Erste Fahrt im neuen Toyota Prius - die Legende stirbt nicht

  23 Juni 2023    Gelesen: 910
  Erste Fahrt im neuen Toyota Prius - die Legende stirbt nicht

Der Toyota Prius ist nicht nur durch Weltstars berühmt geworden: Leonardo DiCaprio hatte einen und Claudia Schiffer auch. Für Techniknerds und Umweltschützer war der Hybrid-Wegbereiter lange Zeit das ultimative Auto. Nun kommt schon die fünfte Generation, mit der ntv.de jetzt gefahren ist.

Toyota Prius ist irgendwie Legende - frühe Exemplare der ersten Generation haben das 25-Jahre-Jubiläum bereits hinter sich. In den USA galt er als ultimativer Ausdruck für umweltschonende automobile Fortbewegung. So drastisch ist es heute natürlich nicht mehr - die Konkurrenz umweltfreundlicher Autos ist einfach riesig geworden, zumal es mittlerweile sowieso auch massenhaft Fahrzeuge sogar mit rein elektrischem Antrieb gibt. Sei es drum, aufgegeben hat Toyota die Marke Prius keinesfalls - und entwickelt sie sogar kontinuierlich weiter.

Auch in Deutschland sieht man die Mittelklasse mit zwei Motoren sowie ungewöhnlichem Styling immer wieder. Dass sie hierzulande jetzt nicht zum Topseller wurde, mag einfach an der Tatsache liegen, dass es einfach keinen Kombi gibt. Und die eigenwillige äußere Erscheinung des direkten Vorgängers könnte sogar dazu beigetragen haben, dass Toyota Deutschland kurz davor war, den Stecker komplett zu ziehen im wahren Sinne des Wortes. Nachdem der Verkauf des Prius als Vollhybrid bereits 2020 eingestellt wurde, hatte das (vorläufige) Aus im Sommer 2022 auch den PHEV erwischt.

Neuer Prius kommt mit gefälligem Design

Doch die Fans des Sonderlings dürfen aufatmen. Es geht weiter mit dem Prius, auch in Deutschland. Die Neuauflage hat womöglich sogar das Zeug, wieder mehr Autofahrer-Herzen zu erobern. Denn ihr Design fällt zwar immer noch außergewöhnlich und alles andere als europäisch aus, aber deutlich gefälliger als früher - zumindest als das der vierten Generation. Der neue Prius hat gar etwas Sportives mit seinen markanten Sicken in den Flanken. Die Front wirkt weiterhin ein bisschen spacig - passt doch.

Lass einen Blick unter das Blech werfen: Hier arbeitet inzwischen nur noch der Plug-in-Hybrid, jedenfalls gilt das für den deutschen Markt. Allerdings haben die Ingenieure in puncto Leistung mächtig aufgerüstet. Waren die vorangegangenen Modelle eher mit bescheidenen Motorleistungen gesegnet, wird jetzt zumindest beim Plug-in aufgedreht: Allein der Zweiliter-Vierzylinder-Otto kommt schon auf 151 PS und überschreitet damit sogar die frühere Systemleistung von 122 PS. Dann gesellt sich noch ein 163 PS starker Stromer dazu - macht in Summe 223 PS. Wow. Es gibt natürlich immer noch die bescheidende Basisversion mit 1,8 Litern Hubraum, aber der Luxus einer solchen Auswahl ist wichtigeren Prius-Märkten vorbehalten.

Die Tempolimit-Warnung meint es ein wenig zu gut

Nun aber nichts wie hinter das Steuer geschwungen und lautlos aus dem Hotelparkhaus gerollt. Und da sich dieses mitten in Hamburg befindet, kann der Prius, kaum auf der Straße angekommen, direkt zeigen, was an Assistentenpower in ihm steckt. Er bimmelt und nimmt Antriebsleistung heraus, als er von Fahrradfahrern umzingelt wird. Könnte man auch etwas dezenter lösen. Aber sicher ist eben sicher. Das müssen sich die Techniker bei der übereifrigen Tempolimit-Warnung ebenfalls gedacht haben. Diese hört fast nicht mehr auf, die Passagiere mit Pieptönen zu überziehen.

Dem begleitenden Team von Toyota Motor Europe war das offenbar klar - die Jungs an der Fahrzeugausgabe im Parkhaus schalteten die Warnung vorsorglich ab, bevor sie uns losfahren ließen. Pech nur, dass sie sich nach jedem Motorstart wieder einschaltet und ihre Arbeitswut daher auch mir nach einem kurzen Halt nicht entgeht. Also ab ins Menü und wieder deaktivieren.

Und das wird per Lenkradtaste in einem gesonderten Menü auf dem Kombiinstrument gesteuert. Klappt eigentlich gut, nur dass der Kranz das Display je nach Sitzposition halb verdeckt - erinnert irgendwie an das sogenannte "i-Cockpit" aus dem Hause Peugeot. Du liebst oder hasst es, dazwischen gibt es nichts. Sonst noch etwas zu meckern? Das kleine Stummelchen von Automatikwählhebel ist noch genauso hakelig wie früher - fällt den Japanern so etwas nicht auf?

Wer diese Hürden allerdings genommen hat und den durchaus liebenswerten Prius dann immer noch mag, wird gut mit ihm klarkommen. Dass die Architekten das Tachodisplay (sieben Zoll) mit Informationen vollstopfen, ist ja irgendwie cool und passt zum technikträchtigen Prius. Er überfordert aber keineswegs mit Bedienungsanspruch und auf dem zentralen Touchscreen (12,3 Zoll) ploppt unmittelbar nach dem Verbinden des Smartphones die iOS-Oberfläche aus - CarPlay lässt grüßen, klappt also auch. Und beim Rückwärtsfahren erscheint dort auch noch eine coole Grafik im Kontext mit der 360-Grad-Kamera. Gezeigt wird das Fahrzeug als transparentes Gebilde samt Radeinschlag in Echtzeit. Und das Kamerabild: gestochen scharf. Unter dem Monitor verbleiben übrigens physische Tasten, um die Klimatisierung im Griff zu behalten. So muss es sein.

Der Kult-Hybrid marschiert mächtig nach vorn

Vor lauter Beschäftigung mit Assistenz und Bedienung vergesse ich beinahe, darauf zu achten, wie der Prius fährt. Ja, wie eigentlich? Unauffällig und leichtgängig. Lenkung und Bremse sind mit maximaler Servounterstützung gesegnet - in diesem Segment völlig okay. Der Fronttriebler beschleunigt homogen, kennt nach wie vor keine Zugkraftunterbrechnung dank seines berühmten Planetengetriebes, in das E-Motor wie Verbrenner eingebunden sind. Dass der Prius richtig nach vorn marschiert, muss man bewusst ausprobieren: Unter voller Last sollen 100 km/h laut Werk bereits nach 6,8 Sekunden anliegen. Bei 177 km/h stoppt der Vortrieb jedoch. Zur forcierten Gangart animiert der Toyota allerdings nie.

In der Tat übt der 1,6-Tonner auf Gaspedalbefehl dezent Druck auf den Fahrer-Rücken aus. Aber sportlich? Ist der patent federnde und bequeme Sitze offerierende Kultjapaner deshalb noch lange nicht. Will er auch gar nicht. Sparsam sein will er aber schon. Wie sparsam genau? Lässt sich zumindest aus dem Datenblatt nicht entnehmen, denn laut diesem geht es mit 0,7 Litern Benzin je 100 Kilometer. Das ist aber ein Wert, der nur bei fleißigem Laden des knapp 14 kWh großen Akkus realistisch ist, dank dessen Hilfe der Prius bis zu 86 Kilometer ganz ohne verbrennermotorische Schützenhilfe zurande kommen soll. Klar, wenn man zu Hause Strom nachfassen kann, kein Problem. Aber dazu dürfte nur eine Minderheit in der Lage sein.

Ganz witzig: Mit dem Solardach der (allerdings teuren) Ausstattungslinie "Advanced" für 52.690 Euro lädt der Prius die Traktionsbatterie mit knapp 0,2 kW bei schönem Wetter einfach voll. Das dauert allerdings ein paar Tage und ist nichts für Garagenparker. Ansonsten wird mit 3,3 Kilowatt etwa vier Stunden geladen. Warum gibt es dieses tolle Dach nicht auch für die ab 45.290 Euro startende Basisversion einfach gegen Aufpreis, wenn der Kunde das möchte? Hm. Stets mit auf den Weg bekommt der Prius übrigens alle möglichen Assistenten, LED-Scheinwerfer, Navi, schlüsselloses Schließsystem, elektrisch beheiz- und verstellbare Sitze, ein sehr gut funktionierendes Sprachbediensystem sowie Tempomat mit adaptiver Steuerung. Geht sehr in Ordnung.

Ob die Legende in Deutschland Erfolg haben wird? Zumindest dürften ihm die im eigenen Konzern angebotenen SUV das Leben schwermachen, die ja ebenso alle mit Hybridantrieb verfügbar sind. Eine Fangemeinde hat der Prius aber sicher und die wird sich mächtig freuen, wenn die ersten Exemplare auf hiesigen Straßen rollen. Und das werden sie garantiert.

Quelle: ntv.de


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