Neuer Lexus LM - in der zweiten Reihe first class fahren

  09 Oktober 2023    Gelesen: 439
  Neuer Lexus LM - in der zweiten Reihe first class fahren

Jetzt steigt Lexus auch ins europäische Van-Geschäft ein. Doch wer denkt, der neue LM sei einfach nur ein simpler Menschentransporter, liegt ganz schön falsch. ntv.de hat den ausschließlich als Hybrid lieferbaren Bus gefahren.

Transporter gehören eigentlich nicht zu den Fahrzeuggattungen, die die Herzen von Autoenthusiasten höherschlagen lassen. Aber sind sie zwingend reine Funktionsautos? Der Lexus LM sicher nicht. Der Konzern hat entschieden, ihn in seiner zweiten Auflage auch nach Europa zu bringen. Ich gehe natürlich vorbereitet zur Fahrvorstellung, habe vorher ein paar Zeilen Pressemappe gelesen und einen Blick in die Preisliste geworfen.

Und was da steht, ist schon ein dicker Hund: Mindestens 122.700 Euro möchte Lexus für seinen Van haben mit der Transportmöglichkeit von sieben Personen. Wählt man statt "Executive" die Ausführung "Luxury" mit bloß vier Sitzen (ja, vier Sitze in einem riesigen Bus, richtig gelesen), stehen schon 147.100 Euro auf der Uhr. "Meint Lexus das ernst?", schießt es mir durch den Kopf. Für einen solchen Betrag bekommt man schließlich auch eine S-Klasse von Mercedes oder einen Porsche 911. Innerhalb von Lexus' Modellpalette weisen lediglich die exklusiven Cabriolets und Coupés mit dem "LC"-Label einen höheren Grundpreis auf.

Mit einer Mischung aus Unglauben und Verwunderung starte ich die Testfahrt. Aber nicht etwa hinter dem Steuer. Ganz einfach deshalb, weil ich vermute, dass eine Mitfahrt eher den Erwartungen gerecht werden könnte, die man angesichts dieses Preises hegt. Und Lexus hat sich nicht lumpen lassen und die edle Version (Luxury) mitgebracht mit allen Finessen. Fancy ist der 48 Zoll große Riesenmonitor im Heimkinostyle. Auf ihn schauen die Fondpassagiere des 5,13-Meter-Liners unweigerlich. Ist er ausgeschaltet, fällt er fast gar nicht auf, weil er quasi die Trennwand zur Fahrerkabine bildet. Begleitet wird das Kinoerlebnis von 23 Lautsprechern aus dem Hause Mark Levinson. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert.

Der Lexus LM überrascht mit verrückten Funktionen

Aber das ist noch lange nicht alles an Verrücktheit, mit der das Lexus-Flaggschiff überrascht. Auf den in der Mittelkonsole platzierten Smartphones (herausnehmbar) darf man fröhlich herumtouchen und dabei diverse Funktionen entdecken. Darunter auch Programme, mit denen man gemäß verschiedener Gemütszustände ein Bündel an Maßnahmen auslösen kann. Massage und Sitzklimatisierung inklusive beheizter Armlehnen und Beinauflagen zählen beispielsweise dazu.

Hier hat man zu offenbar Mercedes herübergeschielt - die Schwaben bieten ähnliche Funktionalitäten mit ihrem "Energizing-Coach". Allerdings fällt die Bedienung bei Lexus nicht ganz so intuitiv aus. Und auch BMW bot in mittlerweile verflossenen Siebener-Modellen die Möglichkeit, Funktionen auf einem herausnehmbaren Device zu steuern. Inzwischen haben die Münchener allerdings auch integrale Display-Lösungen, die architektonisch einfach schicker sind.

Diesbezüglich wäre auch bei Lexus noch Luft nach oben. Apropos Bedienung. Bei Lexus sitzen pfiffige Ingenieure mit klugen Ideen. Eine Idee besteht darin, über die Lenkradtasten diverse assistierte Fahrfunktionen zu steuern. Leider ist es manchmal schwierig, über die - in diesem Fall - Touchflächen die richtige Einstellung zu treffen (die man über das Head-up-Display kontrolliert). Und dann kann es fummelig werden, um den Tempomaten überhaupt wieder zu aktivieren.

Und jetzt, da ich schon vorn sitze, kann ich ein bisschen über den Antrieb philosophieren. Zu Lexus' Philosophie hingegen passt der Hybrid - sagen wir mal so, er passt nicht nur, er zählt gar zur Pflichtübung! Allein - dass man in diesem Segment das Package mit 2,5 Liter großem Vierzylinder-Benziner plus Elektropower wählt, macht mindestens nachdenklich. Immerhin gibt es im Konzern auch einen Sechszylinder-Hybrid, der bei sechsstelligen Preisen angemessen wäre.

Im LM fährt man gut gedämmt, motorisiert und gepolstert

Gut, immerhin ist offenbar für reichlich Dämmung gesorgt, denn richtig laut wird der Strang aus 190 PS starkem Verbrenner sowie 182 Elektro-PS vorn plus E-Maschine mit 54 PS an der Hinterachse nicht. Die Techniker arbeiten sogar mit aktiven Schallwellen, um störende Geräuschfrequenzen zu unterdrücken. Weiterhin gewöhnungsbedürftig bleibt zumindest für europäische Kunden, dass sich der Lexus unter voller Last den sogenannten Gummibandeffekt nicht ganz verkneifen kann. Demnach dreht der Benziner bei durchgedrücktem Gaspedal hoch und verharrt bei Drehzahlende - mit entsprechender akustischer Konsequenz. Dafür gibt es dank kontinuierlicher Veränderung der Übersetzung keine Schaltrucke.

Seit vielen Jahren schon kommt im Konzern das sogenannte leistungsverzweigte System (E-CVT) zum Einsatz, bei dem sowohl die E-Maschine als auch der Verbrenner Part eines Planetengetriebes sind. Die Übersetzungen ergeben sich aus dem Widerstand des Stromers, der ebenfalls als Generator fungiert. Wer das im Detail verstehen möchte, muss unweigerlich tiefer in die Materie einsteigen. Hauptsache, der 2,3-Tonner mit 250 PS Systemleistung bewegt sich flink (8,7 Sekunden auf 100 km/h sowie 190 km/h in der Spitze) und hinreichend souverän, sodass man meist in der Teillast gut unterwegs ist. Drehmoment ist ebenfalls reichlich vorhanden - am kräftigsten ist der vordere Stromer mit 270 Newtonmetern, gefolgt vom Verbrenner mit 239 Newtonmetern. Und das hintere Elektroaggregat (bürgt für den Allradantrieb) gibt immerhin noch 121 Newtonmeter dazu.

Dass sich der große Bus im Gesamteindruck recht fluffig fährt auch mit fein abgestimmter und leichtgängiger, aber andererseits nicht zu synthetischer Lenkung, mag daran liegen, dass er auf der PKW-Plattform Lexus GA-K basiert. Somit teilt er sich das Chassis beispielsweise mit dem noblen SUV namens RX. Und dennoch verlasse ich das Steuer zum Schluss wieder, um in den ausladenden Fond zu verschwinden (drei Meter Radstand). Ich bitte meine Kollegin, die jetzt das Steuer übernimmt, den Modus "Rear Comfort" einzuschalten. Jetzt federt der LM sanfter, die Elektronik kontrolliert die Lastwechsel, um Aufbaubewegungen der Karosserie im Zaum zu halten. Ob man das wohl merkt? Ganz ehrlich, der Gasfuß des Fahrers kann da mehr bewirken.

Eine wahre Oase ist der noble Peoplemover für Knöpfchenfetischisten. Quasi von jeder Stelle im Fahrzeug aus lassen sich die Schiebetüren elektrisch öffnen und schließen, die Heckklappe ebenso. Oft sind die Tastenfunktionen auch redundant ausgelegt - für den europäischen Geschmack womöglich sogar einen Zacken zu oft. Man muss von einem Sitzplatz aus nicht die gleiche Funktion (wie das Türöffnen oder das Schließen der Fenster) mit mehreren verschiedenen Knöpfen steuern können - sogar der Dachhimmel ist mit Bedienungselementen gesegnet, was sogar mich schmunzeln lässt, da ich an coole Flugzeugcockpits denken muss. Hier handelt es sich ganz klar um fernöstliches Verständnis von Komfort.

Genau wie es sich beim LM-Design mutmaßlich um fernöstlichen Geschmack handelt. Allerdings sollen bei den deutschen Lexus-Händlern bereits 100 LM-Bestellungen eingegangen sein. Für Europa ist es wohl schon eine vierstellige Zahl. Das Straßenbild bereichert der exzentrische Luxusvan jedenfalls. Ein Exot bleibt er indes. Ein teurer übrigens.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker