Wer auf der im Persischen Golf aufgeschütteten Insel Palm Jumeirah residiert, ist unter seinesgleichen. Die dahinter aus dem Wüstensand emporschießende Skyline Dubais zeigt wenig subtil: Hier ist das große Geld zu Hause. Oder anders: Hier darf zu Hause sein, wer nur genug Geld mitbringt. Für wohlhabende Russen ist das ein willkommenes Angebot. Denn während weite Teile der Welt russische Vermögenswerte einfrieren und beschlagnahmen, beteiligen sich die Vereinigten Arabischen Emirate bislang an keinen Sanktionen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Und so wird insbesondere der Finanzplatz Dubai zum Zufluchtsort für Oligarchen und andere gut betuchte Russen.
Unter den mehr als 5000 russischen Staatsbürgern, die in Dubai Immobilien besitzen, sind rund 100 Mitglieder der politischen Elite. Das zeigen Grundbucheinträge aus dem Jahr 2020, die der Forschungsorganisation Center for Advanced Defense Studies zugespielt wurden. Viele von ihnen gehören dem Kreis um Präsident Wladimir Putin an. Einer ist der Duma-Abgeordnete und frühere Regierungschef der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Alexander Borodai. Er besitzt eine Wohnung auf Palm Jumeirah und wird von mehreren westlichen Staaten sanktioniert.
Borodai befindet sich damit in direkter Nachbarschaft zu Ruslan Baisarow, einem Vertrauten des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow. Ihm gehören fünf Wohnungen und eine Strandvilla auf der künstlichen Insel. In der teuersten Wohngegend der Stadt kostet ein Appartement schonmal mehrere Millionen Euro - und die Preise steigen. Auch andere Superreiche wie die Milliardäre Dmitri Rybolowlew und Andrey Molchanov leisten sich Luxusvillen in Dubai.
Mit Beginn des Krieges sei die Nachfrage aus Russland nach Immobilien im Wüstenemirat explodiert, berichtet der "Guardian". "Eine drastische Anzahl russischer Investoren kauft Einheiten", sagt Alan Pinto dem Blatt. Der Berater einer Maklerfirma aus Dubai berichtet auch von einer großen Anzahl an Mietanfragen. Ihm zufolge erhält der Vermieter das Geld in der Regel von einem Vermittler. Gezahlt werde in Kryptowährungen.
"Goldene Visa" für Investoren
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind in den Finanzangelegenheiten der Superreichen bekannt für ihre Diskretion - Kritiker nennen es Intransparenz. Wer das nötige Kleingeld mitbringt, spart sich nicht nur ungemütliche Fragen, sondern wird sogar mit offenen Armen empfangen. Das Land verteilt sogenannte "Goldene Visa" an zahlungskräftige Ausländer. Dem "Business Insider" zufolge gilt das auch für sanktionierte Oligarchen. Im Tausch für eine Investition von 2,7 Millionen Dollar in ein lokales Unternehmen oder einen Fonds gibt es eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung - ganz unbürokratisch.
Transparent ist der Staatenbund auf der Arabischen Halbinsel allerdings in seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine. Im UN-Sicherheitsrat verurteilten die Emirate den Angriff nicht, sondern enthielten sich. Auch internationale Sanktionen lehnen sie ab. Ein prominenter Nutznießer dieser Politik ist Roman Abramowitsch. Die US-Justiz will seinen Privatjet, eine Boeing 787-8 Dreamliner, beschlagnahmen. Der parkt aber seit Anfang März in Dubai und entzieht sich so der Einflusssphäre Washingtons. Ein im wahrsten Sinne des Wortes sicherer Hafen sind die Emirate auch für Jachten sanktionierter Oligarchen: So rettete der Milliardär Andrei Melnitschenko sein Luxus-Schiff in die Gewässer vor der Stadt Ras al-Khaimah.
Wegen der staatlichen Zurückhaltung gelten die Emirate schon lange als Geldwäsche-Paradies. Angesichts des russischen Angriffskriegs erreicht das eine neue Dimension. Russische Banken sind dort nicht sanktioniert, der Geldfluss ist ohne Weiteres möglich. Die Sicherheitsexpertin Jodi Vittori sieht einen regelrechten Exodus nach Dubai von Russen, die ihr Vermögen im Falle eines Staatsbankrotts in Sicherheit bringen wollen. "Das wird eine große Herausforderung beim Erlass von Sanktionen gegen Russland und Russen im Ausland: herauszufinden, wer sein Geld aufrichtig verdient hat - und wer durch Vorteilsnahme und Korruption", sagt die Professorin der Universität Georgetown der "taz". "Solange solche Orte [wie Dubai] existieren, werden Sanktionen nicht wirklich funktionieren."
Ambivalente Beziehung zum Westen
Das weiß auch der Westen, der die undurchsichtigen Geldströme im Wüstenstaat aber bislang hinnahm. Schließlich fungieren die Emirate erstens als enger sicherheitspolitischer Partner der USA und liefern zweitens zuverlässig Gas- und Öl nach Europa. Erst Anfang März setzte die internationale Anti-Geldwäsche-Organisation Financial Action Task Force die Vereinigten Arabischen Emirate auf ihre "graue Liste". Sie stehen damit unter erhöhter Beobachtung. Doch getan hat sich wenig: Je weitreichender die Sanktionen gegen Russland, desto mehr profitiert offenbar der Wüstenstaat.
Inzwischen werden erste Forderungen laut, die Emirate zu boykottieren. "Dubai war lange Zeit ein sicherer Ort für schmutziges Geld. Es sollte jetzt auf die schwarze Liste der Finanzwelt gesetzt werden und seine Führer sollten hier nicht willkommen sein", zitiert der "Guardian" den Finanzexperten und langjährigen Putin-Kritiker Bill Browder. Wenn der Golfstaat nicht dabei hilft, die Vermögen der Oligarchen zu verfolgen, müsse der Westen "sekundäre Sanktionen" verhängen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate betonen, dass sie nicht dazu verpflichtet sind, die Sanktionen anderer Länder umzusetzen. Zugleich besteht seit dem 24. Februar, also dem Tag der russischen Invasion, ein Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen mit den USA und anderen Ländern. Wie sich das Verhältnis des Westens zu den Emiraten entwickelt, könnte sich am Schicksal der Boeing von Ex-Chelsea-Boss Abramowitsch entscheiden. Denn es sei wahrscheinlich, dass die USA bei der Umsetzung ihrer Sanktionen die Hilfe der Regierung einfordern, sagt die ehemalige FBI-Agentin Karen Greenaway dem "Guardian". Das könnte zur Feuerprobe der Beziehung beider Länder werden.
Quelle: ntv.de
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