Zölle gegen China-Autos würden uns ärmer machen

  11 Juni 2024    Gelesen: 1023
  Zölle gegen China-Autos würden uns ärmer machen

Chinas Elektroautobauer blasen zum großen Angriff auf Europa. In der EU-Kommission sind Anti-Dumping-Zölle deshalb im Gespräch. Wären sie sinnvoll? Was spricht dagegen?

Charles Darwin war ein glühender Verfechter marktwirtschaftlicher Prinzipien - ohne es zu wissen. Von ihm stammt die Erkenntnis: "Alles was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand." So und nicht anders geht es auch in der Wirtschaft auf den Märkten zu. Egal wie rigide Steuerungs-, Lenkungs- und Preisvorschriften oder Schutz-Zölle der Politik auch waren, der Markt hat Wege gefunden, sie zu umgehen. Ob Napoleons Kontinentalsperre, Amerikas Prohibition, Nachkriegsdeutschlands Lebensmittelkarten oder Preisvorgaben - der Markt hat sie alle ausgehebelt. Und das zuverlässig! Bleibt die Kernfrage: Muss die deutsche Autoindustrie gegenüber staatlich subventionierten Importen billiger Elektroautos aus China geschützt werden?

Diese Frage nach den Schutzzöllen hat Gewicht. Denn im internationalen Handel stehen die Zeichen auf Sturm. Auslöser war die US-Regierung unter Präsident Joe Biden, die im Machtkonflikt mit China - das Wahljahr 2024 und die drohende Rückkehr Donald Trumps im Rücken - auf eine Reihe von strategisch wichtigen Elektronik-Produkten Importzölle von 10 auf bis zu 30 Prozent anhob. Kurz darauf wurden diese Zölle für Elektroautos aus China prohibitiv auf 100 Prozent erhöht, gültig zunächst bis 2026.

Dies rief postwendend die EU-Kommission auf den Plan. Sie befürchtet eine Umlenkung der Warenströme insbesondere von billigen chinesischen Elektroautos von den USA nach Europa. Natürlich zulasten von Beschäftigung und Prosperität der europäischen Autohersteller. Die EU will mit Strafzöllen ihren Binnenmarkt vor chinesischen Elektroautos schützen, die in der Volksrepublik durch massive staatliche Unterstützung günstiger produziert werden als in Europa. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht von "Wettbewerbsverzerrung."

Entscheidung muss wohlüberlegt sein

Eine Untersuchung der Kommission dazu läuft seit Herbst 2023, eine Entscheidungsfrist läuft Ende Juli ab. Mögliche EU-Strafzölle könnten einzelne Hersteller treffen, wenn sie nachweislich wettbewerbsverzerrende Beihilfen erhalten haben. Die Kommission muss dabei auch den Schaden berücksichtigen, der der heimischen Wirtschaft entstanden ist oder entstehen würde.

Der Grund für dieses selektive Vorgehen ist dem Umstand geschuldet, dass über die Hälfte der aus China nach Europa exportierten Premiummodelle Fahrzeuge deutscher Hersteller sind, wie beispielsweise der BMW iX3. Der Marktanteil rein chinesischer Autos, und seien sie noch so billig, ist verschwindend gering.

Was spricht dagegen?

Und damit kommen wir zu den Fakten und Argumenten, die gegen die Verhängung von EU-Strafzöllen gegen chinesische E-Autos sprechen:

Von einer Eroberung des europäischen Marktes durch E-PKW aus China kann keine Rede sein. Der Vormarsch stagniert. Von Januar bis April wurden lediglich 116.000 rein chinesische Fahrzeuge in Westeuropa verkauft, bei einem Gesamtmarktabsatz von 4,01 Millionen. Die Marktanteile originär chinesischer Elektroautos bei den Neuzulassungen in Westeuropa schrumpfte auf 2,9 von 3,0 Prozent. Zu den originären Marken aus dem Reich der Mitte zählen etwa MG und SAIC.

In Deutschland wiederum wurden in den ersten vier Monaten 2024 insgesamt 111.005 reine Elektroautos (BEV) zugelassen. Der Marktanteil lag damit bei 11,8 Prozent nach noch 14,3 Prozent im Jahr 2023. Unter diesen BEV waren 6073 E-Fahrzeuge aus China - mit einem Marktanteil von 0,65 Prozent. Weltmarktführer BYD mit seinen großen Expansionsplänen in Europa und Deutschland kam nur auf einen Absatz von 576 Stück.

Fakt ist, dass die bisherigen Zulassungsdaten keine generelle Verhängung von Abwehrzöllen gegen den Import chinesischer Elektroautos durch die EU-Kommission rechtfertigen. Billige E-Autos aus China werden bis dato am Markt überhaupt nicht angeboten. Auch chinesische Hersteller von Elektroautos verkaufen lieber teurere Elektro-SUVs mit Gewinn als billige E-Autos mit Verlust. Von der in der Öffentlichkeit vielfach beschworenen Flutung der europäischen Automärkte mit billigen chinesischen Elektroauto-Importen ist bislang weit und breit nichts zu sehen. Da wurde in der Öffentlichkeit ein Popanz aufgebaut.

Die europäische Autoindustrie will keine Schutzzölle, sie fürchtet den Ausbruch eines Handelskrieges mit China. BMW Chef Oliver Zipse spricht von einem möglichen "Knieschuss". Zudem sind europäische Autohersteller selbst in der Lage, wettbewerbsfähige, billige Elektroautos zu bauen. Citroën oder Dacia tun es bereits, VW will in den nächsten Jahren ein 20.000-Euro-Elektrofahrzeug produzieren.

Das Angebot an kleinen "Stromern" wäre im Zweifel also da. Nur die Nachfrage fehlt. Das Problem all dieser kostengünstigen Modelle ist, dass sie im Preis-Leistungsverhältnis immer noch deutlich teurer sind als vergleichbare Verbrenner.

Die Frage in der EU-Kommission also ist: Wer soll vor etwas geschützt werden? Dem Ökonomen sei erlaubt, darauf hinzuweisen, dass jeder legale Zollschutz nur über höhere Preise funktioniert und nur die Autohersteller, das Angebot schützt, nicht die Nachfrage, den Markt. Der Markt beziehungsweise die Konsumenten müssen nicht geschützt werden, im Gegenteil: Billige Importautos aus China steigern die reale Kaufkraft der Kunden, verbessern die Versorgung der Bevölkerung, weil sich mehr Konsumenten umweltverträgliche Autos leisten können. Sie erhöhen den Wettbewerb und steigern die Produktivität in der heimischen Autoindustrie. Und machen so die gesamte Volkswirtschaft reicher. Schutzzölle hingegen machen sie ärmer.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker