Der ehemalige Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, hält die Ankündigung Moskaus, den Krieg künftig auf den Donbass zu konzentrieren, für eine Nebelkerze. "Trauen Sie Putin nicht", mahnt der ukrainische Oppositionsführer im Interview mit ntv-Journalist Dirk Emmerich. Diese Erkenntnis aus langen Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten während seiner fünfjährigen Amtszeit habe er auch dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegeben. Zudem könne es für die Ukraine "keinen Kompromiss über die Unversehrtheit der Landesgrenzen geben".
Vom Westen fordert Poroschenko mehr Unterstützung für die Ukraine. "Wir erwarten den entscheidenden Schritt von Deutschland", sagt er. Demnach dürfe Nord Stream 2 nicht nur ausgesetzt werden, "das Projekt muss komplett zerstört werden." Auch sollten alle, nicht nur sieben, russische Banken vom SWIFT-System ausgeschlossen werden und ein Embargo auf russisches Gas und Öl verhängt werden. "Ich war sehr froh, von Kanzler Scholz zu hören, dass er plant, bis Ende 2022 den Verbrauch von russischem Gas und Öl deutlich zu senken. Aber das ist nicht genug."
Der Oppositionspolitiker appelliert zudem an die NATO, die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine freizugeben. "Das sind Verteidigungswaffen", betont Poroschenko. "Sie greifen niemanden an, sondern verteidigen unseren Luftraum vor den russischen Bomben und Raketen." Poroschenko bringt auch die EU-Beitrittsverhandlungen ins Gespräch. Er fordert die Bündnisstaaten auf, der Ukraine durch eine Beitrittsperspektive zu zeigen, "dass der Preis, den wir zahlen, keine Verschwendung war".
Selenskyj "kann definitiv auf mich zählen"
Denn es sei auch im Interesse des Westens, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. Andernfalls werde Putin die Angriffe ausdehnen. "Sonst wird er morgen in Polen sein, im Baltikum oder wer weiß, vielleicht in seiner Lieblingsstadt Dresden, wo er als KGB-Agent gearbeitet hat." Nur Geschlossenheit sowie "eine starke Solidarität mit der EU und der NATO" könne den russischen Präsidenten zum Frieden zwingen. Der russische Präsident müsse den Krieg beenden. "Und wenn er es nicht tut, sollte der Preis zunehmende Sanktionen und Hilfen für die Ukraine sein."
Poroschenko hält die bisherige Unterstützung der NATO allerdings auch für einen Faktor, warum die Ukraine den russischen Streitkräften bisher gut standhält. "Ich bin stolz, dass die ukrainischen Streitkräfte, die ich 2014 neu mit aufgebaut habe, mithilfe des ukrainischen Volkes, der Freiwilligen und unserer Partner in der NATO Putin eine Überraschung bereitet haben." Die Reaktion der westlichen Partner zu unterschätzen, sei ein großer Fehler des Kremls gewesen. "Sie haben Putins Pläne für einen Blitzkrieg zerstört." Den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland kann der Oppositionsführer schnell zusammenfassen: "Wir wollen leben. Wir wollen unseren eigenen Staat. Wir wollen Demokratie und die Freiheit, für die Freiheit zu kämpfen." All das wolle Putin den Ukrainern nehmen.
Poroschenko befindet sich nach eigenen Angaben im Zentrum von Kiew, in einem Bataillon zur Landesverteidigung. Sein Verhältnis zu Präsident Selenskyj habe sich im Krieg gewandelt. "Vorher war ich der Vorsitzende einer Oppositionspartei im Parlament und unsere Beziehung war die von Regierung und Opposition. Nun macht uns der Krieg alle gleich." Er gebe sein Bestes, den ukrainischen Oberbefehlshaber zu stärken. "Er kann definitiv auf mich zählen." Aus diesem Grund unterstütze Poroschenko auch die Forderung Selenskyjs nach einem Gipfel mit Putin, obwohl er dem russischen Regierungschef nicht traue. Selenskyj habe "die vollen Informationen, um die Entscheidung zu treffen".
Quelle: ntv.de, spl
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