Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sind für den heutigen Dienstag erste Gespräche zwischen deutschen Diplomaten und der neuen Führung in Damaskus geplant. "Dabei wird es um einen inklusiven Übergangsprozess in Syrien sowie den Schutz von Minderheiten gehen", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts.
Eine von der Islamistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) angeführte Allianz von Aufständischen hatte vergangene Woche den langjährigen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt, der inzwischen in Russland Asyl bekommen hat. In Syrien hat indessen eine von den siegreichen Rebellen eingesetzte Übergangsregierung ihre Arbeit aufgenommen und bereits erste diplomatische Kontakte ins Ausland geknüpft.
Die deutsche Delegation soll unter anderem auch Möglichkeiten einer diplomatischen Präsenz in Damaskus ausloten, so die Sprecherin des Auswärtigen Amts. Außerdem seien Treffen mit der syrischen Zivilgesellschaft sowie Vertretern christlicher Gemeinden geplant. Die Leitung der Syrien-Delegation übernimmt der Nah- und Mittelostbeauftragten des Auswärtigen Amts, Tobias Tunkel. Auch das Entwicklungsministerium (BMZ) schickt eine Vertreterin nach Damaskus.
Die syrischen Islamisten treten gemäßigt auf
"Syrien darf weder zum Spielball fremder Mächte, noch zum Experiment radikaler Kräfte werden. Wir wissen, wo die HTS herkommt und kennen ihre Ursprünge in der Al-Qaida-Ideologie", sagte die Sprecherin. Die HTS-Miliz ist ein Ableger der Al-Nusra-Front, einer Terrororganisation. Mittlerweile umfasst das Bündnis jedoch verschiedene Gruppierungen und hat sich nach eigenen Angaben vom Terrornetzwerk Al-Qaida und dem Islamischen Staat losgesagt.
Offiziell wird HTS in Großbritannien, der EU und den USA aber noch als Terrororganisation geführt. Die Aktivitäten der Gruppierung und der von ihr eingesetzten Übergangsregierung würden daher genau beobachtet, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. "Soweit man das überhaupt schon sagen kann, agieren sie bisher umsichtig. Wie unsere internationalen Partner werden wir sie an ihren Taten messen. Jede Zusammenarbeit setzt voraus, dass ethnische und religiöse Minderheiten geschützt und die Rechte von Frauen geachtet werden.
Briten gehen ebenfalls auf HTS zu
Auch die britische Regierung wagt bereits erste Schritte der Annäherung an die neue Führung in Damaskus. HTS bleibe zwar eine verbotene Organisation, sagte Großbritanniens Außenminister David Lammy der BBC und dem Sender Sky News. "Aber wir können diplomatischen Kontakt unterhalten."
Zuvor hatte die HTS-Führung ein Treffen zwischen dem Rebellenführer Ahmed al-Scharaa - auch bekannt unter seinem Kampfnamen Mohammed al-Dscholani - und britischen Diplomaten öffentlich gemacht. Al-Scharaa habe die Entwicklungen im Land als "Sieg des unterdrückten Volks über einen kriminellen Unterdrücker" bezeichnet, teilte HTS mit.
Nun müsse ein Rechtsstaat geschaffen werden, um Sicherheit im Land wiederherzustellen, hieß es weiter. Großbritannien komme dabei eine wichtige Rolle zu. Alle gegen Syrien verhängten Sanktionen müssten aufgehoben werden, damit geflüchtete Syrer aus Ländern weltweit wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. Auf Fotos des Treffens sind unter anderem die britische Sondergesandte für Syrien, Ann Snow, zusammen mit al-Scharaa zu sehen.
Quelle: ntv.de, lst/dpa/AFP
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