Der Toxoplasmose-Erreger ist dafür bekannt, ins Gehirn von Säugetieren und Vögeln einzudringen. Nun hat sich ein internationales Forschungsteam diese Eigenschaft, die Blut-Hirn-Schranke überwinden zu können, zunutze gemacht: In einem Machbarkeitsnachweis veränderte es den Parasiten Toxoplasma gondii so, dass der Einzeller im Gehirn ein mutmaßlich therapeutisches Protein gegen eine Krankheit bildet und in Nervenzellen einschleust. Allerdings müsse man die Wirksamkeit und Sicherheit dieses gänzlich neuen Ansatzes noch zeigen und auch verbessern, schreibt die Gruppe um Shahar Bracha von der Universität Tel Aviv im Fachblatt "Nature Microbiology".
Bislang erweise sich das Einschleusen von Proteinen ins Gehirn als extrem schwierig - aus verschiedenen Gründen, schreibt das Team. Demnach sind diese Stoffe meist zu groß, um die Blut-Hirn-Schranke zu queren, zudem gelten sie als instabil und können auch Immunreaktionen auslösen. Gäbe es eine Möglichkeit, Proteine gezielt ins Gehirn zu bringen, böte dies viele Möglichkeiten, schreibt die Gruppe: nicht nur für Therapien, sondern auch zur Erforschung grundlegender Prozesse.
Hier kommt der Toxoplasmose-Erreger T. gondii ins Spiel, der weltweit verbreitet ist und in Deutschland Schätzungen zufolge etwa 50 Prozent der Bevölkerung infiziert hat - meist ohne dass die Wirte erkranken. Der Parasit, von dem unterschiedliche Stämme kursieren, wird meist oral aufgenommen, kreuzt die Blut-Hirn-Schranke und kann im Gehirn in Nervenzellen eindringen und sich dort lebenslang einnisten.
Proteinbildung und Machbarkeit
Der Einzeller nutzt drei verschiedene Organellen, um Proteine herzustellen - Mikroneme, Rhoptrien und dichte Granula. Dass sich mit den beiden Letztgenannten gezielt Proteine bilden und in Nervenzellen des Wirts schleusen lassen, belegt die Studie, an der auch Forschende aus den USA, Großbritannien, Italien und der Schweiz mitgewirkt haben.
Dies testete das Team insbesondere an dem Protein MeCP2, das vermutlich Symptome des Rett-Syndroms, einer erblich bedingten Entwicklungsstörung, lindern kann. Nach diversen Laborversuchen injizierte das Team genetisch veränderte T.-gondii-Parasiten, die dieses Protein bilden können, in die Bauchhöhle von Mäusen. Die Tiere wurden dann nach einem Monat oder nach drei Monaten getötet und untersucht. Demnach siedelten sich die weitaus meisten Parasiten im Gehirn an; auffällige Entzündungsreaktionen beobachtete das Team nach eigenen Angaben nicht.
Parasit gibt Proteine an mehrere Zellen ab
Bei der Lieferung von MeCP2 bieten Rhoptrien den Analysen zufolge den Vorteil, dass der Parasit nicht in einer Zelle sein muss, sondern das Protein in verschiedene Zellen injizieren kann. Die Granula dagegen könnten in den Wirtszellen größere Mengen des Proteins bilden und das über längere Zeiträume, schreibt die Gruppe und fügt hinzu: "Wegen der jeweiligen Vorteile könnten sich die Systeme für verschiedene Arten von Protein-Zufuhrmaßnahmen eignen."
Besonders wichtig sei es, den Parasiten abzuschwächen, betonen die Forschenden und verweisen auf virale Genfähren oder Mikrobiom-Therapien. "Auch wenn natürliche Infektionen bei immunkompetenten Menschen tendenziell symptomfrei sind, kann T. gondii in einer Vielzahl von Situationen nachteilige Folgen haben", heißt es. Nun gehe es vor allem darum, die Effizienz und die Sicherheit des Ansatzes zu optimieren.
Martin Blume vom Robert-Koch-Institut (RKI) verweist darauf, dass es schon seit Längerem Überlegungen gebe, Toxoplasma-Organismen therapeutisch zu nutzen, etwa in der Krebsmedizin. In der Studie habe die Produktion von speziellen Proteinen im Gehirn der Mäuse anscheinend funktioniert. Allerdings sei offen, in welchem seiner verschiedenen Entwicklungsstadien der Erreger das Protein gebildet habe. Auch seien die MeCP2-Konzentrationen unklar, betont der Toxoplasma-Experte. Generell gebe es Zweifel an einer Anwendung des Parasiten am Menschen - insbesondere weil die Details von Toxoplasma-Infektionen im menschlichen Gehirn noch wenig verstanden seien.
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa
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