Sorgte künstlicher Regen für Unwetter-Chaos in Dubai?

  17 April 2024    Gelesen: 484
  Sorgte künstlicher Regen für Unwetter-Chaos in Dubai?

Sturzfluten in der Wüste: Dubai steht unter Wasser. Heftige Regenfälle überfluten innerhalb kürzester Zeit ganze Straßen, Häuser und sogar den Flughafen in der Metropole. Wie ist das in einem der trockensten Gebiete der Erde möglich? Einige Experten sehen Wettermanipulation als Ursache. Kann das stimmen?

Bei Dubai denkt man an Sonnenschein, Hitze und trockene Landschaften. Doch in den vergangenen Tagen zeigte sich der Wüstenstaat von einer ganz anderen Seite: Gewaltige Regenmassen kamen vom Himmel. Straßen verwandelten sich in Flüsse, Häuser und Geschäfte wurden überschwemmt. Flughäfen und Schulen mussten schließen. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Dutzende Autos in Wassermassen eingeschlossen sind. Es herrschte vielerorts Chaos.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben die schwersten Regenfälle seit 75 Jahren erlebt, teilte das Nationale Zentrum für Meteorologie mit. Dubai registrierte allein am Dienstag 142 Liter Regen pro Quadratmeter, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Andere Quellen sprechen von bis zu 254 Litern pro Quadratmeter. Hinzu kamen Hagel und Sturm.

Wie kommt es, dass eine der trockensten Gebiete der Erde in Wassermassen versunken ist? Einige Experten haben Cloud-Seeding unter Verdacht - eine Technik, mit der künstlicher Regen erzeugt wird. NCM-Meteorologe Ahmed Habib hatte Bloomberg gesagt, Flugzeuge hätten innerhalb von zwei Tagen sieben Missionen durchgeführt, bevor die heftigen Regenfälle Teile des Wüstenstaates überschwemmten. Was ist dran an dieser Theorie?

Wolken impfen

Erforscht wird Cloud-Seeding seit den 1940er-Jahren. Damals kam der US-amerikanische Nobelpreisträger Irving Langmuir auf die Idee, Wolken mit Trockeneis zu "impfen" und so Kondensationskeime zu schaffen. "Kondensationskeime sind mikroskopisch kleine Teilchen, an denen sich Wasser festsetzt", erklärt Meteorologe Frank Böttcher im Gespräch mit ntv.de. Wenn man nun mehr von den Partikeln in eine Wolke hineingebe, "besteht die Hoffnung, dass sich an dieser Stelle tatsächlich mehr Wassertröpfchen bilden, die Wolken größer werden und es regnet".

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkannten das Potenzial von Langmuirs Entdeckung und forschten weiter. Es stellte sich heraus, dass Silberjodid anstelle von Trockeneis noch effektiver funktionierte. Auch sogenannte hygroskopische Substanzen, die Wasser anziehen - Salz­partikel beispielsweise - zeigten guten Regenerfolg. Sie nehmen Wasserdampf auf, wuchsen dadurch, um schließlich schwer genug zu werden, um abzuregnen. Mithilfe von Flugzeugen, Drohnen und Raketen können diese Stoffe in die Wolken "geimpft" werden.

Die langersehnte Kontrolle über das Wetter

Besonders Wüstenstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate nahmen die neue Technologie dankbar an. In dem Land fällt kaum Regen, die Bewohner leiden an Hitzeperioden und chronischem Wassermangel. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Jahr liegt zwischen 95 und 140 Litern pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Deutschland sind es im Schnitt rund 800 Liter.

Daher versuchen die Emirate bereits seit Anfang der 2000er-Jahre künstlichen Regen zu erzeugen - und investieren dafür viel Geld. Vor einigen Jahren feierte das Nationale Zentrum für Meteorologie (NCM) in den Emiraten schließlich Erfolge - zumindest nach eigenen Angaben. Der Niederschlag sei durch das Cloud-Seeding verstärkt worden, teilte das NCM damals mit. Dazu veröffentlichte der Wetterdienst Videoaufnahmen von starken Regenfällen.

Es scheint, mit Cloud-Seeding hätte man geschafft, wovon die Menschheit seit Jahrtausenden träumt: die Kontrolle über das Wetter. Auch andere Länder brüsken sich immer wieder mit der angeblichen Macht über Sonne und Regen. 2008 behauptete die chinesische Führung, den Regen vor der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele abgewendet zu haben. Und auch Russlands Präsident Wladimir Putin sorgt nach eignen Angaben bei jeder internationalen Konferenz für Sonnenschein.

"Interessanterweise sind es vor allen Dingen diktatorische Staaten, die das machen", sagt Böttcher. "Es wird auch berichtet, dass in der Sowjetunion nach Tschernobyl Flugzeuge mit großen Mengen Silberjodid über die Ukraine geflogen sind, um die radioaktive Wolke abregnen zu lassen, bevor sie nach Moskau kommt." Von der Wirkung ist der Experte jedoch nicht überzeugt. Also doch alles Humbug?

Was bleibt, ist ein riesiges Fragezeichen

Fest steht: Cloud-Seeding funktioniert - zumindest im Labor. Ob es auch eine praktische Wirkung hat, ist unter Experten jedoch immer noch umstritten. Denn ein Effekt ist in der Natur kaum nachweisbar. Dafür bräuchte man zwei identische Wolken, sagt Meteorologe Böttcher. "Einmal fliegt man rein und guckt, was passiert. Das zweite Mal fliegt man eben dran vorbei und macht gar nichts." Physikalisch sei das jedoch unmöglich und somit fehle bis heute der Beweis.

Kurz gesagt, wenn Regen fällt, ist nicht erkennbar, ob der Niederschlag durch Cloud-Seeding entstanden ist oder es ohnehin geregnet hätte. Schließlich werden meist Wolken geimpft, die von sich aus bereits viel Feuchtigkeit enthalten. Denn das Vorgehen ist teuer und würde sich sonst kaum lohnen. Somit können auch die jüngsten Unwetter über Dubai nicht eindeutig auf Cloud-Seeding zurückgeführt werden.

"Wenn ich etwas in der Atmosphäre mache, hat es immer irgendeine Wirkung", sagt Böttcher. Die Frage sei nur: Wie groß ist diese Wirkung? Und wie zielgerichtet ist sie einsetzbar? "Dahinter mache ich ein riesiges Fragezeichen."

Sturmsystem über Arabischer Halbinsel

Auch der US-amerikanische Meteorologe Jeff Berardelli ist skeptisch, welche Auswirkungen Cloud-Seeding tatsächlich auf die Unwetter hatte. "Jegliches Seeding, wenn es denn stattfand, wäre eine lediglich eine kleine Verstärkung gewesen", schreibt er auf X.

Der starke Regen steht Berardelli und anderen Meteorologen zufolge vielmehr im Kontext eines größeren Sturmsystems, das die Arabische Halbinsel überquert und sich über den Golf von Oman bewegt. Dasselbe System brachte auch ungewöhnlich nasses Wetter in den Südosten des Iran und in den nahe gelegenen Oman. Dort kamen durch die schweren Regenfälle mindestens 18 Menschen ums Leben. In den Emiraten starb Berichten zufolge ein älterer Mann, dessen Fahrzeug vom Wasser weggeschwemmt wurde.

Das ungewöhnliche Ausmaß des Unwetters erklären einige Expertinnen und Experten statt mit Cloud-Seeding, zudem mit dem voranschreitenden Klimawandel. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der "tödliche und zerstörerische Regen in Oman und Dubai durch den vom Menschen verursachten Klimawandel verstärkt wurde", sagte die Klimaforscherin Friederike Otto der Nachrichtenagentur AFP. Klimamodelle gehen davon aus, dass die Arabische Halbinsel angesichts der globalen Erderwärmung besonders großen Anstieg bei Niederschlagsextremwerten verzeichnen könnte.

Quelle: ntv.de


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