhandlungen direkt zu Schäden, zu Unfällen, zu Austritten von Radioaktivität führen können". Ihr Amt sei seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar "in Dauerbeobachtung" der Situation.

Mehr als 6600 Ukrainern gelingt Flucht aus Mariupol und Kiew

Am Samstag haben sich mehr als 6600 Menschen über Fluchtkorridore vor den Kämpfen in Sicherheit bringen können. Nach Angaben der Behörden konnten 4128 Menschen aus der belagerten Hafenstadt Mariupol fliehen. Weitere 1820 Menschen verließen die Hauptstadt Kiew über Fluchtkorridore. In Kiew heulten am Samstagabend erneut die Sirenen, wie Bewohner in Online-Netzwerken mitteilten. Auch die Stadt Charkiw im Nordwesten wurde am Samstag weiter bombardiert, dabei wurden nach Angaben der örtlichen Behörden ein Mann und ein neunjähriges Kind getötet. Insgesamt starben in der russischsprachigen Großstadt seit Kriegsbeginn den örtlichen Behörden zufolge mindestens 500 Menschen.

Was heute wichtig wird

Die Jugendorganisationen der Parteien, die Klimabewegung Fridays for Future und die ukrainische Diaspora haben für Sonntag 13 Uhr erneut zu einer Demonstration gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine aufgerufen.

Die Kundgebung am Jungfernstieg mit erwarteten 20.000 Teilnehmern steht unter dem Motto "Frieden in der Ukraine & Sicherheit in Europa".

Die Demo richtet sich gegen die Gefährdung der atomaren Infrastruktur durch russische Angriffe, außerdem soll auf die Bedeutung der Ukraine für die Welternährung hingewiesen werden.

Quelle: ntv.de, tno/dpa/rts/AFP


Tags:


Newsticker