Eine Sache im Kontext mit dem neuen BYD Sealion 7 lässt aufhorchen. Bemerkenswert häufig haben die Techniker unter die Motor-Exponate in der Ausstellung der einzelnen Fahrzeugkomponenten die Motordrehzahl geschrieben: Sie beträgt 23.000 Umdrehungen pro Minute. Dass dieser Umstand nicht ganz trivial ist, lässt sich auch an folgender technischen Spezifikation ablesen - der Sealion fährt laut Werk 215 km/h. Das ist für ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug schon ganz schön rasant, erst recht für ein chinesisches Fabrikat. Die Sache scheint klar, die chinesischen Hersteller wollen, dass ihre Produkte auch in Deutschland attraktiv gefunden werden, dem Markt nämlich, den viele Experten für den anspruchsvollsten der Welt halten.
So viel sei gespoilert: Bis BYD (Build Your Dreams) auf ein Qualitätslevel kommt, das anspruchsvolle hiesige Kunden überzeugen kann, müssen die Verantwortlichen noch ackern. Doch dazu später mehr. Nach dem Einstieg in den Sealion findet man sich erst einmal auf recht fein gepolsterten und anschmiegsamen Nappaledersesseln wieder. Könnten die passen für den nächsten Urlaub? Aber ja! Schwachpunkt innen ist eher das etwas wirre Menü auf dem riesigen Touchscreen. Du brauchst einfach länger, um dich in die komplexe Materie von Bedienung und Funktion einzuarbeiten. Dazu gehört übrigens auch das Ausschalten unangenehmer Assistenten, von denen der Sealion jede Menge hat. Da bringt es wenig, dass der Monitor drehbar ist.
Der Allrad-Sealion ist ein Dynamikbündel
Dafür ist der Getriebewählhebel in der Mittelkonsole klassisch gehalten, sodass intuitiv "D" reinflutscht. Und dann wird es spannend. Wie bewegen zwei Elektro-Kraftpakete mit kumulierter Leistung von 530 PS (218 PS vorn sowie 313 PS an der Hinterachse) den 2,4-Tonner? Dazu empfiehlt sich ein Blick auf den Modellschriftzug. Die "4.5S" auf dem Kofferraumdeckel ist keine Hubraum-Bezeichnung, wie man sich vielleicht denken kann. Sie besagt nämlich, dass der Sealion innerhalb von 4,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Interessanter Ansatz.
Aber klar, der Allradler legt schon wuchtig los, dieses Versprechen ist quasi in den Zahlen angelegt. Allerdings gibt es das Maximaldrehmoment von 690 Newtonmetern nicht auf einen Schlag, sondern die Elektronik modelliert selbst bei voller Last einen moderaten Anstieg. Fühlt sich angenehm an.
Aber ist der Sealion 7 deshalb ein Sportler? Nicht wirklich. Er macht einen eher komfortablen Eindruck. Und fahraktiv eingestellte Menschen dürften das Reise-Crossover als einen Tick zu synthetisch empfinden mit der leichtgängig-undefinierten Lenkung. Und so schön die Topspeed jenseits von 200 km/h auch ist, richtig wohl fühlt sich der BYD eher bis zu Geschwindigkeiten in der Größenordnung von 160 oder 170 km/h - was übrigens völlig reicht.
Beim Thema Batterietechnik ist BYD fit
Und da hier immerhin von BYD, dem Batteriekonzern, die Rede ist, bleibt die Frage, was für eine Art Stromspeicher überhaupt unter dem Blech steckt. Na klar, der moderne "Blade"-Akku. Das freilich ist eine Marketingbezeichnung, aber Kompetenz in Batterietechnologie kann man der Firma mit den zweitmeisten oder zeitweise sogar den am meisten global verkauften Elektrofahrzeugen kaum absprechen.
Im Sealion 7 kommt ein LFP-Speicher zum Einsatz, für den so manche Argumente sprechen. Der Verzicht von grundsätzlich umweltschädlichen Rohstoffen wie Kobalt und Nickel wäre eines. Geringe Kosten wäre ein weiteres. Und BYD versteht es darüber hinaus, die Zellen in kompakter Weise zu packen, was Platz spart.
Außerdem arbeiten die Chinesen mit sogenannter Cell-to-Body-Technologie, bei der die Zellen struktureller Bestandteil des Unterbaus sind. Dieses Prinzip ist nicht unumstritten, da eine Reparatur im Crashfall als teuer gilt.
BYD hat zur Fahrpräsentation ausschließlich die Version mit dem großen Akku mitgebracht - bedeutet 91 kWh. Und das wiederum bedeutet ordentlich Reichweite. Während der Testfahrt hat der Bordcomputer 334 Kilometer bei 66 Prozent Ladestand gezeigt. Was wiederum über 500 Kilometer Real-Reichweite heißt. Und ntv.de hat die beiden Triebwerke des 4,83 Meter langen Tourers während der Testfahrt nicht zu knapp gefordert.
Ob der Sealion 7 jetzt auch noch zügig lädt, muss sich in einem späteren Test erweisen. Das Datenblatt nennt jedenfalls 230 kW maximale Ladeleistung aus, das klingt schon mal nicht schlecht. Demnach soll die Batterie binnen 24 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladestand zu bekommen sein. Und sie lässt sich nicht nur mittels Antrieb wieder entladen, sondern der User kann externe Geräte von bis zu 3,3 kW Leistung an das Fahrzeug anschließen (Vehicle-to-Load-Technik).
Gegen Ende der Probefahrt haben sich noch ein paar abschließende Eindrücke ergeben, die als Anregung für das BYD-Management wertvoll sein könnten. Während das Außendesign des Sealion 7 schon ganz schön europäisch anmutet, präsentiert sich die Innenarchitektur für hiesige Verhältnisse eine Spur zu kitschig. Eine etwas harmonischere Geruchsnote innen müsste das Team noch hinbekommen. Es geht bei anderen Modellen doch auch.
Positiv dagegen die gut zugängliche Ladeschale mit 50 Watt Ladeleistung - aber warum die Lüftungsdüsen ästhetisch so unsensibel zur Schau stellen? Und bitte in Zukunft der Klimaautomatik ein bisschen mehr Feinschliff angedeihen lassen, die in ihrer Heizleistung ganz schön schwankt.
Dennoch ist dieser BYD unter dem Strich ein solides Angebot mit der Fähigkeit, durchaus auch Europäer im Allgemeinen und Deutsche im Besonderen zu überzeugen. Zudem ist er ein praktischer Typ mit einem maximalen Gepäckraumvolumen von knapp 1800 Litern.
Jetzt wäre der Preis noch spannend - den gibt BYD allerdings erst noch bekannt. Vielleicht wäre in diesem Zusammengang gut zu wissen, dass der Sealion 7 mit 313 PS und Heckantrieb einsteigt. Topspeed bleibt bei 215 km/h. In diesem Fall bietet der Akku bloß 82,5 kWh Kapazität und lädt dann mit maximal 150 kW. Immer noch mehr als genug. In wenigen Wochen geht es los mit dem Sealion 7. Mal sehen, ob er sich einen Platz im hiesigen Straßenbild erarbeitet.
Quelle: ntv.de
Tags: