Anwerbung ausländischer Pflegekräfte "kläglich gescheitert"

  10 Februar 2023    Gelesen: 395
  Anwerbung ausländischer Pflegekräfte "kläglich gescheitert"

Deutschland braucht dringend Pflegekräfte. Aus dem Inland, aber auch aus dem Ausland. Arbeitsmarkt-Abkommen mit Ländern außerhalb der Europäischen Union sind sinnvoll, die Ergebnisse allerdings ernüchternd.

Die Bundesregierung hat offenbar weiterhin Schwierigkeiten, gezielt Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Das geht aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums an den CDU-Politiker Tino Sorge hervor, die RTL/ntv vorliegt. Demnach wurden aus Indien im Jahr 2022 nur zwei Pflegekräfte nach Deutschland vermittelt.

Aus Indonesien und Jordanien konnten gar keine Pflegekräfte nach Deutschland vermittelt werden. Dabei braucht Deutschland dringend Pflegerinnen und Pfleger: Laut Studien könnten im Gesundheitssystem bis 2035 rund 1,8 Millionen Stellen unbesetzt bleiben.

Schon seit vielen Jahren versucht die Politik über sogenannte Vermittlungsabsprachen oder Kooperationsvereinbarungen, auch Menschen außerhalb der Europäischen Union für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. 2021 kam es zu neuen Absprachen zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Ländern wie Indien, Indonesien und Mexiko. 2022 kamen Jordanien und Brasilien hinzu, ab 2023 sind auch Anwerbungen aus Kolumbien geplant. Gerade bei den neuen Vermittlungsabsprachen sind die Zahlen verschwindend gering.

"Viel zu wenig für Befreiungsschlag"

Höher waren die Zahlen bei Mexiko (182) und Brasilien (34). Bei Abkommen, die in Legislaturperioden vor 2021 geschlossen wurden, konnten im vergangenen Jahr unter anderem 255 Pflegekräfte aus den Philippinen in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden, aus Bosnien und Herzegowina waren es 98, aus Tunesien 84, aus Serbien 1 Person.

Insgesamt konnten im vergangenen Jahr 656 ausländische Pflegekräfte durch die BA nach Deutschland vermittelt werden, geht aus der Antwort auf die Anfrage der CDU hervor. Rechnet man auch die Jahre vor 2022 dazu, waren es immerhin 4747.

Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte RTL/ntv: "Nur wenige hundert Pflegefachkräfte sind im letzten Jahr nach Deutschland gekommen. Für einen echten Befreiungsschlag ist das viel zu wenig." Die Visaverfahren seien nach wie vor viel zu langwierig und die Anerkennung ausländischer Ausbildungen verlaufe immer noch zu schleppend, so Sorge.

Das Bundesgesundheitsministerium verweist in seiner Antwort darauf, dass der aktuelle Bewerberstand deutlich höher sei als die erfolgten Integrationen in den Arbeitsmarkt. Hieraus werde "das Potenzial der Einreisen in 2023 ersichtlich". Insgesamt liegt der Bewerberstand aus Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Indien, Indonesien, Jordanien, Mexiko, den Philippinen, Serbien und Tunesien bei immerhin 2108.

"Die Hürden sind zu hoch"

Ebenfalls werden über private Vermittler Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt angeworben, offizielle Zahlen gibt es hierzu allerdings nicht. Der Vorgänger von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Jens Spahn (CDU), besuchte zum Beispiel 2019 eine Pflegeschule im Kosovo, die explizit für den deutschen Markt ausbildet.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), kommt zu einem ernüchternden Fazit. "Die Versuche der Politik, Arbeitskräfte von außerhalb Europas zu gewinnen, sind bisher kläglich gescheitert, weil man die Hürden zu hoch setzt", sagte Fratzscher ntv. Die Bundesregierung müsse dringend einen Kurswechsel ihrer Zuwanderungspolitik vollziehen, um den "massiven wirtschaftlichen Schaden des Fachkräftemangels" zu reduzieren.

Hier gehe es vor allem darum, Anforderungen an Qualifizierungen zu vereinfachen und Anerkennungen zu verbessern. Insgesamt brauche es in Deutschland einen Wandel hin zu "mehr Respekt und Wertschätzung für Vielfalt und für Menschen mit anderer Hautfarbe, Religion und Herkunft", so der Ökonom.

Quelle: ntv.de


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