Porsche macht geschickt erst den Gästen den Mund wässrig mit einer dynamischen Mitfahrt zur Ladesäule. Zur Erinnerung: Der Zuffenhausener hatte Anfang dieses Jahres noch als getarnter Entwickler binnen 172 Sekunden von 37 auf 50 Prozent geladen. Ich war Zeuge. Und jetzt darf ich selbst durchstarten am Steuer des modifizierten Modells, das unter Experten als "J1 II" bezeichnet wird.
Ganz ehrlich, die leichten optischen Unterschiede kann man sich reinziehen oder auch nicht. Wichtiger ist eine ganz andere, eigentlich banale Sache, wenn man bedenkt, dass der Taycan ein nobles Express-Reisewerkzeug sein soll mit Hightech-Anspruch. Früher wurde das heckangetriebene Basismodell mit 503 Kilometern Reichweite angepriesen. Jetzt sind es 678 Kilometer! Rums! Und das Topmodell Turbo S? Von mageren, reiseunfreundlichen 467 Kilometern auf satte 630 Kilometer gesteigert.
Wie kann so etwas funktionieren? Indem man den Motor deutlich effizienter macht und die Batteriekapazität erhöht. Und so ganz nebenbei ist das Batteriegewicht bei einer Steigerung von knapp 12 kWh um rund neun Kilogramm gepurzelt. Der gemittelte WLTP-Stromkonsum sank von rund 20 auf 16 kWh je 100 Kilometer. Noch drastischer ist die Verbrauchsreduktion beim Allrad-Topmodell Turbo S - hier werden sechs kWh pro 100 Kilometer eingespart (von 24 auf rund 18). Und dann hat sich ja auch noch die Ladegeschwindigkeit erhöht, doch das wird später noch Thema sein.
Jetzt wird endlich gefahren, und zwar mit der Basis. Die ist jetzt 435 PS (statt 408) stark, wenn die sogenannte "Performancebatterie Plus" geordert wird. In diesem Fall steigt auch deren Brutto-Energiegehalt von 89 auf 105 kWh. Und klar, die Testwagen-Flotte ist immer mit großem Stromspeicher gesegnet. Zu dumm bloß, dass am Ende der vorgesehenen Route mit dem Grundmodell auch noch die Turbo-Varianten mit Probefahrten locken. Da ich mir vorstellen kann, dass diese noch viel heftiger beschleunigen, muss ich mir das jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen. Bekomme ich Bewegung ins Heck angesichts der Power auf der Hinterachse? Schwierig, die 275er-Michelin hinten übertragen die 420 Newtonmeter Maximaldrehmoment problemlos. Moment mal, nee. Porsche als Technik-Unternehmen weiß es natürlich genauer: Das Raddrehmoment bei Launchcontrol beträgt sogar 6530 Newtonmeter. Ist irgendwie ein schwierig vorstellbarer Wert, aber egal. Der rund 2,1 Tonnen schwere Taycan zoomt dich jedenfalls binnen 4,5 Sekunden auf 100 km/h und wird bis zu 230 km/h schnell, was hier in Spanien aber einen Konflikt mit dem Gesetz erzeugen würde. Mehr Punch brauchst du nicht, ganz sicher.
Beim Fahrwerk liefert der Taycan jetzt mehr Hightech als früher
Aber weil haben besser ist als brauchen, will ich mehr, probiere auch die Turbo-Modelle. Logisch, sie stehen ja schließlich zur Testfahrt bereit. Und was passiert beim Fahrzeugwechsel? Der gerade vorgefahrene Turbo S als Sport Turismo (hier noch zu haben, beim Panamera ja nicht mehr) begrüßt mich nach Öffnen der Tür mit einem Hochschnellen der Karosse. Kann das optionale Hightech-Fahrwerk mit je einem Pumpenelement pro Rad ja jetzt. Damit ich besser einsteigen kann. Was für eine Darbietung. Das ist witzig, aber nichts gegen die jetzt maximale Leistung von 952 PS. Was hier bei voller Last passiert, ist nicht mehr wie früher zu beschreiben. Presst ordentlich in den Sitz. Schiebt satt. Feuert los. Alles schön und gut. Aber irgendwie auch eine doofe Plattitüde.
Ich sage es mal anders. Ich habe vor dem Losfahren ein Glas Orangensaft getrunken. Jetzt mache ich einen Launchstart mit dem Turbo S. Der 2,3-Tonner wuchtet los und mit einer klitzekleinen Verzögerung spüre ich, wie die Flüssigkeit gegen meine Magenwand platscht. So wie eine auf dem Boden liegende Flasche nach hinten fliegt beim Beschleunigen und gegen den Sitz donnert. Bis 100 km/h lässt sich der 4,96-Meter-Liner laut Werk übrigens 2,4 Sekunden Zeit, während bei 260 Sachen Ende ist. Man kann das Spielchen jetzt bis zum 598 PS starken 4S mit großem Akku durchexerzieren. Der Turbo (884 PS und damit stärker als der frühere Turbo S mit 761 PS) packt ähnlich brutal zu, ist nach 2,7 Sekunden 100 km/h schnell, während es der 4S (3,7 Sekunden bis 100 km/h) schon merklich gelassener angeht. Also "gelassener".
Aber gibt es sonst noch irgendetwas, das beim Facelift besser geworden ist außer der Effizienzsteigerung und exzessiver Fahrleistungen? Schon. Und zwar schiele ich immer wieder auf das linke Segment des Kombiinstrumentes (präsentiert sich natürlich in Form eines gebogenen Displays). Dort ist der Batterieladestand abzulesen und die aktuelle Temperatur des Akkus. Aber die Zahl links neben der Batterietemperatur ist spannend. Und zwar zeigt der Taycan hier an, wie viel Kilowatt maximale Ladeleistung autoseitig gerade möglich wäre. Damit macht Porsche transparenter, wie es um die Ladeleistung steht. Denn wenn ein elektrisch angetriebenes Auto an der Ladesäule langsamer zutzelt, als die technische Angabe Glauben macht, sorgt das für Frustration beim Fahrer. Gut, wenn das Netz gerade nicht mehr hergibt oder die Säule lahmt, nützt ein topfitter Taycan-Akku natürlich auch wenig. Aber dann weiß man immerhin, dass es nicht am Auto liegt.
Der aufgefrischte Taycan soll ein Lademonster sein
Aber jetzt mal Tacheles, wie lädt der Taycan so? Oder vielmehr - wie verspricht Porsche, dass sein Top-Stromer laden soll? Früher sollen es 21,5 Minuten gewesen sein, bis der Akku startend von 10 wieder 80 Prozent Füllstand erreicht, heute dagegen lediglich 18 Minuten. Und 80 Prozent State of Charge heute bedeuten ja, wie anfangs gelernt, viel mehr Kilometer als früher.
Übrigens soll der Taycan seinen 320-kW-Ladeleistungspeak (mit dem kleinen Akku 270 kW) nicht nur länger halten als früher (generell 270 kW), sondern er initialisiert auch schneller. So soll das Laden schon nach 32 statt 49 Sekunden starten. Hier muss ntv.de in den nächsten Monaten aber noch investigativ tätig werden, um zu bestätigen, ob die Werksangabe zumindest annähernd passt.
Ach ja, und da wäre noch eine Kleinigkeit. Porsche hat ja noch den 1108 PS (ja, richtig gelesen) starken Turbo GT in der Hinterhand. Damit knacken die Zuffenhausener erstmals elektrisch die 300-km/h-Schallmauer. Denn bisher war ja bei 260 Sachen Schluss. Und das Topmodell soll ja in verschiedenen Disziplinen Maßstäbe setzen. Doch hierzu bitte noch ein paar Tage Geduld.
In der Zwischenzeit lädt der Konfigurator zum fröhlichen Spielen ein. Die Preise der jeweiligen Grundmodelle rangieren zwischen teuren 101.500 Euro und sehr teuren 209.900 Euro für den Turbo S. Und viele Optionen locken zum Anwählen. Ein Schnäppchen ist der geräumig-komfortable Reise-Stromer also nicht. Auch nicht mit jetzt serienmäßiger Luftfederung. Aber was anderes hätte man bei Porsche irgendwie auch nicht erwartet, oder?
Quelle: ntv.de
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