Das Spiel hatte im Zeichen von Johan Cruyff gestanden, die niederländische Klubikone des FC Barcelona war in der Vorwoche verstorben. Vor Spielbeginn wurde ein Video eingespielt, in dem die Spieler, die unter Johan Cruyff 1992 den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatten, die berühmtesten Aphorismen Cruyffs zitierten: Pep Guardiola, Hristo Stoitschkow, Ronaldo Koeman, Andoni Zubizarreta . . .
Zunächst gleicht die Partie einem Nichtangriffspakt
Die Fahnen am Camp Nou wehten auf Halbmast. Alle acht noch lebenden Präsidenten des Vereins nahmen auf der Ehrentribüne Platz - ein beispielloses und überraschendes Zeichen institutioneller Geschlossenheit. Die meisten sind untereinander heillos zerstritten. Auch eine Art Ramadan wurde ausgerufen: Beim traditionellen Essen der Vereinsführungen von Barcelona und Real Madrid wurde aus Gründen der Pietät auf den Cava verzichtet, die katalanische Variante des Champagners. Vor der Partie wurde eine Schweigeminute abgehalten. Doch anders als vermutet, mündete sie nicht in die volle Volt-Zahl, die Clásicos normalerweise innewohnt, unabhängig davon, wie der Tabellenstand der beiden Mannschaften ist. Denn die Partie glich lange einem Nichtangriffspakt - und hatte in dem Schiedsrichter Javier Hernández einen überraschenden Protagonisten.
Barcelona ergriff rasch die Kontrolle über das Spiel. Doch das lag auch daran, dass Real Madrid sich darauf versteifte, kompakt vor dem eigenen Strafraum zu verteidigen, um Barcelonas Abwehr hervorzulocken und Räume für die schnellen Angreifer Gareth Bale und Cristiano Ronaldo zu generieren. Barcelona fiel es schwer, den eigenen Ballstafetten den nötigen Rhythmus zu verleihen. Gleichwohl kam Barcelona zu Chancen. In der 10. Minute traf Mittelstürmer Luis Suárez freistehend den Ball nicht richtig, er stand jedoch ohnehin im Abseits. Weil er genau das reklamierte, sah Real Madrids Kapitän Sergio Ramos die gelbe Karte. Er konnte von Glück sprechen, dass er knapp eine Viertelstunde später ohne eine weitere Verwarnung davonkam. An der Strafraumgrenze foulte Ramos als letzter Verteidiger Lionel Messi klar. Doch der Pfiff von Schiedsrichter José Hernández blieb aus. Später, nach mehreren gelbwürdigen Fouls, flog Ramos tatsächlich vom Platz - unmittelbar vor dem 2:1-Treffer von Ronaldo.
Ramos` erstes Foul weckte Real Madrid. Die Hauptstädter generierten durchaus respektablen Torgelegenheiten. Die klarste Chance Madrids vergab Karim Benzema kurz vor der Pause: Nach einer Hereingabe von rechts rutschte er mit dem Standbein weg - und jagte den Ball aus 12 Metern freistehend in den Himmel.
90 000 Menschen erwarten das 2:0 - und sehen den Ausgleich und das 1:2
Nach der Pause schien Barcelona das Tempo erhöhen zu wollen. Die schönste Aktion verantwortete Lionel Messi, als er in der 55. Minute den Ball neben den rechten Pfosten lupfen wollte. Doch Torwart Keylor Navas vereitelte die Chance mit einem sagenhaften Flug. Dann kam doch die zwischenzeitliche Barcelona-Führung, auf nachgerade kontrakulturelle Weise: Nach einer Ecke, die Ivan Rakitic von der rechten Seite getreten hatte, traf Barcelonas Innenverteidiger Gerard Piqué ausgerechnet per Kopf (56.). Danach waren im Camp Nou immer häufiger "Aaahs" und "Ooohs" zu hören, Barca drückte, und 90 000 rieben sich in Erwartung eines Ausbaus der Führung bereits die Hände.
Doch Real Madrid schlug zurück. Nach einem Ballverlust Barcelonas im Angriff jagte Madrids Linksverteidiger Marcelo den Ball 50 Meter quer über den Platz, legte ihn auf den bis dahin unauffälligen Toni Kroos ab - der Glück hatte, dass seine Flanke perfekt abgefälscht wurde. Sie landete bei Benzema, der mit einem majestätischen Scherenschlag ins Tor traf. Neun Minuten vor Schluss wurde Gareth Bale zu Unrecht ein Kopfballtor aberkannt, in den Augen von Schiedsrichter Hernández hatte Bale seinen Bewacher Jordi Alba weggestoßen. Kurz darauf traf Ronaldo bei einem Schuss nur die Querstange. Doch sein Tor war nur aufgeschoben: Am linken Pfosten pflückte er einen Flankenball mit der Brust vom Himmel, er tanzte seinen Bewacher Dani Alves aus, schoss dem Torwart Claudio Bravo den Ball durch die Beine. Im Camp Nou herrschte schlagartig gespenstische Ruhe.
Quelle sueddeutsche.de
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