Porsche 911 Turbo - der Stärkste seiner Art

  22 Dezember 2024    Gelesen: 79
  Porsche 911 Turbo - der Stärkste seiner Art

Ein halbes Jahrhundert 911 Turbo feiert Porsche und nutzt das Jubiläum, um die spannendsten Preziosen noch einmal ausführen zu lassen. Unterwegs mit 930, 964 Turbo 3.6, 993 Turbo S und mit dem 992 Turbo S.

Witwenmacher wurde der 930 früher genannt, als reihenweise Elfer-Turbos im Graben landeten. Der Druck des 930 muss für damalige Zeiten bestialisch gewesen sein. Als man in Zuffenhausen 260 Pferdchen spazieren fahren durfte, waren die meisten Menschen hierzulande noch mit einem Fünftel der Leistung unterwegs. Doch der Turbo machte den Elfer nicht nur stark, sondern auch problematisch zu fahren: Erst kommt nichts, und wenn der Turbo plötzlich einsetzt, jenseits der 4000-Touren-Marke, kann der Punch kaum beherrscht werden. Vor allem bei Nässe und in Kurven sind die alten Turbos mit Vorsicht zu genießen.

Unser von Porsche zur Verfügung gestelltes 930-Testexemplar ist späteren Baujahres und gar mit 220 kW/300 PS ausgerüstet, hat 3,3 statt 3,0 Liter Hubraum. Und das bei gerade mal 1,3 Tonnen Leergewicht. Und wie fährt sich der früher feurigste Elfer im Vergleich etwa mit einem modernen Turbo? Ziemlich schwergängig, ehrlich gesagt. Servolenkung? Pfeift der Oldie-Elfer genauso drauf wie auf eine leichtgängige oder präzise Schaltung. Erst nach gut angewärmtem Öl lässt sich der Schalthebel halbwegs störungsfrei durch die Gassen schieben.

Emotion schlägt Fahrleistung

Und das wichtigste Element, der klangvolle Boxer im Heck? Benimmt sich aus heutiger Sicht eigentlich relativ brav - selbst wenn der Turbobumms einsetzt, schockt der 930 nicht mehr. Dieser Eindruck spiegelt sich auch in der Beschleunigungszeit von 5 Sekunden für den Standardsprint wider. Emotion schlägt Fahrleistung, muss man wohl sagen. Aber einen 930 zu bewegen, bedeutet eben auch richtig Arbeit. Selbst Bremsen und Kuppeln verlangt vollen Körpereinsatz. Und das macht dann schon wieder Spaß.

Umstieg in das nächste Modell. In diesem Fall in ein ziemlich rares. Wir entern einen 964 Turbo 3.6 mit 360 PS, von dem nicht einmal 1500 Exemplare entstanden sind. Im Vergleich zum 930 ist hier schon deutlich mehr Musik drin, und das ist nicht etwa akustisch gemeint. Der mit Antiblockiersystem, komplett überarbeitetem Fahrwerk und Servolenkung ausgerüstete Elfer ist zwar deutlich moderner als der 930, lässt sich aber kaum leichtgängiger bedienen. Dafür ist ungleich bissiger und als letzter Heckantrieb-Turbo auch noch einen Zacken biestiger.

Gerade in den Haarnadel-Kehren - wir fahren auf der Transfogaraschen Hochstraße in Rumänien - muss man aufpassen, den Dreipunktsechs nicht ganz so wild um die Ecken zu werfen. Sobald die digitale Ladedruckanzeige Zahlen größer Null anzeigt, was lange nicht passiert, dann in der Nähe von 4000 Umdrehungen umso plötzlicher, wird es brutal. Brutal ist allerdings auch der Blick auf die passend zum Außenlack komplett in gelbem Ton durchgefärbte Innenarchitektur inklusive Armaturentafel und Lenkrad. Das ist natürlich Geschmacksache, aber trotzdem mindestens anderthalb Nummern drüber.

Brutalste Variante - vom Antrieb her

Da kommt der silberne 993 Turbo S aus dem Museumsfuhrpark (331 kW/450 PS) zumindest in puncto Außen- und Innenfarbe deutlich moderater daher. Antriebstechnisch ist er allerdings die brutalste Variante unter den Elfer-Oldies. Außerdem sind dank Allradantrieb die Hemmungen fahrerseits nicht ganz so groß, auch mal mit etwas Lenkwinkel durchzuladen. Und der Druck ist hier einfach am intensivsten. Nach bloß wenig mehr als 4 Sekunden passiert die Tachonadel die 100-km/h-Marke. So ist das, wenn knapp 600 Newtonmeter auf 1,5 Tonnen treffen.

Wer 993 wählt, bekommt immer noch die klassische Innenarchitektur. Allerdings können die Vorwärts-Übersetzungen inzwischen sechs Mal gewechselt werden, und ein bisschen präziser sortieren lassen sie sich auch. Und immer noch hält Porsche den Drehzahlmesser für das wichtigste Messinstrument. Aber Achtung! Bitte auch hier nicht übertreiben, denn Rettungsanker à la ESP gibt es noch nicht. Wenn das Heck beginnt, zur Seite zu schwenken, hilft auch das berühmte Gegenlenken nicht immer.

Zum Abschluss der Tour durch die Walachei, und das ist hier durchaus wörtlich zu nehmen, hat Porsche seinen Gästen noch eine Runde 992 Turbo S verordnet, das bis dato schärfste Gerät aus der inzwischen 50-jährigen Turbo-Ahnenreihe. Und jetzt wird es interessant. Denn während der Elfer bis einschließlich Baureihe 993 immer auf der gleichen Basis mit 2,27 Metern Radstand aufbaut, besitzt der 992 bis auf den mittig angeordneten Drehzahlmesser und der groben Designrichtung keine technischen Gemeinsamkeiten mehr mit seinen Urahnen.

Jüngster Elfer-Turbo hat "Fett angesetzt"

Mit über 4,50 Längenmetern (2,46 Meter Radstand) ist der jüngste Elfer-Turbo ein richtig erwachsenes Auto geworden, wenn man bedenkt, dass die Luftgekühlten mit 4,25 Metern eher Kompaktwagenformat hatten. Und dass der 992 "Fett angesetzt" hat, merkt man ihm in der Tat an. Einerseits ist er den Oldies in den dynamischen Fähigkeiten haushoch überlegen, während man sich andererseits deutlich entkoppelter vom Straßengeschehen fühlt.

Längs- und Querdynamik sind beim aktuellen Turbo brachial, auf 100 Sachen etwa beschleunigt er in unter 3 Sekunden. Und den Grenzbereich des mit Hinterachslenkung ausgestatteten Super-Elfers kann man auf einer öffentlichen Straße legal gar nicht erfahren. Allerdings ist der mit schon ab 2500 Umdrehungen anliegenden 800 Newtonmetern nach vorn schiebende 650-PS-Brocken auch noch entspannter und komfortabler unterwegs als seine historischen Vorbilder.

Bleibt die Frage: Welchen nehmen? Das ist nicht nur eine Nutzungs-, sondern auch eine Preisfrage. Während brauchbare 930 in den einschlägigen Internetbörsen ab unter 100.000 Euro zu haben sind, gehen sowohl 964 wie auch 993 Turbo in Richtung 200.000 Euro. Und Turbo 3.6 wie Turbo S können auch schon mal für 500.000 Euro den Besitzer wechseln. Das sind dann in der Praxis leider eher Steh- statt Fahr-Zeuge, die in Sammelgaragen ihr Dasein fristen.

Gegen diese Preise wirkt dann selbst das 50-Jahre-Jubiläumsmodell des modernen 992 mit 274.000 Euro wie ein Schnäppchen. Und falls das auf 1.974 Exemplare limitierte Sondermodell nicht mehr zu bekommen ist: Die schon am Horizont aufscheinende zweite Serie des 992 Turbo wird bestimmt noch ein bisschen wilder in allen Performance-Disziplinen. Wahrscheinlich allerdings auch wieder mehr als ein bisschen teurer.

Quelle: ntv.de, Patrick Broich, s-px


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