40 Milliarden Dollar Gewinn hat der Ölkonzern Saudi Aramco allein im ersten Quartal dieses Jahres verbucht. Ein Plus von mehr als 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die als "Big Oil" bekannten größten westlichen Ölkonzerne verdoppelten derweil ihren Gewinn auf zusammen 30 Milliarden Euro in nur drei Monaten. Bezahlt haben die gigantischen Gewinnsteigerungen dieser und einiger anderer Unternehmen auch deutsche Verbraucher und Firmen. Mehrere Hundert Euro werden es wohl in diesem Jahr, die ein Durchschnittshaushalt mehr für Strom und Heizkosten aufwenden muss als im Vorjahr.
Die Umverteilung von Milliarden von Euro von Energieverbrauchern zu Öl- und Gaslieferanten verletzt nicht nur das Gerechtigkeitsempfinden. Sie ist ein Problem für die gesamte Volkswirtschaft. Die steigenden Preise heizen die Inflation an. Die Konsumenten haben deutlich weniger Geld, was sich in den nächsten Monaten in einer sinkenden Binnennachfrage niederschlagen dürfte. Viele Industriebetriebe drohen, unter der Last der hohen Energiekosten pleitezugehen.
All dies sind gute Gründe, den Energiekonzernen ihre sogenannten Übergewinne wieder abzunehmen und mit dem Geld besonders belastete Verbraucher oder Unternehmen zu unterstützen. Mehrere Länder arbeiten dazu an einer "Windfall Tax", auf Deutsch etwa "Zufallsgewinn-Steuer". Spanien hat schon im vergangenen Herbst eine eingeführt. Italien hat sie inzwischen beschlossen. Die EU-Kommission hat bereits - unter einer Reihe einschränkender Bedingungen - grundsätzlich grünes Licht für eine zeitlich begrenze Sondersteuer für die Energiebranche gegeben. Auch in den USA und Großbritannien liegen allerdings umstrittene Pläne für "Windfall Taxes" auf dem Tisch.
Warnung vor Kollateralschäden
In Deutschland dagegen wiegelt die Bundesregierung bislang ab. Wirtschaftsminister Robert Habeck brachte die Idee schon im März ins Spiel, als der die "Abschöpfung von Übergewinnen" ein "wichtiges Thema" nannte. Er schob aber gleich hinterher, wie schwierig die Umsetzung sei. Finanzminister Christian Lindner lehnte die Idee schon mehrfach kategorisch ab. Mit dem deutschen Steuerrecht sei das nicht vereinbar und politisch nicht sinnvoll. Die Konzerne sollten hohe Investitionen in erneuerbare Energien tätigen. Da dürfe man ihnen jetzt nicht die Gewinne wegnehmen. Das sehen Experten durchaus anders. Denn die enormen Mehreinnahmen, die diejenigen, die über Rohstoffe wie Erdgas oder Öl verfügen, jetzt machen, verdanken sie eben nicht eigenen Investitionen, sondern sie profitieren vom Krieg in der Ukraine.
Die Grundidee einer Übergewinn-Steuer sei durchaus richtig, sagt der Ökonom und Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Ökonomische Renten - also Gewinne, die anfallen, ohne dass jemand etwas dafür geleistet hat - sollte man grundsätzlich hoch besteuern.
Diese Übergewinne abzuschöpfen, sei in der Praxis allerdings kompliziert und löse leicht Kollateralschäden aus, warnt Bach. "Die Gewinne von Unternehmen schwanken stark, und die tatsächliche Rendite zu ermitteln ist sehr aufwändig", so Bach. Außerdem dürfe man nicht die Anreize reduzieren, dem Mangel abzuhelfen, den die hohen Preise signalisieren - also mehr Energie zu mobilisieren, möglichst erneuerbare. "Daher will ja auch kaum jemand die hohen Gewinne der Pharmakonzerne aus den Corona-Impfstoffen abschöpfen, die sie in kurzer Zeit erfolgreich entwickelt haben."
Italien besteuert Umsätze statt Gewinn
Juristen bezweifeln zudem, dass es in Deutschland zulässig wäre - wie die EU-Kommission das vorschlägt und wie es Italien beschlossen hat - ausschließlich mit den Energieunternehmen eine einzelne Branche mit einer Sondereinkommensteuer zu belegen. Eine "Strafsteuer zulasten spezifischer Branchen" sei "gleichheitsrechtlich zweifelhaft", schreibt der Jurist und Experte für Finanz- und Steuerrecht Hanno Kube von der Uni Heidelberg.
Vor allem aber fällt ein Großteil der Gewinne nicht in dem Land ab, in dem die Verbraucher leben, also beispielsweise Deutschland, sondern am Konzernsitz der Öl- und Gasunternehmen. Italien hat dieses Problem gelöst, in dem sich die Steuer nicht an der Gewinnsteigerung eines Energielieferanten, sondern an der Veränderung des Umsatzes bemisst. Konkret werden die Einnahmen von Oktober 2021 bis März 2022 mit denen des Vorjahreszeitraumes vergleichen. Beträgt die Steigerung mehr als fünf Millionen Euro und mehr als zehn Prozent, werden diese Mehreinnahmen mit einer 25-prozentigen Sonderabgabe belegt. Umsätze können - anders als Gewinne - nicht ins Ausland verlagert werden und sind zudem einfacher und schneller aus den Umsatzsteuermeldungen jedes Unternehmens zu ermitteln.
Italien, so schätzt die Regierung, könnte mit seiner Über-Umsatzsteuer etwa zehn Prozent der um rund 40 Milliarden Euro gestiegenen Energiekosten für die Verbraucher unter Unternehmen wieder abschöpfen. Ob das funktioniert, wird sich im Juni zeigen, wenn die einmalige Abgabe zu zahlen ist. Mit den Einnahmen sollen vor allem ärmere Haushalte und energieintensive Betriebe entlastet werden.
In Deutschland steuert die Bundesregierung zunächst in die entgegengesetzte Richtung: Mit der temporären Senkung der Energiesteuer auf Benzin und Diesel werden die Umsätze der Mineralölkonzerne ab ersten Juni für drei Monate massiv entlastet. Dazu, diese Entlastung in Form von Preissenkungen an die Verbraucher weiterzugeben, sind sie in keiner Weise verpflichtet.
Quelle: ntv.de
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