Der Fürst und die Enten

  18 April 2016    Gelesen: 849
Der Fürst und die Enten
Comics können Spaß machen – und ziemlich reich.
Man kann sagen: Karl Heinz Richard Fürst von Sayn-Wittgenstein hat sein Geld auf die richtige Ente gesetzt. Besucht man den Fürsten in seinem 1.000-Quadratmeter-Haus hoch über Santa Ponça auf Mallorca, dann gibt es viele Dinge, über die man mit ihm reden könnte, so geldtechnisch: Aktien, Uhren, Autos. Er ist jetzt Anfang 60, er hat seine Erfahrungen gemacht – ein paar schlechte und sehr viele sehr gute. Das viele Gold, das den Fürsten umgibt, ist sein Zeuge. Aber darum soll es nicht gehen, weder um den vergoldeten Kickertisch noch um das goldene Feuerzeug oder den goldenen Briefbeschwerer. Es soll darum gehen, wie der Fürst sein Geld in Enten investierte und die Enten es ihm zurückzahlten. Doppelt, dreifach und vierfach, mindestens. Eine Entenfamilie namens Duck.

Wenn man es sich einfach machen wollte, würde man den Fürsten einen Comicsammler nennen. Den größten aller Zeiten, das wäre lustig, und es würde stimmen. Aber so einfach ist das nicht, weil der Fürst sagt, dass er ein Kunstsammler sei und dass Comic und Kunst in diesem Fall dasselbe seien. Davon erzählt er mit einer brummenden Stimme, an deren Tiefe er ununterbrochen zu arbeiten scheint, mit Kippen in Kette. Er sitzt hinter einem riesigen, polierten Schreibtisch, vor den Fenstern funkelt träge das Mittelmeer.

"Die größte Leistung der modernen Kunst ist doch ihre Selbstvermarktung", sagt der Fürst. Die Leute würden sich kein Bild an die Wand hängen, sondern einen Namen. In seinem Wohnzimmer steht ein riesiges Bild des deutschen Malers Sigmar Polke. "Irgendwas in Lila", so nennt der Fürst das Gemälde. Er hat es sich liefern lassen, es ein paar Tage auf sich wirken lassen und dann festgestellt: Es löst nichts in ihm aus. Der Name Polke wird in Kunstkreisen in einem Atemzug genannt mit Warhol, Picasso, Baselitz, Richter. Viele Leute bezahlen viel Geld, um sich diesen Namen an die Wand zu hängen. So 1,6 Millionen Euro ungefähr. Aber der Fürst hat ein anderes Verständnis von Kunst, ein fröhlicheres. Er sagt, das Bild sehe einfach nur traurig aus, Polke hin, Polke her. Er lässt es zurückschicken.

Um zu verstehen, wieso der Fürst sich den Polke überhaupt hat kommen lassen, muss man früher anfangen. Der Fürst hat Schokolade aus seiner Schublade gezogen. Heimlich, seine Frau soll das nicht mitbekommen. Er raucht jetzt in tiefen Zügen seine Kippen und isst in großen Stücken seine Schokolade.

Karl Heinz, aufgewachsen in einem Problemviertel in Regensburg und als Jugendlicher von Bruno Lothar Fürst von Sayn-Wittgenstein adoptiert, hat sein Vermögen vor allem mit Immobilien gemacht. Seine Frau nennt den Fürsten ein Trüffelschwein, dessen Nase es immer dahin führe, wo Geld zu verdienen ist. Wie zu den Internetdomains. Ende der Neunziger kauft der Fürst sich für ein paar Hundert Mark etwa 30.000 Stück davon. Die meisten haben sich nicht gelohnt, aber einige hat er heute vermietet. Er sagt, dass er damit 27.000 Euro verdient. Im Monat. "Und ich muss überhaupt nichts dafür tun", sagt er. Geld verdienen leicht gemacht, man brauche nur die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt. Wie eben auch die Idee mit der Ente.

Vor 17 Jahren etwa fliegt der Fürst nach New York und geht zu einer Auktion. Er entdeckt ein Ölgemälde des Malers Carl Barks, rein zufällig. Barks war der wohl bekannteste Zeichner der Donald-Duck-Comics. Das Bild heißt Sailing the Spanish Main, man sieht die Duck-Familie auf einem Segelboot in stürmischen Gewässern. Der Großonkel und einer der Neffen angeln. Alle lächeln, trotz Wellen. Der Fürst ersteigert das Werk, für etwa 80.000 Dollar, als Investition in seine gute Laune. "Das Bild hat mich an meine Kindheit erinnert. Es hat mir Freude gemacht."

Sein Umfeld erklärt ihn für verrückt, der Preis scheint wahnsinnig hoch, damals. Aber erstens geht es dem Fürsten nicht um Geld, und zweitens hat er trotzdem auch so ein Bauchgefühl. "Ich dachte: Die halbe Welt mag Donald Duck. Und von den Ölbildern gibt es nicht viele", sagt er heute, also werden die Preise wohl steigen. Er wird recht behalten. Das Bild ist inzwischen deutlich über eine Million Euro wert.

Er fängt also damals an, alles zu kaufen, was er von Carl Barks in die Finger kriegen kann. Weil es ihm gefällt – und weil er immer mehr der Überzeugung ist, dass es ein schlaues Investment ist. Ein Investment von 17 Millionen Euro in 17 Jahren: für Lithografien, Porzellanfiguren, Bronzefiguren, Bücher, die Staffelei, auf der Barks malte. Die deutschen Comics, jeden einzelnen Band, in Erstauflage und Topzustand. Alles streng limitiert, teilweise Einzelstücke. Und, natürlich: die Ölgemälde. Etwa 200 hat Barks gemalt, der Fürst besitzt 57. Von jedem einzelnen Bild, das er nicht hat, weiß er, wer es hat. Keiner hat so viele wie er, der Fürst hat sich die größte Carl-Barks-Sammlung der Welt zusammengekauft. Für keins der Gemälde habe er mehr als 125.000 Dollar ausgegeben, sagt er, inzwischen haben sich die Preise locker verzehnfacht. "Der Markt ist leer, aber selbst die Chinesen wollen jetzt Bilder von Barks kaufen."

Die Jahre, in denen man auf Auktionen zufällig noch Gemälde fand, sind vorbei. Und die jetzigen Eigentümer wollen alle nicht verkaufen. Die Sammlung des Fürsten wächst also nicht weiter, die Jagd ist vorbei. Er dreht den Bildschirm seines Computers und zeigt eine E-Mail. Sein Anwalt teilt darin mit, dass er Gespräche geführt hat mit sehr ernsthaften Kaufinteressenten. Ein gewisser Sheldon Adelson biete 50 Millionen Dollar, für alles. Der amerikanische Immobilienmogul wolle ein Museum in Las Vegas eröffnen, genau wie ein anderer Bieter, der mit seiner Föhnfrisur selbst fast aussieht wie eine Comicfigur, gerne US-Präsident werden möchte und auch noch Donald heißt, Donald Trump. Der dritte Bieter ist der erfolgreichste Filmregisseur aller Zeiten: "Steven Spielberg sagt, es ist ihm egal, was andere bieten, er bietet mehr", sagt der Fürst. Spielberg wolle die Bilder haben, einfach um sie zu haben. So einfach sei das. Womit Carl Barks als Künstler mitten in einem aufgeheizten Kunstmarkt angelangt wäre.

Und womit man wiederum bei dem Polke-Gemälde im Wohnzimmer angekommen ist. Es steht hier nur, weil es keine Carl-Barks-Bilder mehr zu kaufen gibt. Gäbe es noch welche, würde der Fürst lieber die kaufen. Nichts kaufen kann er aber auch nicht. Er traue Wertgegenständen mehr als Geld, sagt er, und das Geld muss irgendwohin, er hat schließlich eine Menge davon. Bilder wie das von Polke machen ihm aber nicht so viel Freude wie Bilder von Barks. Was der Fürst will, kann er also nicht haben, was er haben kann, will er nicht, und was er hat: will er jetzt doch verkaufen, vielleicht. Aber nicht an irgendwen.

Die Bilder haben dem Fürsten immer Freude gemacht, sie sollen jetzt auch anderen Freude machen. Also entweder verkaufen und ausstellen lassen oder behalten und selbst ausstellen. Im Moment stehen die Bilder fast alle in Tresoren, niemand hat etwas davon. Er würde dafür gerne ein Museum bauen, in Westberlin. Es soll aussehen "wie der Entenhausener Geldspeicher", mit einem großen, goldenen Dollar-Zeichen auf der Front. Er steckt da noch in den Planungen. Am Geld dürfte es eigentlich nicht scheitern.

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