Moskau sorgt für Unruhe vor UN-Zukunftsgipfel

  22 September 2024    Gelesen: 532
  Moskau sorgt für Unruhe vor UN-Zukunftsgipfel

UN-Generalsekretär Guterres will mit Reformen die Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen krisenfester machen. Ein unter deutscher Co-Führung ausgehandeltes Paket erfüllt die Erwartungen nicht - soll aber die Zustimmung aller 193 Mitgliedsstaaten finden. Russland taktiert bis zur letzten Minute.

Trotz tiefgreifender politischer Differenzen sollen die 193 UN-Mitgliedsstaaten heute in New York im Beisein von Kanzler Olaf Scholz einen Reformplan annehmen. Plangemäß soll das Abkommen ohne Votum von allen 193 Staaten der Vereinten Nationen einstimmig verabschiedet werden. Vor dem zweitägigen sogenannten Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen sorgt Russland allerdings nach monatelangen Verhandlungen für Unruhe. UN-Mitgliedsstaaten bereiteten sich auf einen Versuch Moskaus vor, eine Abstimmung über den sogenannten Zukunftspakt am Sonntag zu erzwingen, berichteten Diplomaten. Das Paket war unter Führung Deutschlands und Namibias verhandelt worden.

In dem seit Beginn des Jahres mühsam verhandelten Pakt finden sich unter anderem Absichtserklärungen für eine Reform des UN-Sicherheitsrats und Forderungen nach einer Anpassung des internationalen Finanzsystems zugunsten des sogenannten Globalen Südens. Auch ein erstes Fundament für die weltweite Regulierung von Künstlicher Intelligenz soll damit gelegt werden. Ebenso wendet sich der Text gegen ein Wettrüsten im Weltraum. Trotz einiger Lichtblicke bleibt der vorliegende finale Text Diplomaten zufolge aber hinter António Guterres' sehr ambitionierten Erwartungen zurück. Der UN-Generalsekretär hatte ambitionierte Reformen verlangt, um die Staatengemeinschaft angesichts vieler Krisen und Kriege handlungsfähiger und die Welt gerechter zu machen.

Dass das Werk die hohen Ziele nicht erfüllt, zeigt sich auch darin, dass die einflussreichen Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich der bisherigen Planung zufolge nur ihre Außenminister oder gar deren Stellvertreter schicken. Bis zum Ende der Veranstaltung am Montagabend sollen aber insgesamt mehr als 120 Staats- und Regierungschefs gesprochen haben.

Moskau könnte überstimmt werden

Derweil ist auch Stunden vor Beginn des Treffens unklar, ob es sich nur um eine leere Drohung Moskaus handelt, eine Abstimmung erzwingen zu wollen. Russland ist bei den Vereinten Nationen bekannt für prozedurale Winkelzüge, die Staaten im Unklaren über seine Intentionen lassen. Eigentlich hatten Diplomaten trotz Blockade-Androhungen damit gerechnet, dass das Land den mühsam ausgehandelten Kompromiss mittragen würde. Falls Russland auf eine Abstimmung pocht, könnte diese Diplomaten zufolge mit der nötigen Mehrheit an Stimmen der UN-Vollversammlung abgewehrt werden.

Bei der Arbeit am Zukunftspakt wurde vor allem Russland von Diplomatinnen und Diplomaten als Quertreiber gesehen. In einem Manöver kurz vor der geplanten Annahme forderte Moskau in einem Antrag einen zusätzlichen Absatz, der indirekt Teile der Vereinten Nationen sowie das vorliegende Abkommen selbst als überflüssig darstellte. Unter Diplomaten gilt es als unwahrscheinlich, dass Moskau daran festhalten wird.

Scholz wird zu Beginn der Veranstaltung genauso wie Generalsekretär Guterres und der namibische Präsident Nangolo Mbumba eine Rede halten. Zuvor soll die klassische Sängerin und fünffache amerikanische Grammy-Gewinnerin Renée Fleming der Veranstaltung im großen Saal der UN-Vollversammlung am East River in Manhattan einen feierlichen Rahmen verleihen.

Generaldebatte ohne Scholz - Baerbock reist an

Der Bundeskanzler war bereits am Samstag in Manhattan angekommen und traf sich noch am Abend zum ersten Mal zu einem privaten Dinner mit UN-Chef Guterres im Hauptquartier der Vereinten Nationen. Während seines bis Montagabend Ortszeit geplanten Aufenthalts in New York wird der SPD-Politiker auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und den brasilianischen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva treffen. Zudem wird damit gerechnet, dass Scholz das Jüdische Museum in Manhattan sowie die Ausstellung eines deutschen Künstlers im Museum of Modern Art (MoMA) besucht. Dort wird in wenigen Tagen eine Schau mit Werken des Bildhauers Thomas Schütte eröffnet.

Mit Spannung wird vor allem erwartet, wie sich Scholz während der Reise zu den Ergebnissen der Landtagswahl in Brandenburg verhalten wird, bei der angesichts eines drohenden Wahlsieges der AfD über die SPD auch für den Kanzler viel auf dem Spiel steht. Seine Rede beim Zukunftsgipfel will Scholz wenige Stunden vor den ersten Hochrechnungen halten.

Für das am Dienstag startende größte diplomatische Treffen der Welt wird Scholz dann jedoch schon nicht mehr in der Stadt sein: Die jährlich stattfindende Generaldebatte der UN-Vollversammlung mit Reden von US-Präsident Biden, Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu oder Präsident Selenskyj wird knapp eine Woche dauern - für Deutschland spricht Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa


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