Was ist über den Flugzeugabsturz bekannt?
Ein Privatflugzeug vom Typ Embraer Legacy 600 mit der Kennung RA-02795, das Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin zugeordnet wird, ist am frühen Mittwochabend in der Region Twer in der Nähe des Dorfes Kuschenkino mehr als 200 Kilometer nordwestlich von Moskau abgestürzt. Die Maschine war auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg, wo Prigoschins Firmen ihren Sitz haben. Laut Rosawiatsija gehörte das Flugzeug dem auf Geschäftstransporte spezialisierten Unternehmen MNT-Aero. Es sei eine Untersuchung wegen "Verletzung der Sicherheitsvorschriften für den Luftverkehr" eingeleitet worden, hieß es in einer Erklärung des eingesetzten Untersuchungskomitees. Den Flugdaten zufolge zeigte die Maschine bis zu einem abrupten Absturz in den letzten 30 Sekunden keine Anzeichen eines Problems. Zur Absturzursache gibt es noch keine offiziellen Informationen.
Was weiß man über die Menschen an Bord der Maschine?
Die Luftfahrtbehörde Rosawiazija veröffentlichte eine Passagierliste, auf der Prigoschin und der offizielle Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin stehen. Zudem die Namen Sergej Propustin, Jewgeni Makarjan, Alexander Totmin, Waleri Tschekalow und Nikolai Matjusjew. Alle sieben Passagiere des Flugzeugs, sowie die drei Besatzungsmitglieder, seien ums Leben gekommen, teilte der russische Zivilschutz mit. Einem von Ria Nowosti zitierten Leiter der Rettungsdienste zufolge wurden an der Absturzstelle acht Leichen gefunden. Später meldete die Agentur Interfax, dass zehn Tote gefunden seien, die Bergung sei damit abgeschlossen. Die Leichen sind allerdings noch nicht identifiziert.
Ist Wagner-Chef Prigoschin unter den Opfern?
Der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos nutzte, meldete den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner. Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod des Prigoschins gibt es aber noch nicht. Trotz der Passagierliste ist noch unklar, ob sich Prigoschin tatsächlich auf dem abgestürzten Flugzeug befand. Ein weiteres Privatflugzeug mit der Kennung RA-02748, das Prigoschin zugeordnet wird und laut Flugdaten ebenfalls auf dem Weg nach St. Petersburg war, kehrte nach dem Absturz der ersten Maschine um und landete später in Moskau am Flughafen Ostafjewo.
Was wollte Prigoschin in Moskau?
Am Montag hatte sich Prigoschin in seiner ersten veröffentlichten Video-Ansprache seit der Rebellion seiner Söldner in einem Wüstengebiet gezeigt und um Rekruten in Afrika geworben. Wo genau das Video entstand, ist unklar. Unbestätigten Berichten russischer Medien zufolge nahmen Prigoschin und seine Mitarbeiter vor dem Flugzeugunglück an einem Treffen mit Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau teil.
Wie reagiert man in Russland auf den Absturz?
Der Telegram-Kanal Grey Zone und andere russische Militärblogger gehen davon aus, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz nicht um einen Unfall handelt. "Prigoschin starb als Ergebnis der Handlungen von Verrätern Russlands", teilte Grey Zone mit. "Aber selbst in der Hölle wird er der beste sein!" Spekuliert wird in den Medien, das Flugzeug sei möglicherweise von einer oder mehrerer Boden-Luft-Raketen abgeschossen worden. Der kremltreue russische Fernsehsender Zargrad stellte ebenfalls den Verdacht eines Mordkomplotts gegen Prigoschin in den Raum. Er gab aber dem ukrainischen Militärgeheimdienst die Schuld am Absturz des Flugzeugs. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich bislang nicht zu dem Vorfall geäußert.
Wie reagieren Washington und Kiew auf den Vorfall?
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte in Kiew, es sei offensichtlich, dass Putin niemandem für jene Angst vergeben werde, die ihm die Meuterei eingeflößt habe. Prigoschins Schicksal sei ein Signal an die russische Elite, dass jede Illoyalität mit dem Tod bestraft werde. US-Präsident Joe Biden sagte: "Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt." Er wisse nicht genau, was passiert sei, er sei aber nicht überrascht, so der Demokrat.
Welche Folgen hätte der Tod Prigoschins?
Die Frage ist aktuell schwer zu beantworten. Die von Prigoschin und Dmitri Utkin nach eigenen Angaben 2014 gegründete Söldner-Gruppe Wagner erlaubte es Russland, sich indirekt an zahlreichen Konflikten wie denen in Syrien, Mali, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik zu beteiligen. Im Ukraine-Krieg waren die Kämpfer für die russische Armee vor allem an der Ostfront eine wichtige Stütze. Unklar ist, was aus den mehreren Tausend Wagner-Kämpfern wird, die nach der Söldner-Meuterei nach Belarus gegangen sind und nun möglicherweise ihren Anführer verloren haben.
"Der Mord an Prigoschin wird katastrophale Folgen haben", schrieb der russische Militärblogger Roman Saponkow auf Telegram. "Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral." Prigoschin war wegen seiner Kritik an der regulären Armeeführung und einigen Erfolgen seiner Söldner auf dem Schlachtfeld beliebt bei Soldaten. Mehrere Wagner-treue Kanäle auf Telegram drohten bereits mit Vergeltung.
Quelle: ntv.de, jpe/dpa/AFP/rts
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