Am europäischen Automobilmarkt spielt sich gerade eine Entwicklung ab, in der China eine Hauptrolle innehat. China? Nein, ein chinesisches Unternehmen: BYD. Fast wie aus dem Nichts taucht der Autobauer aus dem Reich der Mitte auf, ein automobiler Außenseiter in den Augen der etablierten westlichen Hersteller. Doch mit Ehrgeiz, frischen Ideen und attraktiven Angeboten ist binnen kürzester Zeit der beliebteste Fahrzeugbauer Chinas entstanden - und China ist der weltweit größte Auto-Absatzmarkt. Wer hier die Nase vorn hat, ist kein Außenseiter mehr.
VW als absatzstärkste Marke in China längst überflügelt, verdrängt BYD 2023 auch den Branchenpionier Tesla von der globalen Spitze der Elektrofahrzeughersteller - ganz nach dem firmeneigenen Motto "Build Your Dreams", abgekürzt: BYD. Der weist auf den ersten Hauptsitz des 1995 von Wang Chuanfu gründeten Unternehmen in der Yadi-Straße in Shenzhen hin.
Von Toyota lernen …
BYD startete als Batteriehersteller, vor allem für die aufkommende chinesische Autoindustrie. Zum Autohersteller wurde BYD erst im Jahr 2003, als man den insolventen staatlichen Automobilhersteller Xian Qinhuan Automobile übernahm. Dessen Kleinwagen wurde wegen Erfolglosigkeit zwar schnell vom Markt genommen, die mit dem Kauf erworbene staatliche Lizenz zum Autobau wurde aber behalten. Zunächst kopierte BYD Erfolgsmodelle Toyotas, produzierte diese aber in Neuentwicklung, ohne Zukäufe. Heute beschäftigt BYD an verschiedenen Standorten über 10.000 Entwicklungs-Ingenieure.
Geschäftszweck war und ist bis heute die Herstellung von allem, was automobil auf der Straße elektrisch kreucht und fleucht, entweder batterieelektrisch (BEV) oder als Hybrid oder Plug-In-Hybrid. Der Bau von reinen Verbrenner-PKW wurde im Mai 2022 eingestellt. Das Know-how lebt bei Hybriden weiter. Zum BYD-Programm zählen neben PKW auch E-Gabelstapler und E-Busse - sowohl Reise - als auch -Linienbusse. Letztere fahren etwa hierzulande in Bochum, Gelsenkirchen und Herne.
Bereits 2014, also lange vor Teslas Semi Truck, erweiterte BYD sein Angebot um Elektro-LKW sowie die weltweit ersten Elektro-Sattelzugmaschinen. In Peking werden BYD-Elektrolastkraftwagen seit 2016 etwa als Großkehrmaschine zur Straßenreinigung eingesetzt.
Aggressive Expansionspläne
Das Autobauen lernte der Batterie-Spezialist BYD unter anderem an und mit Lohn-Fertigungsaufträgen von Toyota, wobei es den Shenzhen-Ingenieuren immer wieder gelang, den Kostenweltmeister Toyota mit selbst entwickelten innovativ-sparsamen Fertigungslösungen zu überraschen. Der Batteriebau wurde weiter betrieben, heute ist BYD eine der bedeutendsten Batteriehersteller Chinas.
Bei den reinen E-Autos (BEV) nur knapp hinter Tesla liegend, fährt BYD bei BEV und Hybriden zusammengerechnet deutlich an der Weltspitze. Mehr als drei Millionen elektrisch angetriebene Fahrzeuge wurden 2023 abgesetzt. Mittlerweile zählt der Konzern zu den zehn größten Autobauern der Welt. Und der Höhenflug des chinesischen E-Drachens ist noch nicht beendet. BYD hat aggressive Expansionspläne in petto. So soll etwa ein erstes Plug-in-Hybridmodell für den europäischen Markt in Stellung gebracht werden, mithilfe der Luxusmarke Yangwang. Das Design stammt dabei von Wolfgang Egger. Der ehemalige Audi-Manager ist seit 2017 für die Linien von BYD zuständig.
Die Zielrichtung ist damit klar. Vor allem in Europa hat BYD Großes vor. "Es ist unser Ziel, ein europäisches Unternehmen zu werden" sagte BYD-Europa-Chef Michael Shu der "Automobilwoche". Shu weiter: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Dazu soll zunächst Marktanteil und Händlernetz in Europa wachsen, danach ein neues Werk in Ungarn (Szeged) anlaufen.
Ersteres ist auch notwendig. Im Jahr 2023 verkaufte BYD in Europa weniger als 16.000 BEV, davon 4139 in Deutschland. Hierzulande lag der Marktanteil damit bei 0,01 Prozent. Das soll sich jetzt nachhaltig ändern. Als Erstes strebt BYD einen Marktanteil von fünf Prozent am europäischen Elektroautomarkt an. Das soll noch vor dem Hochschrauben der Produktion im neuen Werk in Ungarn passieren. Basierend auf den Verkaufszahlen von 2023 würde das ein Volumen von 70.000 vollelektrischen Autos bedeuten. Wenn auch Plug-in-Hybride, die BYD ebenfalls in Europa anbieten will, einbezogen werden, wäre das ein Marktanteil von fünf Prozent bei fast 115.000 Fahrzeugen. Ein Wettbewerber müsste dafür Federn lassen.
In Szeged zieht BYD inzwischen seine geplante Automobilfabrik hoch. Das Werk soll 2026 mit einer Kapazität von 150.000 Einheiten pro Jahr starten, die auf 300.000 verdoppelt werden kann. Hergestellt werden ausschließlich Elektroautos mit in Ungarn hergestellten Batteriepacks, Zulieferungen sollen alle lokal oder von europäischen Zulieferern kommen.
Tausende Autos kommen per Schiff
Wie ernsthaft die Exportoffensive von BYD betrieben wird, wurde der deutschen Öffentlichkeit Ende Februar medienwirksam vor Augen geführt: Da legte der erste BYD-eigene Giga-Autotransporter in Bremerhaven an, der ausschließlich Fahrzeuge des Herstellers transportiert. 3000 Autos rollen in Deutschland von Bord. Zuvor hatte die "BYD Explorer No. 1" in den Niederlanden 1500 Fahrzeuge entladen.
BYD hat insgesamt acht Autotransporter mit jeweils einer Transportkapazität von 7000 Fahrzeugen in Auftrag gegeben, die sieben weiteren Schiffe befinden sich noch im Bau. Mit der eigenen Schiffsflotte will BYD den Export seiner Fahrzeuge selbst kontrollieren und sich nicht von fehlenden Frachtkapazitäten bremsen lassen.
Premium am Massenmarkt
Erklärte Zielsetzung des chinesischen Konzerns ist es, eine Premium-Marke in Europa zu sein. Aber auch wenn das Produkt Premium sein soll, wird der Preis aufgrund der Kostenvorteile Massenmarkt-Niveau haben. Dazu Shu in der "Automobilwoche": "Unser Produkt ist Premium, unser Preis ist Mainstream. Deshalb nennen wir es erschwingliches Premium." Da bekanntlich "Geiz geil ist", sollte da einem Erfolg bei deutschen Kunden nichts mehr im Wege stehen.
Alles in allem ist BYD auf dem Sektor Elektromobilität für die deutschen Autohersteller ein wesentlich gefährlicherer Wettbewerber, Premium- wie Massenmarkt, als Tesla. Denn der chinesische Konzern kann anders als das US-Unternehmen Verbrenner, hat eine breite Palette von Marken und Technologien, einschließlich hochmoderner Plug-in-Hybride. Während Tesla ausschließlich Elektroautos mit einer einzigen Marke anbietet. Und BYD hat für Europäer nicht darstellbare Kostenstrukturen. Mit einer eigenen Fertigung in Europa verlieren auch EU-Importzölle ihren Schrecken.
Quelle: ntv.de
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