TTIP: Freihandel auf Kosten der Umwelt?

  12 Oktober 2015    Gelesen: 667
TTIP: Freihandel auf Kosten der Umwelt?
Am Samstag wollen Zehntausende in Berlin gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU demonstrieren. Die Kritiker fürchten, dass das Abkommen zu Lasten von Umweltstandards geht.
600 Busse und fünf Sonderzüge sollen an diesem Samstag nach Berlin rollen, zehntausende Teilnehmer werden zur bisher größten Anti-TTIP-Demo erwartet. "Wir befürchten, dass durch das Abkommen Standards im Bereich Umweltschutz gesenkt werden können und Methoden entstehen, die in Zukunft diese Art von Standardsetzung erschweren", sagt Karl Bär vom Münchener Umweltinstitut, das zu den Veranstaltern des Protests gehört.

Wirtschaftsvertreter hingegen erhoffen sich durch den Vertrag mehr Wachstum und Beschäftigung. TTIP sei "ein wichtiges Element, um unseren Wohlstand zu sichern und das weltwirtschaftliche Gewicht von Europa zu wahren", sagt Felix Neugart vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK).

TTIP-Verhandlungen

Die Konditionen für dieses geplante "Konjunkturprogramm" mit dem sperrigen Namen Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) verhandeln die Europäische Union und die USA seit 2013 - hinter verschlossenen Türen. Die Dokumente, die die amerikanischen Verhandlungspartner erstellt haben, sind streng geheim. Etliche Vorschläge, die die EU-Seite eingebracht hat, finden sich jedoch im Internet - entweder als Leaks oder auf den öffentlichen Druck hin von der EU-Kommission publiziert.

Abfall oder Futtermittel?

Das erklärte Ziel des Abkommen sei es, durch die sogenannte "Regulatorische Kooperation", die Standards in der EU und den USA so weit wie möglich zu vereinfachen, schreibt das deutsche Umweltbundesamt in einem Positionspapier . Das könne für den Umweltschutz in der EU aber auch erhebliche Risiken bergen: "Umweltstandards könnten sinken und die Umwelteigenschaften von Produkten gefährdet werden", heißt es in der Publikation.

Denn oftmals sind die Umweltstandards der EU strenger als die der USA - vor allem im Chemie-Bereich. Zum Beispiel sind zahlreiche Pflanzenschutzmittel, die in den USA verwendet werden, in der EU verboten, weil sie krebserregende Stoffe beinhalten. Und viele Grenzwerte sind in Europa geringer als die Grenzwerte in den USA: Im Jahr 2012 wurden etwa große Mengen Futtermais - die mit dem Schimmelpilzgift Aflatoxin B1 verunreinigt waren, und in der EU als Abfall hätten entsorgt werden müssen - als Futtermittel über den Atlantik verschifft.

Landwirt versprüht Pflanzenschutzmittel Foto: Foto: Patrick Pleul/ dpa
Die Richtlinien zu Pestiziden unterscheiden sich dies- und jenseits des Atlantiks stark
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström verteidigt das Freihandelsabkommen. Es werde kein Produkt auf den europäischen Markt kommen, das den EU-Standards nicht entspreche, sagte sie im April dieses Jahres.

Umweltbundesamt fordert Positivliste

Allerdings soll es bei TTIP nicht nur um die mögliche Angleichung oder gegenseitige Anerkennung bestehender Standards gehen, sondern vor allem um die Abstimmung bei zukünftigen Regulierungen. Die Sorge vieler Umweltschützer dabei ist, dass die EU sich dann dem Druck der USA beugen könnte, laschere Standards zu akzeptieren. "Es wird immer eine Frage des politischen Willens sein, ob wir in Zukunft auf amerikanische Einwände gegenüber europäischen Regulierungsvorhaben Rücksicht nehmen wollen oder nicht", sagt DIHK-Vertreter Neugart. "Wenn man in Europa höhere Umweltstandards haben will als in Amerika, dann ist das natürlich im normalen Gesetzgebungsprozess weiter möglich."

Das Umweltbundesamt schlägt in diesem Zusammenhang vor, "systematisch zu prüfen, auf welchen Feldern unter welchen Bedingungen die Regulatorische Kooperation zu positiven Umweltwirkungen auf beiden Seiten führen könnte." Die so identifizierten Bereiche könnten dann in Form einer Positivliste in TTIP verankert werden, heißt es in dem Positionspapier.
Streitfrage Investitionsschutz

Ein weiterer Kritikpunkt ist der geplante Investitionsschutz, der den Umweltschützern im Wege stehen könnte, so Bär: Unternehmen könnten auf dieser Grundlage Staaten auf Schadensersatz verklagen, wenn diese zum Beispiel Umweltauflagen verschärfen wollen. Unter anderen Abkommen ist das bereits Realität, zum Beispiel beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA: Ein Schiedsgericht verurteilte in den 1990er Jahren den mexikanischen Staat auf 15,6 Millionen US-Dollar Schadensersatz, weil er einer US-amerikanischen Firma die Betriebserlaubnis für eine Sondermülldeponie verweigerte.

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