Urteil entfacht Streit um Abschiebungen nach Syrien

  23 Juli 2024    Gelesen: 544
  Urteil entfacht Streit um Abschiebungen nach Syrien

Seit 2011 sind Hunderttausende Menschen vor Krieg und Gewalt in Syrien nach Deutschland geflohen. Ein Gericht in Münster zweifelt nun am pauschalen Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Land. Das Urteil lässt aufhorchen.

Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster zum Schutzstatus eines Syrers hat weitreichende Fragen aufgeworfen. Die Logik dahinter sei, dass man sich immer genau anschauen müsse, wer in welchen Teil Syriens abgeschoben werden könne, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann in Berlin zu möglichen Konsequenzen. Die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, kritisierte: "Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entscheidet an der Realität in Syrien vorbei." Einschlägige Quellen wie der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zeigten, dass es weiterhin "eine beachtliche Konfliktlage" gebe. Hinzu komme, dass praktisch niemand vor dem "Folterregime des Diktators Assad" sicher sei.

Buschmann sagte: "Man kann eben nicht mehr pauschal sagen, dass die Sicherheitslage im gesamten Land überall gleich ist, sondern es muss genau hingeschaut werden." Dies sei eine Entscheidung des Gerichts, "die man nachvollziehen kann, wenn man davon ausgeht, dass es mittlerweile auch in diesem Land Regionen gibt, die sehr gefährlich sind, aber auch andere Regionen gibt, wo nicht zwingend Gefahr für Leib und Leben besteht".

Das Gericht hatte in seinem Urteil festgehalten, dass in Syrien für Zivilisten "keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" mehr bestehe. Der Kläger in dem Verfahren war vor seiner Einreise nach Deutschland in Österreich zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er an der Schleusung von Menschen aus der Türkei nach Europa beteiligt gewesen war.

Das Oberverwaltungsgericht führte aus, ihm drohe in Syrien keine politische Verfolgung. Von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei er wegen seiner vor der Einreise begangenen Straftaten ausgeschlossen. Auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz seien nicht gegeben. Dieser eingeschränkte Schutz gilt für Menschen, die nicht als individuell verfolgte Flüchtlinge anerkannt werden, aber stichhaltige Gründe liefern, warum ihnen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafte Schäden - etwa durch Bürgerkrieg - drohen.

Straftäter und islamistische "Gefährder"

Für Syrien war in Asylverfahren bislang im Regelfall von einer solchen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit von Zivilisten ausgegangen worden. Im Falle des Klägers, der aus der Provinz Hasaka stammt, sah das Gericht dies weder in dessen Heimatregion im Nordosten noch in Syrien allgemein als gegeben an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

"Grundsätzlich prüfen das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fortlaufend die Entscheidungspraxis auf der Grundlage der verfügbaren Quellen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage. Zu diesen Quellen gehörten insbesondere auch Gerichtsentscheidungen, wobei Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte insoweit eine bedeutende Rolle zukomme.

Bei der Innenministerkonferenz im Juni hatte Einigkeit darüber bestanden, dass Straftäter und islamistische "Gefährder" künftig wieder nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden sollten - womöglich über Nachbarländer. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte damals in Potsdam, sie sei dazu bereits mit mehreren Staaten im Gespräch. Für Syrien sei neben der Klärung der praktischen Fragen auch eine Neubewertung der Lage in dem arabischen Land notwendig. Sie sei sicher, dass sie dies mit Außenministerin Annalena Baerbock in naher Zukunft werde lösen können.

Quelle: ntv.de, jki/dpa


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