Amnesty-Jahresbericht zu Hinrichtungen: Der Staat als Henker

  06 April 2016    Gelesen: 876
Amnesty-Jahresbericht zu Hinrichtungen: Der Staat als Henker
2015 wurden laut Amnesty International so viele Menschen exekutiert wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr - vor allem in China, Iran, Pakistan und Saudi-Arabien. Aber es gibt auch gute Nachrichten.
Sie wurden geköpft, gehängt, erschossen oder bekamen die Giftspritze: Mehr als 1600 Menschen sind im vergangenen Jahr von Staaten hingerichtet worden - und damit über 50 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Das geht aus dem Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zu Hinrichtungen und Todesurteilen hervor.

Auf 77 Seiten dokumentiert die Organisation, wo auf der Welt sich Länder zum Richter über Leben und Tod machen:

2015 wurden mindestens 1634 Menschen von staatlicher Seite hingerichtet - 573 mehr als 2014

Es gab Hinrichtungen in 25 Ländern

Fast neun von zehn bestätigten Hinrichtungen gingen auf das Konto dreier Länder: Iran (mindestens 977), Pakistan (326) und Saudi-Arabien (mindestens 158)

Mindestens neun Minderjährige wurden hingerichtet, vier in Iran und wenigstens fünf in Pakistan.

In den USA wurden 28 Menschen hingerichtet - Platz fünf im Ranking.

Mehrere Länder richteten geistig behinderte Personen hin oder verurteilten sie zum Tod - darunter die USA, Japan, Indonesien und Pakistan.

In 61 Staaten wurden Todesurteile verhängt.

Mindestens 1998 Menschen wurden 2015 zum Tod verurteilt - insgesamt saßen mindestens 20.292 Menschen Ende 2015 in der Todeszelle.

Die gestiegene Zahl der Hinrichtungen bezeichnete Amnesty-Experte Oliver Hendrich als "Besorgnis erregend und verstörend". Viele Todesurteile wurden nach Prozessen verhängt, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügten. Im Irak wurden Geständnisse vor Prozessbeginn im Fernsehen gezeigt. Zahlreiche Urteile basierten auf erfolterten Aussagen, etwa in Bahrain, Nordkorea und Saudi-Arabien.

Viele Länder reagieren mit Hinrichtungen auf "tatsächliche oder vermeintliche Bedrohungen der staatlichen und öffentlichen Sicherheit", heißt es in dem Bericht. Auch wollten Staaten mit Exekutionen Terroristen abschrecken - obwohl die erhoffte Abschreckungswirkung nicht belegt sei.

Keine Zahlen aus China

Die Daten in dem Report stammen von Behörden, Angehörigen von Hingerichteten, Anwälten, Medienberichten und Bürgerrechtsorganisationen. Die Zahlen sollten als Minimalangaben verstanden werden - als Menge der verifizierten Exekutionen.

Nicht nur deshalb liefert der Bericht allenfalls ein lückenhaftes Bild. Aus Ländern wie Syrien gibt es keine zuverlässigen Berichte. Und China behandelt die Zahl der Hinrichtungen seit geraumer Zeit als Staatsgeheimnis. Belastbare, öffentlich verfügbare Zahlen gibt es deshalb nicht.

"Wir vermuten, dass China wieder mehr Hinrichtungen ausführen ließ als der gesamte Rest der Welt zusammen", sage Hendrich. Dies würde bedeuten, dass es im vergangenen Jahr weltweit mehr als 3200 Exekutionen gab. Andere Experten gehen von schätzungsweise 2400 Hinrichtungen in China aus - dies würde eine Mindestzahl von weltweit 4000 Hinrichtungen bedeuten.

Amnesty-Generalsekretär Silal Shetty sagte, China prüfe derzeit, welche Vergehen mit dem Tod bestraft werden sollten. Es gebe daher einen "kleinen Hoffnungsschimmer", dass die Zahl der Hinrichtungen sinken werde.

Todesstrafe in 140 Ländern de facto abgeschafft

Für Gegner der Todesstrafe mag der Report ernüchternd klingen. Aber Amnesty vermerkt auch positive Entwicklungen. Die Zahl der Länder, die die Todesstrafe abgeschafft haben, stieg im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von 102. Neu hinzu kamen die Republik Kongo, Fiji, Madagaskar und Surinam.

Nimmt man die Länder hinzu, die seit zehn Jahren niemanden mehr hingerichtet haben, ist die Todesstrafe de facto sogar in 140 Ländern abgeschafft. Rund die Hälfte aller Länder weltweit ohne Todesstrafe - das mag nach wenig klingen.

Aber die Entwicklung seit 1977 ist bemerkenswert. Damals war die Todesstrafe dem Bericht zufolge in 16 Ländern abgeschafft, 15 Jahre später in 60. Zugleich ist 1996 die Zahl der Länder, die Leute hingerichtet haben, gesunken: von 39 auf 25.

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