Ora Funky Cat - teures Spielzeug oder seriöser Kleinwagen?

  15 Dezember 2023    Gelesen: 751
  Ora Funky Cat - teures Spielzeug oder seriöser Kleinwagen?

Der Ora Funky Cat soll mit lustigem Namen und launigem Design punkten. Kann der chinesische Konzern Great Wall Motor mit einem solchen Konzept bei den Deutschen landen? ntv.de hat den Kleinwagen ausgiebig getestet.

Es könnte sein, dass Sie in diesen Zeiten auf ein Auto treffen, das Ihnen irgendwie bekannt vorkommt. Nur das Zuordnen fällt nicht so leicht. Es geht um einen verspielten Kleinwagen, der gerne in pastelligen Tönen auftritt und irgendwie eine Kreuzung zwischen Mini und Käfer sein möchte. Er sieht modern aus, aber macht auf Retro. Und am Design soll auch der ehemalige Porsche-Kreativkopf Emanuel Derta beteiligt sein.

Immer noch keine Idee? Auf dem Heckdeckel prangt mittig in großen Lettern "Ora", unten rechts in kleinerer Schrift "GWM". Auf der Ora-Website (Ora ist eine Marke des chinesischen Konzerns Great Wall Motor) firmiert der Kleinwagen noch unter dem Modell "Funky Cat", allerdings soll diese Bezeichnung zur Disposition stehen laut Medienberichten. Schade eigentlich, klingt doch witzig. Wie diese irre oder je nach Interpretation auch schrille oder eben muffelige (vom Hersteller sicherlich nicht beabsichtigt) Katze wirklich beim Kunden ankommt, ist fraglich. Laut Kraftfahrtbundesamt fahren zwar bereits über 4000 Exemplare auf hiesigen Straßen herum, aber diese tragen verdächtig häufig Hamburger Kennzeichen, was für Mietwagen spricht.

Dennoch steigt so langsam die Neugierde auf den Kleinwagen. Na gut, los gehts. Ganz ordentliche Sitze und ein geräumiges Interieur mit mächtiger Mittelkonsole empfangen den Passagier. Hinzu kommen bei der "GT"-Konfiguration des Testwagens launige rote Dekors auf Armaturentafel, Sitzen sowie Türbelägen plus ausdrucksstarke Gurte im gleichen Ton (korrespondieren mit den roten Akzentteilen außen), die überdies mit optisch inszenierten Nähen versehen wurden. Und Achtung, Infotainment-Fans! Ihr bekommt eine große Screen-Landschaft mit Doppelmonitor ähnlich dem Widescreen von Mercedes.

Das ist schon alles ganz adrett, aber lass mal einen Blick auf die Preisliste werfen. Ab 38.990 Euro startet der Funky Cat. Selbst das ist schon kein ganz günstiger Kurs. Für den zugegeben ordentlich ausstaffierten "GT" möchte Ora jedoch gerne 49.490 Euro sehen. Echt jetzt? Pikant an der Sache ist ja, dass es eine Verbindung zur BMW Group gibt. Und zwar wird Mini für seine kommende elektrische Kleinwagen-Version auf die Plattform zurückgreifen, auf der eben auch der Funky Cat basiert.

Logisch, da werden die Mini-Ingenieure noch verdammt viel Abstimmungsarbeit zu leisten haben. Vielleicht sollte Ora im Gegenzug einfach das Interieur von Mini gestalten lassen? An das Finish und die Raffinesse der Wahl-Briten reicht die Katze einfach nicht heran. So wirken auch die vier Retroschalterchen in der Mittelkonsole eher billig. In einem solchen Fall besser lassen. Kann man natürlich machen, aber hier passt der Preis eben nicht zum Produkt.

Ladeperformance nicht mehr State of the Art

Auch bei Bedienung und Infotainment sollte der Konzern noch einmal nachsteuern. Warum kommt man nicht wieder aus dem Apple-CarPlay-Menü heraus per Befehl? Warum kann man auf dem Touchscreen nicht treffsicher die Innenraum-Wunschtemperatur wählen? Warum ist der Digitalradioempfang so schlecht? Das sind Fragen, mit denen Ora kundenseitig konfrontiert werden wird.

Und auch die Frage, warum man mit dem Stromer so lange an der Ladesäule ausharren muss, wird sich nicht vermeiden lassen. Zudem war es selbst bei zurückhaltender Fahrweise nicht möglich, auf die angegebenen 400 Kilometer Reichweite zu kommen bei 59 kWh Nettobatteriekapazität - wohlgemerkt bei Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt.

Ja, ein Kleinwagen mag kein Langstreckenauto sein in erster Linie. Aber wenn sich binnen 20 Minuten am Gleichstrom-Charger nicht einmal Energie für 100 Kilometer Reichweite nachfassen lässt, ist das heutzutage einfach nicht mehr State of the Art. Selbst ein unprätentiöser Opel Corsa, der mit 34.650 Euro einsteigt, erlaubt 100 kW Peak-Ladeleistung (Funky Cat: 67 kW). Ganz zu schweigen vom kommenden elektrisch angetriebenen Citroën C3 für deutlich weniger Geld.

Was spricht denn für den schrillen Kleinwagen? Vielleicht der muntere Antritt dank 171 PS Leistung und 250 Newtonmetern Drehmoment. Der permanenterregte Synchronmotor boostet derart kräftig, dass die Pneus das Moment ab Start überhaupt nicht zu übertragen in der Lage sind und durchdrehen, zumindest unter voller Last. Hier dürfte die Traktionskontrolle übrigens ruhig eine Spur sensibler eingreifen. Dafür arbeiten Dämpfung und Federung recht passabel und verleihen dem Fronttriebler ein durchaus komfortables Naturell.

Also doch ein Auto zum Verreisen prinzipiell, zumal auch das Platzangebot in Ordnung geht. Selbst in der zweiten Reihe lässt sich dank 2,65 Metern luftig sitzen. Außerdem entpuppt sich der Funky Cat als durchaus flinkes Gerät auf kurvenreichen Landstraßen. Auch wenn der eine oder andere Fahrer beim Ausprobieren womöglich die selbst im Sportmodus einen Tick zu synthetisch wirkende Lenkung (für die Stadt genau richtig so) monieren könnte - der 1,6-Tonner liegt recht satt auf der Fahrbahn und animiert zu dynamischen Einlagen. Dabei ist der Hersteller mit seiner Angabe für den Standardsprint auf 100 km/h konservativ und schreibt lediglich 8,2 Sekunden in die Papiere. Dass der Spaß ab 160 Sachen vorbei ist, geht in dieser Kategorie in Ordnung.

Am Ende ist der Ora Funky Cat eben ein nett anzusehendes Accessoire für den urbanen Raum. Darüber täuscht auch der beim GT stets montierte Dachspoiler nicht weg. Ein kleines Schmankerl noch zum Schluss: Der Chinese verfügt über eine deutlich überdurchschnittlich scharf abbildende Rückfahrkamera. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, den Kleinen vorwiegend in der engen Stadt einzusetzen?

Fazit: Ora Funky Cat - ja oder nein? Zumindest kein uneingeschränktes Nein, denn der Kleinwagen mag ja gefallen und ist sicherlich eine nette Alternative zum Establishment. Der Tipp wäre, beim Händler gut zu verhandeln, denn zumindest mit dieser Preisgestaltung dürften die Unzulänglichkeiten bei den Themen Infotainment und Ladeperformance für Diskussionsstoff sorgen. Außerdem ist die Katze durchaus hungrig mit 16,8 kWh pro 100 Kilometer WLTP-Verbrauch. Zumal in der Praxis auch mal 18 oder 20 kWh auf der Uhr stehen können. Das Fahrkapitel bestreitet der Ora allerdings gut. Wer nicht auf schnelles Laden angewiesen und beim Infotainment leidenschaftslos ist, für den kann der Ora Funky Cat eine willkommene Alternative sein.

Quelle: ntv.de


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