Scholz spricht mit Xi "selbstverständlich" über Differenzen

  04 November 2022    Gelesen: 575
  Scholz spricht mit Xi "selbstverständlich" über Differenzen

Noch bevor er einen Fuß in den Flieger setzt betont Bundeskanzler Scholz, dass ein "business as usual" mit China nicht mehr möglich sei. Die Reise in die Volksrepublik ist von viel Argwohn begleitet - auf beiden Seiten. Beim Auftakttreffen mit Xi wird deswegen auch von "Vertrauensbildung" gesprochen.

Bundeskanzler Olaf Scholz will mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping über eine Weiterentwicklung der Wirtschaftsbeziehungen reden, aber auch Differenzen nicht aussparen. Zum Auftakt seines Gesprächs mit dem Staats- und Parteichef in Peking sagte der SPD-Politiker, es werde "selbstverständlich" auch um die Fragen gehen, "wo wir unterschiedliche Perspektiven verfolgen". Das sei "das Ziel eines guten Austausches".

Der Kanzler hob in seinem Eingangsstatement den Ukraine-Krieg hervor. "Wir kommen zusammen in einer Zeit, die von großen Spannungen geprägt ist. Ganz besonders will ich den russischen Krieg gegen die Ukraine hervorheben, der viele Probleme für unsere regelbasierte Weltordnung mit sich bringt." Außerdem nannte er Hunger, Klimawandel und die Verschuldung armer Länder als wichtige Themen.

Chinas Präsident Xi sagte bei dem Treffen, der Besuch des Kanzlers werde "die praktische Zusammenarbeit" vertiefen, wie chinesische Staatsmedien berichteten. Die Visite werde zur "Vertrauensbildung" und zur Weiterentwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen "in der nächsten Phase" beitragen.

Aktuell ist das Verhältnis Deutschlands zu China allerdings von erheblichen Differenzen geprägt. Sorge bereiten der Bundesregierung etwa die chinesische Unterstützung Russlands trotz des Ukraine-Kriegs, die Drohungen Pekings mit militärischer Gewalt gegen Taiwan, die Lage der Menschenrechte sowie Markt- und Handelshemmnisse für westliche Unternehmen.

PCR-Test unter chinesischer Aufsicht

Bereits vor der Abreise hatte Scholz eine Neujustierung der deutschen China-Politik angekündigt. Ein "business as usual" sei nicht möglich, weil sich die Politik der Volksrepublik in den vergangenen Jahren verändert habe und konfrontativer geworden sei. Bei der Begegnung mit Xi in der Pekinger Großen Halle des Volkes betonte Scholz die Wichtigkeit des persönlichen Austausches auch mit der chinesischen Führung. Es sei "gut, dass wir einen ganz intensiven Austausch haben werden über alle Fragen" sagte er.

Der Besuch des Kanzlers ist in mehrerlei Hinsicht besonders. Er findet unter den in China gültigen scharfen Corona-Restriktionen statt. Nach der Landung in Peking musste sich der Kanzler einem PCR-Test unter Aufsicht der chinesischen Gesundheitsbehörden unterziehen - er fiel nach deutschen Regierungsangaben negativ aus. Aus Pandemieschutzgründen wurde auf eine Übernachtung in China verzichtet.

Zudem ist Scholz der erste westliche Staatsgast seit Beginn der Pandemie vor mehr als zwei Jahren, der in dem abgeschotteten Land empfangen wurde. Er ist damit auch der erste Regierungschef aus dem Westen, der den chinesischen Präsidenten Xi trifft, seit dieser vor zwei Wochen auf dem Parteitag der chinesischen KP seine Alleinherrschaft festigte.

Diplomatische Bewährungsprobe für den Kanzler

Kritik von vielen Seiten begleitet den Kanzler auf seiner Reise. Die Koalitionspartner Grüne und FDP verlangen von ihm ein klares Eintreten für die Menschenrechte. Diese Forderung kommt auch von Menschenrechtsgruppierungen und Dissidenten, die der Volksrepublik schwerste Vergehen etwa in der von den muslimischen Uiguren bewohnten Provinz Xinjiang vorwerfen.

Bemängelt wurde auch der Zeitpunkt der Reise so kurz nach dem Parteitag, auf dem die Kommunistische Partei ihren von massiver staatlicher Repression flankierten Machtanspruch in der Volksrepublik noch einmal mit Nachdruck bekräftigte.

Zugleich hat China als wichtigster Handelspartner Deutschlands eine wirtschaftlich wichtige Stellung. Der Kanzler wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, mit dabei sind unter anderem die Chefs von VW, BMW, BASF, Adidas, Biontech und Deutscher Bank. Die deutsche Wirtschaft will ihre lukrativen Geschäfte mit der Volksrepublik fortsetzen - zugleich wachsen die Sorgen vor einer zu großen Abhängigkeit Deutschlands von China.

Angesichts dieser Spannungsfelder gilt der Besuch in Peking auch als diplomatische Bewährungsprobe für den Kanzler. Konkret erhofft sich Berlin etwa, dass China mäßigend auf seinen Partner Russland und dessen Kriegsführung in der Ukraine einwirkt - insbesondere angesichts der jüngsten nuklearen Rhetorik aus Moskau.

Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa


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