Was zum Raketenangriff in Kramatorsk bekannt ist

  08 April 2022    Gelesen: 668
  Was zum Raketenangriff in Kramatorsk bekannt ist

Tausende warten am Bahnhof von Kramatorsk auf ihren Zug. Plötzlich gibt es zwei Explosionen, das Gebäude wird von zwei Raketen getroffen. Die russische Seite weist jede Verantwortung zurück, doch ihre Argumentation hat eklatante Lücken. Was dazu bekannt ist, im Überblick.

Was ist passiert?

Am Morgen treffen zwei Raketen den Bahnhof der von der Ukraine kontrollierten Stadt Kramatorsk. Dort befanden sich Tausende Menschen, die darauf warteten, dass ihr Evakuierungszug abfährt. Durch den Luftangriff wurden mindestens 50 Menschen getötet. Darunter seien fünf Kinder, sagte der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, dem Portal strana.news zufolge. Zudem seien 98 Menschen verletzt worden, davon 16 Kinder. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verbreitete auf Instagram Aufnahmen vom Anschlagsort. Inzwischen gibt es auch zahlreiche Pressefotos, die das grausame Ende eines Fluchtversuchs zeigen: Auf den Bildern sind zahlreiche Leichen und Blutlachen auf dem Bahnhofsvorplatz zu sehen.

Liefen die Evakuierungen zuvor reibungslos?

Nein. Seit die russische Armee ihren Strategiewechsel angekündigt hat, sich angeblich vor allem auf die Ostukraine zu konzentrieren, versuchen mehr und mehr Menschen aus der Region gen Westen zu fliehen. Zuletzt hatte auch die ukrainische Regierung dazu aufgerufen. Doch bereits am gestrigen Donnerstag geriet die anscheinend letzte unter ukrainischer Kontrolle stehende Eisenbahnlinie, die in den Westen führt, unter russischen Beschuss. "Zeitweilig sind in Slowjansk und Kramatorsk drei Evakuierungszüge blockiert", teilte Eisenbahnchef Olexander Kamyschin am Donnerstag auf Telegram mit. Trotzdem konnten aber bisher bereits mehrere Tausend Menschen die umkämpfte Region verlassen.

Wer ist verantwortlich für den Raketenangriff auf den Bahnhof?

Ukraine und Russland geben einander die Schuld. Das russische Militär habe einen ganz gewöhnlichen Bahnhof angegriffen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während seiner Ansprache vor dem finnischen Parlament. Menschen hätten an dem Bahnhof auf ihre Züge gewartet, um von diesem in sichere Gebiete evakuiert zu werden. Der Kreml dementiert, weist jede Verantwortung von sich - und beschuldigt umgekehrt die ukrainische Seite.

Warum ist die Kreml-Argumentation wenig stichhaltig?

Moskau verweist auf die gefundenen Trümmerteile. Sowohl die prorussischen Separatisten als auch der ukrainische Präsident Selenskyj sprechen davon, dass eine Rakete des Typs "Totschka-U" verwendet wurde, das zeigen auch die Bilder. Diese stammt noch aus Sowjetzeiten und gilt als wenig zielgenau. Während die Ukraine noch welche in ihrem Bestand hat, behauptet Russland, selbst angeblich keine mehr zu verwenden. Doch Berichte aus den vergangenen Wochen und Monaten widerlegen das. Ein vom Verteidigungsministerium betriebenes russisches Staatsmedium zeigte den Gebrauch des fraglichen Raketentypus erst kürzlich in einem Video. Sie kamen offenbar während der gemeinsamen Militärübung von Russland und Belarus Mitte Februar zum Einsatz. Zusätzlich gibt es auch einen Bericht von Waffenexperten der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International". Diese hätten herausgefunden, dass eine Rakete des Typs "Totschka-U" bereits kurz nach Kriegsbeginn in der Donezk-Region verwendet worden sei. Dabei sei ein Krankenhaus getroffen worden. Dem Bericht zufolge kamen vier Zivilisten ums Leben.

Welche weiteren Argumentationslücken hat die russische Seite?

Dass die Argumentation Lücken hat, zeigt der Blick in die sozialen Medien. Beispielsweise stand in einem prorussischen Telegram-Kanal am späten gestrigen Donnerstagabend: "Bürgern, die derzeit aus Sloviansk, Kramatorsk und nahe gelegenen Orten evakuiert werden, wird empfohlen, nicht mit dem Zug zu fahren." Wie die russische Investigativseite "The Insider" berichtete, hätten mehrere russische Propagandakanäle erst Berichte verbreitet, dass es einen Angriff auf einen Bahnhof in Kramatorsk gegeben habe. Diese aber später wieder abgeändert oder gelöscht, nachdem bekannt geworden war, dass dabei Zivilisten getötet wurden. Zudem kursierte auf Telegram ein Video, das den Abschuss von zwei Raketen aus der Nähe von Schachtarsk zeigen soll. Die Stadt liegt in der von prorussischen Separatisten kontrollierten Region des Gebiets Donezk.

Und was es mit dem Schriftzug auf den Trümmern auf sich?

Es ist unklar, was damit genau gemeint war. Eine Rakete traf nicht den Bahnhof, sondern einen Grünstreifen davor. Das Foto wurde unter anderem von Präsident Selenskyj verbreitet. Auf einer der Raketen stand in kyrillischen Buchstaben geschrieben: "Für Kinder". Es könnte Teil der russischen Propaganda sein, die bereits seit Jahren haltlose Unwahrheiten über einen angeblichen Genozid im Donbass verbreitet.

Quelle: ntv.de, ses/dpa


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