So rigoros ist die Asylpolitik in Dänemark und Schweden

  11 September 2024    Gelesen: 571
 So rigoros ist die Asylpolitik in Dänemark und Schweden

In Dänemark und Schweden kommen fast keine Asylbewerber mehr an. Beide Länder wollen so unattraktiv wie möglich für Migranten sein. Sie setzen auf niedrige Sozialleistungen, erschwerten Familiennachzug und wollen Parallelgesellschaften verhindern.

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Asyl- und Migrationspolitik ist derzeit das größte Thema in der deutschen Politiklandschaft - vor allem seit dem mutmaßlich islamistischen Anschlag mit drei Toten in Solingen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sechsmonatige Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern angeordnet. Abschiebungen sollen erleichtert, bestimmte Leistungen für Asylbewerber gekürzt oder ganz gestrichen werden und Messerverbote verhängt werden. Zudem sollen Polizei und Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse bekommen. Das sind einige der Maßnahmen, mit denen die Ampel-Regierung die Asylpolitik in den Griff bekommen will.

Der Union geht das nicht weit genug. CDU und CSU drängen auf weitere Verschärfungen. Künftig sollen nach Willen der Union Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. An dieser Frage sind die Gespräche zwischen Bundesregierung und Union gestern Nachmittag gescheitert. Am morgigen Donnerstag befasst sich der Bundestag nun mit dem abgespeckten Sicherheitspaket von SPD, Grünen und FDP.

Sicher ist: Die Union wird das Vorhaben in der Luft zerreißen. Für CDU-Chef Friedrich Merz und Co. sollen stattdessen Dänemark und Schweden zu deutschen Vorbildern werden.

"Einige Dinge könnte auch Deutschland tun"

In beiden nordischen Ländern kommen kaum noch Flüchtlinge an. Vergangenes Jahr stellten in Dänemark nur 2300 Menschen einen Erstantrag auf Asyl, in Schweden waren es knapp 9000 Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 329.000 Asylanträge gestellt. Das entspricht 3900 Anträgen auf eine Million Einwohner - zehnmal so viele wie in Dänemark, fast fünfmal mehr als in Schweden. Der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 2300 Asylanträgen auf eine Million Einwohner.

Dänemark hatte bereits nach der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 härtere Gesetze auf den Weg gebracht. 2019 gewannen schließlich ausgerechnet die Sozialdemokraten mit Forderungen nach einer harten Asylpolitik die Parlamentswahlen und machten Mette Frederiksen zur Ministerpräsidentin. Zusammen mit dem damaligen Migrationsminister Matthias Tesfaye gab die Regierungschefin das Ziel aus, keine Asylbewerber mehr ins Land zu lassen. Nur Menschen, die gemäß internationalem Recht als Flüchtlinge gelten, sollten aufgenommen werden.

Inzwischen ist die dänische Regierung von diesem Ziel abgerückt, verfolgt aber weiter eine strenge Einwanderungspolitik. "Wir versuchen sicherzustellen, dass die Gesellschaft als Ganzes die Last der Integration tragen kann. Ich denke, dass wir einige Dinge tun, die auch Deutschland mit großem Erfolg machen könnte", sagt Kaare Dybvad Bek, der mittlerweile Nachfolger ist von Tesfaye als dänischer Migrationsminister.

Mittlerweile bekommen Frauen und Mädchen aus Afghanistan generell immer Asyl in Dänemark, weil sie in ihrem Heimatland von der Taliban diskriminiert werden. Außerdem können Migranten, die im Gesundheitssektor arbeiten, leichter einreisen. Genauso können nicht-europäische Ehepartner von Geflüchteten einfacher nach Dänemark geholt werden.

(Noch) keine Abschiebungen nach Syrien

Die wesentlichen Elemente der strengen dänischen Asyl- und Migrationspolitik sind jedoch geblieben. So müssen Asylbewerber in Sammellagern leben und dürfen nicht arbeiten. Nach Ablehnung der Asylanträge kommen Migranten in Ausreisezentren - unter schlechten Bedingungen. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) kritisierte 2019 vor allem die Zustände im Ausreisezentrum von Ellebæk und verglich diese mit den Bedingungen in russischen Gefängnissen.

Familiennachzug ist nur möglich, wenn Migranten ein hohes Einkommen und eine große Wohnung nachweisen können. Wer das Land freiwillig verlässt, bekommt vom dänischen Staat als Anreiz über 5000 Euro ausgezahlt. Asylbewerber im Land erhalten täglich umgerechnet nur etwa 7,50 Euro - wenn der Antrag abgelehnt wird, gibt es gar kein Geld mehr, sondern nur noch Essen und eine Unterkunft.

Dänemark droht zudem auch mit Abschiebungen nach Syrien. Kopenhagen stuft einen Teil des Bürgerkriegslandes als "sicher" ein und hat einigen Syrern auch bereits ihre Aufenthaltstitel entzogen. Abschiebungen hat es aber noch keine gegeben - auch weil Dänemark mit dem Assad-Regime weiterhin keine Beziehungen unterhält.

"Ghettogesetz" gegen Parallelgesellschaften

Die Regierung in Kopenhagen geht zudem vehement gegen Parallelgesellschaften vor. In keinem Stadtteil darf der Anteil "nicht-westlicher" Ausländer bei über 30 Prozent liegen, besagt das sogenannte "Ghettogesetz". Demnach will die dänische Regierung bis 2030 soziale Brennpunkte auflösen, notfalls sogar ganze Wohnblöcke abreißen und Migranten zwangsumsiedeln.

Für Aufsehen hat auch das sogenannte "Schmuckgesetz" gesorgt. Behörde dürfen demzufolge Wertsachen (ab umgerechnet über 1300 Euro) von Asylbewerbern beschlagnahmen, damit ihre Unterbringung und Versorgung querfinanziert werden kann. "Das ist reine Symbolpolitik", sagt Michala Clante Bendixen von Refugees Welcome Dänemark, einer Organisation, die sich für Asylbewerber einsetzt. Das Schmuckgesetz werde kaum angewendet und diene offenbar eher der Abschreckung.

Dass Dänemark trotz EU-Mitgliedschaft rigoroser handelt als viele andere Länder, hängt mit Sonderregeln zusammen. Anfang der 1990er Jahre hatte Kopenhagen diese Möglichkeit in Gesprächen mit der EU ausgehandelt. Demnach darf Dänemark Richtlinien für Asyl, Einwanderung, Grenzkontrollen und Visa erlassen, die von EU-Regeln abweichen.

Schweden? Mehr Ausreisen als Einreisen

Auch Schweden war früher für seine liberale Zuwanderungs- und Integrationspolitik bekannt. Bis 2015, als innerhalb eines Jahres 160.000 Asylbewerber nach Schweden gekommen sind - für ein Zehn-Millionen-Einwohner-Land eine große Zahl. Danach gab es eine Kehrtwende in der Asylpolitik, wenn auch nicht ganz so vehement und schnell wie in Dänemark.

Inzwischen sind die Asylbewerber-Zahlen deutlich gesunken. Dieses Jahr seien in den ersten sechs Monaten sogar mehr Migranten ausgereist als eingewandert, meldete zuletzt Integrationsministerin Maria Malmer Stenergard. Die konservative und von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten tolerierte Minderheitsregierung mit Ministerpräsident Ulf Kristersson an der Spitze hat ihren Asylkurs nach Vorbild Dänemarks verschärft.

Auch in Schweden ist Familiennachzug schwieriger geworden, Sozialleistungen für Asylbewerber werden seit vielen Jahren nicht mehr erhöht und es werden nur noch befristete Aufenthaltserlaubnisse ausgestellt. Zudem sind auch in Schweden die Grenzkontrollen verschärft worden. Schweden kann durch seine Lage hoch im Norden aber auch vergleichsweise einfach die Grenze sichern. Das Land hat lediglich eine EU-Binnengrenze zu Finnland.

"Bis an die Grenze des Zulässigen"

"Schweden schreckt nicht davor zurück, bis an die Grenzen des rechtlich Zulässigen zu gehen, um ein klares Abschreckungssignal zu senden", sagt Bernd Parusel, Migrationswissenschaftler am Swedish Institute for European Policy Studies (SIEPS) in Stockholm, im "Stern". Schweden wolle "alles abschaffen, was nicht vom internationalen und europäischen Recht zwingend vorgeschrieben ist."

Schweden erlaubt inzwischen auch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. In der Realität scheitern die Rückführungen jedoch meistens. In diesem Jahr gab es noch gar keine Rückführung ins Land der Taliban. Voriges Jahr wurden fünf straffällige Afghanen über den Umweg Usbekistan abgeschoben.

Beispiele wie dieses zeigen, dass auch das schwedische Modell Schattenseiten hat. "Wenn man nur befristet Schutz gewährt und Flüchtlinge damit in Unsicherheit lässt und vielleicht auch noch den Familiennachzug erschwert, dann kann sich das negativ auf die Integration auswirken, die man ja eigentlich verbessern will", warnt Experte Parusel im "Stern".

Quelle: ntv.de


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