Tesla Cybertruck fährt wie ein Porsche mit Pritsche

  12 April 2024    Gelesen: 751
  Tesla Cybertruck fährt wie ein Porsche mit Pritsche

Seit Kurzem liefert Tesla den Cybertruck aus, zumindest in den USA. Wo sich normale Pick-ups eher nach Bonanza anfühlen, beamt der Cybertruck die US-Amerikaner direkt ins Weltall. Dafür macht der Pritschenwagen alles anders. Aber auch besser?

Es hat zwar mal wieder ein wenig länger gedauert, aber jetzt ist es so weit: Seit ein paar Wochen liefert Tesla tatsächlich den Cybertruck aus und seit der Präsentation der Studie vor fünf rund Jahren hat sich daran außer dem Grundpreis von 60.990 US-Dollar nicht mehr viel geändert. Und natürlich gibt es dieses Basismodell frühestens im nächsten Jahr. Los geht es deshalb aktuell bei 79.990 US-Dollar und auch erst mal nur in den USA.

Denn während sich die Experten streiten, ob der Pritschenwagen angesichts seiner wenig rücksichtsvollen Karosseriestruktur in Europa überhaupt zugelassen werden könnte, hat Tesla zum Export noch gar nichts verlautbart. Doch weil die Amerikaner einer der wichtigsten Autohersteller sind und keine PS-Premiere derzeit so heiß diskutiert wird, lohnt sich ein erster Blick allemal.

Irritation auf den ersten Blick

Und schon dieser erste Blick ist irritierend. Denn Tesla bricht mit allen Traditionen in diesem Segment und hat den mit 5,7 Metern für US-Verhältnisse vergleichsweise kurzen Pick-up ausgesprochen futuristisch gezeichnet. Es gibt nicht nur keinen Kühler, sondern auch kein "Gesicht", weil die Scheinwerfer in einem schmalen LED-Band verschwinden. Und wo klassische Trucks eine Silhouette haben wie ein Pritschenwagen, sieht der Tesla im Profil fast aus wie ein riesiges Geodreieck aus dem Matheunterricht - nur eben auf Rädern.

Die Form ist nicht nur pure Provokation, sondern wie so oft bei Tesla auch der Produktion geschuldet. Denn um Geld und Zeit für die Lackierung zu sparen, bauen sie den Wagen aus Edelstahl. Der ist zwar angeblich nicht nur stoß-, sondern sogar schusssicher und passt zum beworbenen Panzerglas für die Fenster. Aber er lässt sich schlecht biegen, weshalb der Cybertruck mehr Ecken und schärfere Kanten hat als andere Pick-ups.

Nackt, nüchtern und ohne Pfiff

Innen ist der Cybertruck typisch Tesla und deshalb mit keinem der klassischen Pick-ups zu vergleichen. Wo die betont wohnlich gestaltet sind, wirkt er nackt und nüchtern, bietet vergleichsweise wenige Ablagen. Allein der große Bildschirm in der Mitte dient als zentrales Anzeige- und Bedienelement.

Und auch sonst ist der Cybertruck mit Platzhirschen wie dem Ford F-150 nur schwer zu vergleichen. Die Größe der Ladefläche, die Nutz- und Anhängelast liegen vielleicht auf Augenhöhe - aber wo die Dauerbrenner über die Jahrzehnte zu praktischen Werkzeugen mit allerlei pfiffigen Details gereift sind, hat Tesla außer dem Rollo über der Pritsche und dem Frunk - der Ablage unter der Fronthaube - nicht viel zu bieten.

Dem Porsche näher als dem Pritschenwagen

Dafür allerdings ist er beim Fahren einem Porsche näher als einem Pritschenwagen. Und für diesen Eindruck muss man nicht einmal das 621 kW/845 PS starke Cyberbeast bestellen, das von 0 auf 100 km/h in 2,6 Sekunden beschleunigt. Sondern schon das Allradmodell, mit dem die Auslieferung begonnen hat, lässt klassische Pick-ups mit seinen 441 kW/600 PS ziemlich schmalbrüstig wirken.

Die Energie für den Kraftakt liefert ein Akku, den Tesla nicht näher spezifiziert, der aber mindestens 100 kWh haben muss. Sonst wären die mehr als 500 attestierten Kilometer kaum zu schaffen, bevor mit bis zu 250 kW nachgeladen wird. Und wem die Autonomie nicht reicht, dem verkaufen die Amerikaner erstmals einen Range Extender. Anders als früher beim BMW i3 oder aktuell beim Mazda MX-30 ist das aber keine Kombination aus Benziner und Generator, sondern ein Zusatzakku für etwa 200 Kilometer auf der Pritsche.

Kann er auch kraxeln?

In der Theorie taugt der Cybertruck auch fürs Gelände: Wozu hat er schließlich eine Luftfederung, mit der die Bodenfreiheit auf Knopfdruck auf 40 Zentimeter steigt? Und Allradantrieb gibt es für die allermeisten Modelle natürlich auch. Doch zumindest viele Internet-Videos legen nahe, dass er sich in Schlamm und Schnee nicht ganz so leicht tut, wie uns Tesla weismachen will.

Und auf der Straße hat der Cybertruck ebenfalls seine Schwierigkeiten. Die Federung des Testwagens jedenfalls ist so bockig, dass man sich auf schlechten Straßen tatsächlich fühlt wie ein Cowboy. Und mit der Kombination aus eckigem Lenkrad, gefühlloser Drive-by-wire-Lenkung ohne mechanische Verbindung zu den Rädern und einer ungewöhnlich starken Hinterachslenkung braucht es ganz schön Übung, bis man den Bogen raus hat und sauber die Kurve kriegt. Aber ein paar Kompromisse muss man schon machen, wenn man immer und überall im Zentrum des Interesses stehen will.

Fazit: Ein Held für Angeber, nicht für Arbeiter

Hat es Elon Musk mit dem Cybertruck übertrieben? Während der Tesla-Chef bislang von vielen Kritikern gelobt und von Kunden vergöttert wird, schlägt ihm diesmal viel Kritik entgegen. Denn selbst vielen eingefleischten Tesla-Fans ist der Truck zu apokalyptisch.

Aber was die einen stört, ist für die anderen der größte Grund für den Kauf. Denn auch wenn er vielleicht kein ehrlicher Arbeiter ist wie ein F-150, stiehlt er als Angeberauto selbst einem Ferrari die Schau.

Quelle: ntv.de, Thomas Geiger, dpa


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