China-Marken sind gekommen, um zu bleiben

  04 September 2023    Gelesen: 402
  China-Marken sind gekommen, um zu bleiben

Bisher war die IAA das Aushängeschild und der Showroom deutscher Autohersteller. In diesem Jahr hat sich das etwas geändert. Audi, BMW, Porsche, Mercedes und VW beherrschen zwar die Ausstellungsflächen in München, aber die chinesischen E-Auto-Hersteller haben auch große Stände aufgebaut.

Xpeng hier, BYD dort: Bislang präsentierte sich die IAA gerne als Showroom deutscher Automobilhersteller. In diesem Jahr aber wirkt es, als wollten fernöstlichen Marken die wichtigste europäische Automobilshow kapern. Zwar dominieren die Platzhirsche Audi, BMW, Porsche, Mercedes oder VW die Open Spaces genannten Ausstellungsflächen in der Innenstadt von München. Doch die chinesischen E-Auto-Hersteller investieren ebenfalls kräftig in große Stände. Andere wie Nio segeln im Windschatten der Messe mit und bieten abseits der Open Spaces auf dem Gelände der Motor World Testfahrten ihrer neuesten Modelle. Alle China-Marken aber wollen zeigen: Wir sind gekommen, um zu bleiben.

Noch bewegen sich die Verkäufe der Chinesen in Deutschland auf niedrigem Niveau. Im Vergleich zu den Vorjahren schießen die Marktanteile der Chinesen aber durch die Decke. Der erfolgreichste Player MG Motor hat von Januar bis Juli 2023 über 11.600 Autos auf die Straße gebracht und mit einem Marktanteil von 0,7 Prozent etablierte Marken wie Jaguar, Jeep, Honda oder Smart abgehängt. Einer Studie der Unternehmensberatung PwC zufolge wird Europa schon 2025 mehr Autos einführen als exportieren. Bis zu 470.000 davon könnten von chinesischen Marken stammen.

Chinesische Autoindustrie spontaner und agiler

Während Audi, Mercedes & Co. wie träge Dampfer versuchen, möglichst perfekte Gesamtpakete zu entwickeln, geht die chinesische Automobilindustrie die Elektrifizierung spontaner und agiler an. Bevor nun Opel mit dem Astra Sports Tourer Electric und Audi ab 2024 den A6 Avant e-tron die vor allem von Gewerbekunden so sehnlich erwarteten Elektro-Kombis bringen, hat MG auf die lokal europäische Nachfrage nach Kombis mit dem MG5 längst reagiert. Und auch bei Nio steht ein praktischer Lademeister in den Startlöchern. Kurzum: In China wird munter ausprobiert und experimentiert, und was beim Kunden nicht ankommt, verschwindet eben schnell wieder vom Markt. Allerdings merken Käufer auch bald: Nicht alles, was günstig ist, funktioniert auch wirklich gut.

Jedenfalls befindet sich mit der Umstellung auf die E-Mobilität nicht nur die europäische Automobilindustrie in der größten Transformation ihrer Geschichte, auch die Autokäufer müssen umdenken und sich mit neuen Konzepten auseinandersetzen. Das beginnt schon beim Kauf. Statt im Hochglanz-Autohaus stehen die neuen Modelle in kurzlebigen Pop-up-Stores, werden in der Regel online vertrieben. Rabatte? Gibt es nicht. Trotzdem stellen sich die Chinesen auch hier geschmeidig auf die Anforderungen der Kunden ein. Polestar etwa kümmert sich mit einer eigenen Abteilung um Groß- und Gewerbekunden und BYD hat jüngst ein Leasingpaket für Privatkunden geschnürt.

Auch in Sachen Technik beschreiten manche Marken eigene Wege. Nio etwa versucht sich mit einem Batteriewechselsystem zu etablieren. In China hat das erst 2014 gegründete Unternehmen bereits über 1700 solcher "Power Swaps" eingerichtet. Die Idee: Lieber in fünf Minuten den Akku tauschen als 20 oder 30 Minuten Strom an der Ladesäule zu nuckeln. In Deutschland hat die Marke aus Shanghai mittlerweile 7, in ganz Europa 21 Wechselstopps eingerichtet, 4 weitere in Deutschland sind im Bau, für 50 liegen die Genehmigungen vor. Gestützt wird das System vom Angebot, den Akku monatlich zu mieten, anstatt ihn teuer zu kaufen - inklusive einer fixen Anzahl von Wechseln.

Manchmal fröhliches Kopieren

Auch in Sachen Design und Bedienung versuchen sich die Chinesen von den etablierten Marken abzusetzen. Manchmal kopieren sie dabei fröhlich, was woanders Erfolg hat. Im MG Marvel R läuft die komplette Bedienung über einen fast 20 Zoll großen Bildschirm. Tesla lässt grüßen. Und in den Nio-Modellen kommuniziert der Fahrer mit einem kugelförmigen Roboter auf dem Armaturenbrett, der ihm freundlich zuzwinkert.

Tatschen, swipen, mit dem Auto reden wie mit dem Smartphone - das kommt vor allem bei jüngeren Käufern an. Auf die setzt auch Zeekr. Die zum riesigen Geely-Konzern gehörende Marke hat die Zielgruppe schon im Markennamen integriert, der sich aus "Generation Z" und "Geek", dem umgangssprachlichen Begriff für Technikfreaks zusammensetzt. Sie will ihre Kunden mit autonomen Fahrfunktionen begeistern. Obwohl die in Europa nicht so schnell angeboten werden. Denn bis man sich am Steuer entspannt zurücklehnen und die Augen schließen darf, wird's noch eine Weile dauern. Trotzdem will die Lifestyle-Marke Anfang 2024 mit einem stylischen Shooting Brake sowie einem etwas konventionelleren Kompakt SUV durchstarten. Helfen soll bekannte Antriebstechnik, die Zeekr von Konzernschwester Polestar übernimmt.

Chinesen nicht mehr nur preisgünstig

Haben die Chinesen im ersten Schritt versucht, mit günstigen Preisen Fuß zu fassen, so treten sie nun sehr viel selbstbewusster auf. Zwar gibt es noch immer Billigangebote: Den Seres 3 von DFSK etwa, ein Kompakt-SUV mit 300 Kilometern Reichweite. Freie Importeure bieten ihn in der großzügig eingerichteten Luxury-Ausstattung schon ab rund 32.000 Euro an.

Auf der anderen Seite positionieren sich die bis zu knapp unter 100.000 Euro teuren Modelle von Nio selbstbewusst als Konkurrenz zur deutschen Premiummarken. Und es geht noch teurer: Die neue Marke HiPhi will Anfang 2024 in Deutschland mit der 672 PS starken Sportlimousine Z sowie dem 5,20 Meter langen Crossover X durchstarten. Die Modelle sollen bei 105.000 Euro starten.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?

Wie schnell sich die diversen Marken positionieren, wie lange sie bleiben, ist offen. Zu viele Startups sind nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwunden. Borgward, Landwind und die deutsche Firma Sono Motors - weg vom Fenster. Die etablierten deutschen beziehungsweise europäischen Hersteller haben die Gefahr erkannt und rüsten unter anderem mit neuen Plattformen und Batterien auf.

Trotzdem sollte die europäische Industrie ihre Stärken besser ausspielen und Kompetenzen in neuen Feldern wie Batterien und Halbleitern strategisch ausbauen, empfiehlt McKinsey in einer jüngst veröffentlichten Studie. Nur so könne sie dem Angriff aus Fernost standhalten.

Laut den Analysten haben europäische Hersteller seit 2019 haben auf ihrem Heimatmarkt sechs Prozent Marktanteil und fünf Prozent in China verloren. Gleichzeitig bauten die chinesischen Hersteller ihren Marktanteil in China auf über 45 Prozent aus; bei den E-Autos halten neue Wettbewerber global sogar 51 Prozent Marktanteil bei den Neuzulassungen. Und eine neue Untersuchung des Kreditversicherers Allianz Trade rechnet vor: Erobern chinesische Importe in Europa einen Marktanteil von zehn Prozent, verliert der europäische Automobilsektor bis 2030 rund 24 Milliarden Euro an Wertschöpfung.

Quelle: ntv.de, Wolfgang Kälber, sp-x


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