Präsident drängt Jazenjuk aus dem Amt

  11 April 2016    Gelesen: 984
Präsident drängt Jazenjuk aus dem Amt
Er war der prowestliche Hoffnungsträger im Amt des ukrainischen Regierungschefs: Nach wochenlangen Querelen beugt sich Arseni Jazenjuk dem Druck von Staatschef Petro Poroschenko und tritt zurück. Ein Nachfolger steht bereit.
Nach fast zwei Monaten Regierungskrise in der Ukraine hat Ministerpräsident Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt. Der 41-Jährige beugt sich damit dem Druck von Staatschef Petro Poroschenko. Der Amtsverzicht soll am Dienstag in das Parlament in Kiew eingebracht werden. Neuer Ministerpräsident könnte der bisherige Parlamentsvorsitzende Wladimir Groisman werden, ein Parteigänger Poroschenkos.

"Ich habe beschlossen, die Vollmachten als Ministerpräsident der Ukraine niederzulegen", sagte Jazenjuk in Kiew bei der Aufzeichnung seiner wöchentlichen Fernsehansprache. Seine Partei, die Volksfront, bleibe aber in der prowestlichen Koalition mit dem Poroschenko-Block.

Die neue Regierung müsse schnell gewählt werden, denn es dürfe in Zeiten des Krieges kein Machtvakuum geben. Die Ex-Sowjetrepublik kämpft im Donbass im Osten des Landes gegen Separatisten, die von Russland militärisch unterstützt werden.

Weniger als ein Prozent Zustimmung

In der TV-Ansprache übte Jazenjuk allerdings Kritik an Poroschenko. Die politische Krise sei künstlich herbeigeführt worden. "Der Wunsch nach Ablösung eines Einzelnen hat die Politiker blind gemacht und ihren Willen zu realen Veränderungen gelähmt", sagte er.

Der Ministerpräsident steht seit Monaten unter Druck. Kritiker werfen ihm vor, nicht genug gegen Korruption zu unternehmen und Reformen nur zögerlich umzusetzen. In Umfragen ist die Zustimmung zu Jazenjuk unter ein Prozent gefallen, aus seiner Koalitionsregierung sind mehrere Parteien ausgeschieden.

In Jazenjuks Amtszeit fielen die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland sowie der darauf folgende Krieg gegen die von Moskau gestützten Separatisten im Donbass. Die Wirtschaftskrise wurde dadurch verschärft. Seit 2014 brach die Wirtschaftsleistung um 17 Prozent ein. Der Wertverlust der Währung Griwna um zwei Drittel führte zu einer Inflation von fast 80 Prozent.

Erfolgloses Führungsduo

Die Machtkämpfe in der Koalition und Korruptionsskandale behindern die Umsetzung der vom Westen geforderten Reformen und die Verhandlungen über neue Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Bevölkerung leidet unter steigenden Energiepreisen und einer Inflation, die Preise für Importwaren in die Höhe treibt.

Jazenjuk hatte die Regierung nach dem Umsturz in der Ukraine vom Frühjahr 2014 übernommen. Er und der wenig später gewählte Staatschef Poroschenko sind beide westorientiert. Als Führungsduo leisteten sie sich aber viele Reibungsverluste durch Kompetenzgerangel.

Im Februar war ein erster Versuch des Poroschenko-Lagers im Parlament gescheitert, Jazenjuk abzuwählen. Zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten sind in der Obersten Rada 226 der nominell 450 Abgeordneten notwendig. Die neue Koalition kann auf eine knappe Mehrheit von etwa 230 Stimmen zählen.

Mitanführer der Maidan-Proteste

Der Professorensohn Jazenjuk, geboren am 22. Mai 1974, stammt aus Czernowitz in der Bukowina, etwa 400 Kilometer südwestlich von Kiew. Der verheiratete Vater zweier Töchter führte Jazenjuk die Vaterlandspartei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko im Parlament.

Während der Revolution 2013/2014 baute er mit einem Teil von Timoschenkos Anhängern die eigene Partei Volksfront auf. Bei der Wahl 2014 wurde die Volksfront stärkste Partei. Mit dem Petro-Poroschenko-Block des Präsidenten bildet sie auch weiterhin eine Regierungskoalition.

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