Lizenz zur Diskriminierung

  08 April 2016    Gelesen: 678
Lizenz zur Diskriminierung
Nirgendwo in den USA geht der Staat gegen Homosexuelle so drakonisch vor wie in Mississippi. Auch weil der Hass auf das liberale Washington dort fest zur Kultur gehört.
Jasmine Beach-Ferrara war alles andere als überrascht, als am Dienstag ihr Heimatstaat Mississippi das wohl weitreichendste Anti-Homosexuellen Gesetz der USA verabschiedete. "Man muss sich doch nur anschauen, wie hart in Mississippi darum gekämpft wurde, die Südstaaten-Fahne beizubehalten, um zu verstehen, wie reaktionär unser Staat eigentlich ist", sagt die Sprecherin von Southern Equality, einer Organisation, die für Schwulenrechte im Süden kämpft.

In der Tat wundert man sich vielerorts in Amerika, dass der Gouverneur von Mississippi erst jetzt ein solches Gesetz vorgelegt bekommt. Bereits 2014 war Mississippi zum wiederholten Mal in einer Gallup Umfrage zum konservativsten Staat der USA gekürt worden. Bei den Vorwahlen am 6. April diesen Jahres gewann Donald Trump in dem südlichen Bundesstaat 47 Prozent der Stimmen.

Und doch waren in den vergangenen Wochen Staaten wie Georgia und North Carolina Mississippi mit Gesetzesvorhaben zuvor gekommen, die die Rechte Homo- und Transsexueller stark einschränken sollen. Insgesamt wurden im Lauf des Jahres 2016 in den USA 200 solcher Gesetze auf Staatsebene entworfen. In den konservativen Ecken des Landes formiert sich der Widerstand gegen Washington, wo der Oberste Gerichtshof im vergangenen Jahr die Homo-Ehe legalisiert hat und der Präsident sich aktiv für die Rechte Homo- und Transsexueller einsetzt.

Hauptsache gegen Washington

Das konservative Mississippi, wo Gouverneur Phil Bryant stolz als der "erste Tea-Party-Gouverneur der USA" regiert, bisher noch nicht aktiv geworden war, hängt auch damit zusammen, dass der Staat bereits seit 2014 über einen "Religious Freedom Restoration Act" verfügt – ein Gesetz, das es Individuen und Organisationen erlaubt, gegen Gesetze und Bestimmungen zu klagen, von denen sie meinen, sie schränkten ihre religiöse Freiheit ein.

Schon dieses Gesetz schloss zumindest auf der Staatsebene legalen Schutz für Homo- und Transsexuelle praktisch aus. Doch für die konservative Mehrheit in Mississippi war das nicht genug. Das neue Gesetz erlaubt Firmen und Organisationen nun, Homosexuelle offen zu diskriminieren. Dienstleistungen und Güter bis hin zu Wohnangeboten dürfen verweigert werden. Pflege- und Adoptiveltern dürfen homosexuelle Kinder umerziehen lassen. Transsexuellen darf in öffentlichen Gebäuden die Toilettenbenutzung untersagt werden.

Es ist nicht das erste Mal in der jüngeren Zeit, dass Mississippi sich durch die Komplett-Sabotage von Washington besonders hervortut. Obwohl Mississippi der ärmste Staat der USA ist, ist in Mississippi als einzigem Staat die Gesundheitsreform Obamas komplett gescheitert. Im ganzen Staat haben gerade einmal 800 Menschen die subventionierte Krankenversicherung in Anspruch genommen. Als Grund dafür nannte das Online-Magazin Politico die ideologische Verblendung der mehrheitlich weißen, armen Bevölkerung aber auch die gezielte Unterwanderung der Implementierung von Obamacare durch Gouverneur Bryant.

Der instinktive Widerstand gegen alles, was aus Washington kommt, ist in Mississippi allerdings nicht erst durch die Präsidentschaft von Obama ausgelöst worden. Als Dokumentarfilmerin Alexandra Pelosi, Tochter der demokratischen Kongressabgeordneten Nancy Pelosi, Bürger von Mississippi fragte, warum sie so leidenschaftlich gegen ihre eigenen Interessen handeln, bekam sie unter anderem die Antwort: "Wir haben vielleicht den Krieg verloren, aber wir lassen uns von niemandem herumschubsen."



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