Starre Achsen, großvolumige Motoren, schwere, überbordende Karosserien und oft so wenig Elektronik wie möglich - kaum eine Konstruktion scheint so rustikal und überkommen wie die des Pick-ups. Kein Wunder. Denn erstens ist der Pritschenwagen ein Nutzfahrzeug, das von vielen seiner Kunden wirklich hart rangenommen wird. Und zweitens gibt es kaum eine Fahrzeuggattung, deren Wurzeln so weit zurückreichen. Schließlich ist der Pick-up insbesondere für US-Amerikaner die motorisierte Variante des Planwagens, mit dem ihre Vorfahren das weite Land einst besiedelt haben. Und genau deshalb ist der "Truck" speziell in den USA so populär und macht mehr als ein Fünftel aller Zulassungen auf einem der größten Märkte der Welt aus. Von den hohen Verkaufsanteilen in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas ganz zu schweigen.
"Wenn wir den Verbrenner wirklich auf den Schrottplatz der Geschichte werfen wollen, müssen wir also auch diese Fahrzeugkategorie elektrifizieren", hat deshalb Tesla-Gründer Elon Musk schon vor zehn Jahren im Interview erkannt - und sich danach allerdings - einmal mehr - ein bisschen Zeit gelassen. Deshalb mag sein ominöser Cybertruck zwar der vielleicht extremste Gegenentwurf zu den üblichen Pritschenwagen sein, aber keineswegs der erste. Und gemessen an der Kritik, die dem Elektro-Messias dafür zum ersten Mal entgegenschlägt, ist er offenbar auch nicht der beste. Und deshalb ist er auch nur einer von fünf alternativen Pick-ups in dieser Liste.
Tesla Cybertruck: Das Auto fürs Armageddon
Das Ende ist nah - und wenn man dem Design des Tesla Cybertrucks glaubt, gilt das nicht allein für den Verbrennungsmotor, sondern gleich für die ganze Welt. Denn aus Edelstahlblech eher gefaltet als gestanzt, angeblich schusssicher und zulasten der Unfallgegner auf maximalen Selbstschutz ausgelegt, will er das Auto für die Apokalypse sein - und wird damit natürlich auch zum absoluten Hingucker. Denn weder für einen Ferrari interessiert sich noch jemand noch für eine Corvette und erst recht nicht für einen Ford F-150 oder einen Chevrolet Silverado, wenn der Cybertruck irgendwo um die Ecke kommt.
Dumm nur, dass er diese Dauerbrenner wohl trotzdem nie ersetzen können wird. Technisch mag er dazu vielleicht mit Reichweiten von bestenfalls 547 Kilometern, mit bis zu 845 PS und 210 km/h Spitze, einer hinreichend großen Pritsche und ausreichend Anhängelast in der Lage sein, selbst wenn sich im Internet gerade auffällige viele Fail-Videos mit Pleiten, Pech und Pannen in der Pampa und im Schnee häufen, die an den für einen Pick-up essenziellen Offroad-Fähigkeiten gewisse Zweifel schüren. Und wenn im nächsten Jahr tatsächlich das Basismodell für knapp 61.000 Dollar kommt, ist auch der Preis in relativ massentauglich.
Doch während Farmer, Viehzüchter und Ölbohrer ihrer Pick-ups lieben, weil sie Wohnzimmer und Werkzeug zugleich sind, wirkt der Cybertruck wie jeder Tesla innen so nackt und nüchtern wie eine Klosterzelle und hat draußen außer einem Frunk, einem klapprigen Rollo über der Ladefläche und ein paar Zurrhaken nicht viel zu bieten. Das ist mehr ein grobschlächtiger Terminator-Dolch als ein Schweizer Offiziersmesser. Ach ja, und wo wir gerade beim Meckern sind: So richtig gut fahren tut der Cybertruck auch nicht. Denn die Federung ist ausgesprochen bockig und bis man mit dem eckigen Lenkrad, der Hinterachslenkung und der gefühllosen Steer-by-Wire-Technik den Bogen raus hat, dauert es auch eine ganze Zeit. Vielleicht also kein Schaden für Europa, dass Tesla bislang kein Wort über seine Exportabsichten verloren hat - und der Cybertruck bei uns womöglich gar nicht zugelassen werden könnte.
Rivian R1T: Früher und fröhlicher
Er ist die freundliche Alternative zum Cybertruck und war auch noch früher dran: Denn während Elon Musk lange Zeit nur redete, hat Rivian seinen R1T bereits auf die Straße gebracht und mittlerweile viele tausend Exemplare ausgeliefert.
Zwar wirkt der R1T nicht ganz so weit aus der Zukunft geholt wie der Cybertruck. Doch gemessen an den konventionellen Konkurrenten tritt der Newcomer auf, als hätten sie in Hollywood ein paar Szenen aus "Star Trek" mit "Jurassic Park" durcheinandergebracht - so cool und clean schwimmt der Rivian durch den Verkehr: Wo Ford & Co auf Chrom und Flammen setzen und den Dicken machen wie Arnold Schwarzenegger in seinen besten Jahren, strahlt der Rivian eine Coolness aus wie die das erste iPhone, ist rank und schlank und leistet sich als einziges Erkennungsmerkmal unverwechselbare LED-Scheinwerfer.
Auch innen lebt der Rivian-Fahrer in seiner ganz eigenen Welt und sitzt in einem coolen Studio hinter zwei Bildschirmen statt in einem Maschinenraum voller Uhren, Schaltern und Tastern. Dazu gibt es Platz in Hülle und Fülle und fürs Gepäck neben der Pritsche den obligatorischen Frunk im Bug. Nur dass der hier größer ist als der Kofferraum manch konventioneller Kombis.
Der Auftritt ist völlig unterschiedlich, aber der Anspruch ist der gleiche: Der Rivian will Arbeitstier und vor allem Abenteurer sein, der sich für nichts und niemand zu schade ist. Nicht umsonst bewerben die US-Amerikaner den Pick-up als erstes elektrisches Expeditions-Mobil und nicht ohne Grund gibt es fast ausschließlich Fotos von Geländespielen mit Zelt auf der Pritsche oder einer Outdoor-Küche im sogenannten Gear Tunnel - dem praktischen Schubfach zwischen der Kabine und dem Pritschenboden, wo andere Pick-ups Kardanwellen, Blattfedern oder den Tank haben.
Damit er der R1T in der Wildnis mindestens so weit kommt wie die Konkurrenten aus der Alten Welt, fährt er auf Wunsch natürlich auf allen vieren, hat gleich vier unterschiedliche Offroad-Programme und eine Luftfederung, mit der ihn der Fahrer auch über große Hindernisse lupfen kann. Die Technik ist auf die Pampa zugeschnitten, doch die Performance erinnert eher an einen Super-Sportwagen: 3,3 Sekunden reichen im besten Fall, um den Koloss mit einem Kick-Down auf Tempo 100 zu katapultieren.
All das erkauft sich Rivian freilich mit einem technischen Gigantismus, der gut zu den Dinosauriern passt, mit denen Kritiker den Pick-up gerne vergleichen. Wo andere E-Auto-Hersteller einen Motor pro Achse einsetzen, montiert Rivian deren zwei und bietet so bis zu 840 PS. Und das Drehmoment gipfelt im besten Fall erst weit jenseits von 1100 Nm. Auch bei den Akkus wird geklotzt und nicht gekleckert. Denn schon die Basisversion fährt - dann nur mit zwei Motoren, aber immer noch mit Allrad - mit einer Batterie von 105 kWh. Der Large Pack hat sogar 135 kWh und kommt damit im offiziellen EPA-Rating 505 Kilometer weit. Und wer weit in die Wildnis will oder auf dem ganz platten Land wohnt, dem liefert Rivian auch einen "Max Pack" mit irrwitzigen 180 kWh für mehr als 600 Kilometer. Gemessen an dem Aufwand sind die Preise fast schon moderat. Denn das Basismodell kostet 69.900 Dollar und selbst das Top-Modell wird für nur 94.000 Dollar gehandelt.
Also alles im grünen Bereich und doch eine tragfähige Zukunftslösung für den Truck? Nicht ganz. Denn wie so viele Startups strauchelt derzeit auch Rivian - und braucht dringend eine Finanzspritze, damit das Abenteuer nicht bald schon wieder vorbei ist.
Telo Truck: Fürchtet euch nicht
Während Tesla die Generation E gerade mit dem biestigen Cybertruck verstört, lanciert ein Startup aus dem Silicon Valley einen smarten Gegenentwurf: Statt bald 6 Meter wie der Ford F-150 oder 5,70 Meter wie der apokalyptische Tesla Cybertruck misst ihr Truck deshalb nur 3,86 Meter und ist damit nicht nur so kurz wie ein Mini Cooper, sondern guckt auch genauso freundlich.
Aber die Gründer haben nicht einfach Amerikas Liebling geschrumpft, sondern das Konzept neu gedacht und so im neuen Format die alten Fähigkeiten erhalten. Auch ihr Winzling hat bequem Platz für fünf, mit einem Klappsitz auf der Pritsche sogar für sieben Insassen. Er bietet die gleiche Ladelänge wie die Großen und fährt auch bei der Nutz- und der Anhängelast auf Augenhöhe. Den ersten Meter spart der wie alle neuen E-Modelle auf einer sogenannten Skateboard-Architektur aufgebaute Telo-Truck, weil er auf die lange Motorhaube und den Frunk darunter verzichtet. Den Rest des Raumgewinns holen die Telo-Tüftler mit ihrer variablen Rückbank. Denn die lässt sich mit samt der Kabinen-Rückwand so umklappen, dass sie Teil der Ladefläche wird.
Auch beim Fahren will Telo keine Abstriche machen und die Amerikaner nicht entwöhnen: Die aus Standardzellen selbst entwickelte Batterie des Trucks hat eine Kapazität von 106 kWh und soll für umgerechnet 560 Kilometer reichen. Und mit zwei Motoren von zusammen 500 PS taugt der Telo sogar als Dragracer und schafft 0 auf 100 km/h in weniger als 4 Sekunden; erst bei 200 km/h soll die Elektronik den Stecker ziehen.
Dabei haben die Gründer aus den Fehlern anderer Startups gelernt und sehr viel knapper kalkuliert. Schon wenn sie 5000 Autos im Jahr bauen, wollen sie profitabel sein. Und das bei einem vergleichsweise niedrigen Startpreis von 50.000 Dollar. Bis dahin allerdings ist es noch ein weiter Weg. Erst im nächsten Jahr soll es statt der fahrbaren Bodengruppe von heute einen ersten Prototyp mit Karosserie und Innenleben geben und erst Ende 2025 wollen sie mit der Serienproduktion beginnen. Immerhin gibt es schon die ersten Kunden für den knuddeligen Alleskönner: Binnen drei Tagen haben sie nach der Premiere im Sommer 1000 Vorbestellungen eingesammelt und mittlerweile haben über 2500 Interessenten ihre Anzahlung geleistet, die auch einen symbolischen Wert hat: Die 152 Dollar entsprechen genau der Länge in Inch.
aCar: Weniger ist schwer
Rivian, Tesla, Telo - sie alle haben erst einmal die Amerikaner im Sinn, bei denen das Geld locker sitzt und wo die Ladeinfrastruktur vergleichsweise gut ist. Doch an der Technischen Universität in München machen sie sich seit Jahren darüber Gedanken, wie ein nachhaltiger Pick-up für Schwellenländer aussehen könnte - und haben deshalb das aCar entwickelt.
Dafür beschränkten sich die Doktoranden auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse und skizzieren einen offenen Pritschenwagen mit 1000 Kilo Nutzlast oder Platz für bis zu acht Personen, der sich mit Allradantrieb auch über schlechte Dschungelpisten kämpft. Die technischen Daten sind mit zweimal 8 kW Leistung, einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h und einer Reichweite von 80 Kilometern zwar nicht sonderlich imposant, und das aCar hat weder ein sonderlich attraktives Design noch eine besonders umfangreiche Ausstattung. Doch sehr simpel konstruiert und schnell montiert, sollte es später auch nur etwa 10.000 Euro kosten.
Zwar hat sich der Preis hat sich mittlerweile mehr als verdreifacht. Doch haben die Studenten dafür bis dato einen hohen zweistelligen Millionenbetrag eingesammelt, die Firma Evum Motors gegründet und bereits über 1000 aCars gebaut - mit jetzt 20 kW, 1,5 Tonnen Nutzlast, 70 km/h Spitze und 200 Kilometern Reichweite. Und während Afrika noch in weiter Ferne liegt, haben sie die heimische Land- und Bauwirtschaft als Kunden entdeckt.
Ford F-150 Lightning: Das Imperium schlägt zurück
Von wegen Dinosaurier auf dem Weg ins Jenseits. Noch bevor Tesla den ersten Cybertruck auf der Straße hatte, haben sie auch in Detroit mit der Elektrifizierung des Trucks begonnen. Und während Chevrolet als Nummer zwei und Ram als Nummer drei kurz vor der Markteinführung der Akku-Versionen für Silverado und 1500 stehen, ist der F150 Lightning mittlerweile sogar bald reif fürs erste Facelift. Schließlich fährt er jetzt schon ins dritte Jahr.
Anders als die Revolutionäre von der Westküste setzen sie dabei in Michigan auf einen Truck nach alter Väter Sitte - zumindest beim Auftritt. Denn wo der Cybertruck mächtig nach "Star Trek" aussieht und der Rivian wie das Camping-Auto von Captain Kirk, fährt der Lightning auch weiterhin für die Texas Rangers und spielt lautstark Heavy Metall statt Synthie-Pop und Space-Musik: Mehr als der LED-Bogen am mächtigen Bug, die schwarze Kunststoffblende anstelle des riesigen Chrom-Grills und der Blitz mit der US-amerikanischen Flagge am Heck ist es nicht, was diesen F-150 von seinen Gattungsgenossen unterscheidet.
Das gilt auch für sein Einsatzspektrum: Der Lightning hat deshalb genauso viel Nutzlast wie ein normaler F-150, er schleppt gleich viel weg und kommt im Gelände mindestens genauso weit. Nur beim Fahren fühlt man sich in einer anderen Welt: Es bleibt beim erhabenen Gefühl; man thront über dem Verkehr wie der Cowboy über seiner Herde und mit 5 Metern Länge und 3 Tonnen Auto um sich herum fühlt man sich zudem auch im dicksten Verkehr ziemlich unverwundbar.
Doch wo die klassischen Trucks entweder gemütlich sind oder brachial und dann entsprechend vorlaut, ist der Lightning von subtiler Stärke und ohne Vorwarnung explodiert er förmlich in Vortrieb. Von 0 auf 100 in rund 4,5 Sekunden, da fühlt sich der Pick-up eher nach Ferrari als nach Ford an. Und natürlich hilft das nahezu sofort verfügbare Drehmoment auch im Dreck oder vor dem Trailer, selbst wenn man dabei nicht gleich die Stoppuhr drückt.
Möglich wird das mit einem Technik-Paket, das von imposanter Üppigkeit ist: Schon die Basisversion hat zwei Motoren mit zusammen 452 PS und im Top-Modell für bis zu 100.000 Dollar klettert die Leistung auf 580 PS. Hier wie dort warten 1.050 Nm darauf, die gesetzmäßige Massenträgheit gehörig durcheinanderzubringen. Und die Energie dafür liefern zwei Batterien, von denen die kleinere mit ihren 98 kW bereits zu den größten zählt, die irgendwo eingebaut werden. Weil aber 370 Kilometer Reichweite in einem Land solcher Größe ein bisschen knapp werden könnten, gibt es alternativ einen Akku-Pack von 130 kWh, mit dem dann über 500 Kilometer drin sind.
Natürlich ist der Pick-up ein zutiefst US-amerikanisches Phänomen, erst recht als Fullsize-Truck wie der F-150. Doch mit Strom statt Sprit wird er auch in Europa salonfähig. Erst recht, weil es aktuell kein anderes Elektroauto für Gewerbetreibende gibt, das auch nur ansatzweise so gut schleppen, ziehen und durchs Gelände pflügen kann und dabei auch noch so cool aussieht, dass es jeder G-Klasse und erst recht jedem gewöhnlichen SUV die Schau stiehlt. Das wissen sie natürlich auch in Köln, haben längst ihre Liebe zum Lightning entdeckt und bieten ihn als einzigen elektrischen Pick-up deshalb offiziell auch bei uns an.
Quelle: ntv.de, Benjamin Bessinger, sp-x
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