Ukraine greift "hochwertige" Ziele an - Russland im Norden auf Rückzug?

  25 März 2022    Gelesen: 617
  Ukraine greift "hochwertige" Ziele an - Russland im Norden auf Rückzug?

Die EU-Staaten richten zur finanziellen Unterstützung der Ukraine einen Solidaritätsfonds ein. Das beschließen die Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen in Brüssel. Durch den russischen Angriffskrieg erleide die Ukraine enorme Zerstörungen und Verluste, hieß es in einer Erklärung. Dem Land solle geholfen werden bei laufenden Ausgaben, aber auch "nach Beendigung des russischen Angriffs beim Wiederaufbau einer demokratischen Ukraine". Wie zuvor die USA erhob auch die EU offiziell gegen Russland den Vorwurf, in der Ukraine Kriegsverbrechen zu begehen. In der Ukraine wurde in der Nacht weiter gekämpft. Russische Truppen beschossen ukrainischen Angaben zufolge militärische Ziele bei der Großstadt Dnipro mit Raketen. Nach dem Gipfelmarathon von NATO, EU und der Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) in Brüssel besucht US-Präsident Joe Biden am Freitag Polen.

EU-Hilfen für die Ukraine

Um den Solidaritätsfonds für die Ukraine mit Geld zu füllen, soll eine Geberkonferenz organisiert werden. Auch internationale Partner sind eingeladen, sich zu beteiligen. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte den Solidaritätsfonds nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche ins Gespräch gebracht. Die Ukraine brauche Zugang zu internationaler Liquidität, um den Import von Gütern des täglichen Bedarfs und militärischer Ausrüstung zu finanzieren, hieß es.

Ukraine meldet Abzug einzelner russischer Truppen

Im Nordosten der Ukraine sollen sich nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte russische Truppen nach hohen Verlusten teils zurückgezogen haben. Das teilt der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Demnach beobachte man den Rückzug bestimmter russischer Einheiten hinter die russische Grenze nach dem Verlust von mehr als der Hälfte des Personals. In den Gebieten würden russische Einheiten weiter die zweitgrößte Stadt Charkiw und die Großstadt Sumy blockieren. Bei Isjum im Gebiet Charkiw bereiteten sich russische Truppen auf eine neue Offensive vor. Moskau gelinge es teilweise, die Landverbindung zwischen dem russischen Gebiet Rostow an der ukrainischen Grenze und der von Russland annektierten Halbinsel Krim zu halten.

Raketenangriffe bei Dnipro

Ukrainischen Angaben nach feuerten russische Kräfte in der Nacht zweimal Raketen auf eine Militäreinheit nahe der Stadt Dnipro ab. Die Gebäude der ukrainischen Einheit seien dabei erheblich beschädigt worden und zwei Brände ausgebrochen, teilte die regionale Militärverwaltung auf Facebook mit. Dnipro liegt im Zentrum der Ukraine und ist bislang von Angriffen weitgehend verschont geblieben.

Ukraine greifen "hochwertige" Ziele an

Nach Ansicht britischer Geheimdienste haben die ukrainischen Streitkräfte damit begonnen, hochwertige Ziele in von Russland gehaltenen Gebieten anzugreifen. Darunter seien etwa ein Landungsschiff oder ein Munitionslager in der Stadt Berdjansk, heißt es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Der ukrainische Generalstab teilt mit, bei einem Angriff auf den von russischen Einheiten eingenommenen Hafen der Stadt Berdjansk das Landungsschiff "Saratow" zerstört zu haben. Zwei weitere derartige Schiffe, "Caesar Kunikow" und "Novotscherkassk", seien beschädigt worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Atomenergiebehörde wegen Kämpfen bei Tschernobyl besorgt

Nach mehreren Flächenbränden rund um die Atomruine Tschernobyl führt nun möglicher Beschuss in der Nähe zu erneuten Sorgen um die Sicherheit der Anlage. Russische Streitkräfte hätten ukrainische Kontrollpunkte in der Stadt Slawutytsch unter Beschuss genommen, teilt der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, unter Berufung auf Informationen der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde mit. Dies gefährde laut Kiew "die Häuser und Familien des Betriebspersonals, das die nukleare und radioaktive Sicherheit" des ehemaligen AKW gewährleiste sowie weitere Rotationen der Angestellten. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig bestätigen.

Ukrainischer Präsident: Millionen hätten einen Orden verdient

Selenskyj dankte in seiner nächtlichen Videobotschaft den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine für ihren Widerstand angesichts der vor einem Monat begonnenen russischen Invasion. Seit dem 24. Februar hätten die ukrainischen Verteidiger den Feind überall aufgehalten, sagte er. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die alles für den Sieg der Ukraine und den Frieden täten, hätten Orden verdient. Die NATO will die Ukraine weiter mit Boden-Luft-Raketen und Panzerabwehrwaffen versorgen. Die 30 NATO-Staaten werden aber trotz eindringlicher Appelle Selenskyjs keine Panzer oder Flugzeuge liefern. "Es gibt eine Grenze, die darin besteht, nicht Kriegspartei zu werden", sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach dem Sondergipfel der NATO in Brüssel.

Weiter Debatte über Boykott von russischer Energie

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, fordert ein sofortiges Energie-Embargo gegen Russland. "Wir überweisen Tag für Tag Hunderte Millionen Euro nach Moskau. Damit werden der russische Staat und sein Militärapparat am Laufen gehalten", sagte er dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Eine Absage an russische Energielieferungen würde zwar zu "einer mittleren Rezession führen". Er teile aber nicht die Einschätzung von Kanzler Olaf Scholz und Vizekanzler Robert Habeck, dass der wirtschaftliche und gesellschaftliche Schaden für Deutschland zu groß wäre, sagte Hofreiter.

Auch der ukrainische Präsidentenberater Alexander Rodnyansky hält einen Stopp der europäischen Importe von russischem Öl und Gas für unumgänglich. Der Westen müsse verhindern, dass die Sanktionen gegen Russland von Moskau umgangen würden, sagte Rodnyansky in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Deutschland solle wieder stärker auf Braunkohle und Kernenergie setzen, um unabhängig von russischem Gas zu werden.

Das wird heute wichtig

Zum Abschied aus Brüssel trifft US-Präsident Biden mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen.

Dann fliegt er weiter in das östliche NATO-Land Polen, das direkt an die Ukraine grenzt. Etwa 2,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine sind bislang nach Polen eingereist, ein Großteil ist dort geblieben.

Biden will sich erst in der grenznahen Stadt Rzeszow über den humanitären Einsatz zur Versorgung der Flüchtlinge informieren.

Außerdem wird er in Polen stationierte US-Soldaten treffen und kommt zu Gesprächen mit der polnischen Führung in die Hauptstadt Warschau.

Quelle: ntv.de, tno/dpa/rts


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