Gäbe es eine Soap-Opera über die Luxuslabels im "Motor-Valley" der Emilia Romagna, wäre Maserati die Hauptrolle der ewigen Dramaqueen sicher. Im Dezember 1914 in Bologna als kleine Werkstatt vom kreativen Konstrukteur Alfieri Maserati gegründet und seit 1926 als Rennwagenspezialist etabliert, lieferte sich Maserati im Motorsport lange Zeit eine Dauerfehde mit Ferrari.
Den ersten Straßensportwagen vom Typ A6 ("Alfieri Sei Cilindri") präsentierte Maserati 1946, fast zeitgleich mit den frühen Streetracern aus Maranello. In ihrer Kombination aus Eleganz und Rasanz waren die Maserati der folgenden Jahrzehnte aber nicht zu übertreffen: Das ganze Alphabet italienischer Stardesigner von Allemano über Bertone, Frua, Gandini, Ghia, Giugiaro, Monterosa, Pinin Farina, Touring, Vignale bis Zagato karossierte die furiosen Sechszylinder und V8 der Marke mit dem Logo des Dreizacks. Modelle mit klangvollen Namen, die an starke Winde oder Rennkurse erinnerten, wie Mistral, Ghibli, Bora, Khamsin oder Sebring und Indy zählten zu den Top-Assen in jedem Traumwagenquartett.
Schnellster Viertürer und Staatskarosse
Und dann der Quattroporte, ab 1963 schnellster Viertürer der Welt - und einzigartige Staatskarosse. Nur Enzo Ferrari empfand den Quattroporte als Provokation, so wollte er in den 1980ern den italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini nicht empfangen, weil dieser im Maserati-Dienstwagen in Maranello vorfuhr. Keine Luxusmanufaktur ohne Drama: Maserati stolperte von einer Finanzkrise in die nächste, es gleicht einem Wunder, dass die Marke alle Besitzerwechsel überlebte. Heute ist Maserati eine von 19 Marken im Stellantis-Konzern - und erneut Objekt von Verkaufsspekulationen.
Dabei sollte es doch zum 110. Markenjubiläum mit Vollgas in die elektrische Zukunft gehen, mit Folgore (das italienische Wort für Blitz) und ohne V8-Donner. Als erste italienische Edelmarke im Vmax-Eldorado der Hügellandschaft um Bologna, Maranello und Modena kündigte Maserati eine Folgore genannte E-Version von jeder Modellreihe an: Der GranTurismo Folgore übernahm die Vorreiterrolle, und der Quattroporte Folgore soll 2028 den Schlusspunkt der Reise ins Elektrozeitalter setzen. Vollfette V8 und am Ende auch magere Vierzylinder-Verbrenner wie im mittelgroßen SUV Grecale sind Auslaufmodelle.
Aber können die batterieelektrischen Sturmspitzen Maserati zu einer volumenstarken Luxusmarke mit Motorsport-Ambitionen im Stellantis-Portfolio machen? Rückläufige Verkaufszahlen ausgerechnet im Geburtstagsjahr trübten die Festivitäten und veranlassten Stellantis zu einem Statement, in dem jede Verkaufsabsicht für Maserati negiert wurde.
Jahrzehnte voller Achterbahnfahrten
Also vorläufig doch kein weiterer Eigentümerwechsel für die legendäre Marke, die in den vergangenen 110 Jahren eine Achterbahnfahrt zwischen finanziellen Höhenflügen und katastrophalen Abstürzen erlebte. Warum Maserati bisher in allen maladen Situationen Käufer fand, erklärte der zwischenzeitliche Maserati-Eigner Alejandro de Tomaso einst so: "Niemand sticht stilvoller als der Tridente (Dreizack)".
Die eleganten Formen, wie sie den europäischen Geldadel und Konzernboss Henry Ford, aber auch Connaisseurs à la Opern-Superstar Luciano Pavarotti oder die Kristallglas-Dynastie Swarovski faszinierten, zählten jedoch erst zur Marken-DNA, nachdem die Gründerfamilie Maserati im Jahr 1937 an den italienischen Stahl-Industriellen Adolfo Orsi verkauft hatte und der Firmensitz 1940 von Bologna nach Modena gewechselt war.
Orsi engagierte 1953 den jungen Ingenieur Giulio Alfieri, dessen Genialität zu bahnbrechenden Motorenkonstruktionen führte, vom 1957 lancierten Sechszylindermodell 3500 GT über die V8 in 5000 GT, Quattroporte, Ghibli, Indy und Bora bis zum 1974 gestarteten Khamsin.
Eine Galerie schneller Gran Turismo, an denen Wettbewerber wie Ferrari, De Tomaso, Lamborghini oder Iso-Rivolta keine Freude hatten und die trotzdem nicht genügend Geld aufs Maserati-Konto einzahlten. So musste sich die Familie Orsi 1968 von Maserati trennen.
Citroen als neuer Eigentümer
Neuer Eigentümer wurde Citroen, denn die Franzosen wünschten sich für ihr Flaggschiffmodell SM einen Maserati-Motor. Die Verbindung Paris - Modena hielt sieben Jahre, dann suchte Citroen finanzielle Unterstützung bei Peugeot und am 22. Mai 1975 meldete Citroen den Konkurs des Officine Alfieri Maserati an.
Die weltweite Ölkrise hatte den Markt für Supersportwagen zusammenbrechen lassen. Retter in der Not waren dieses Mal das italienische Staatsunternehmen Gepi und der Supercarspezialist Alejandro de Tomaso, unter dessen Führung die Produktion von Khamsin, Merak und neuer Quattroporte-Generationen wieder anlief. Nur der Motorenmagier Giulio Alfieri wurde gefeuert, de Tomaso konnte nie akzeptieren, dass Alfieri nicht in seine Firma kommen wollte, als er ihn 1968 abwerben wollte.
So wie Neptun die Gewässer beherrscht
Bis 1975 hatte sich Giulio Alfieri als begnadeter Nachfolger des Firmenpatriarchen Alfieri Maserati erwiesen, der 1914 zuerst Flugzeug- und Automotoren durch neu entwickelte Zündkerzen leistungsfähiger machte. Das Geschäft florierte und so beschäftigte Alfieri Maserati bald zwei Brüder, Ettore und Ernesto, in seiner Firma. Im Jahr 1920 engagierte Alfieri einen weiteren Bruder: Mario Maserati kreierte das Markenzeichen - einen Dreizack, der sich am Neptun auf der Piazza Maggiore in Bologna orientierte. So wie Neptun die Gewässer beherrscht, sollte Maserati das Sportwagenfeld auf Straße und Strecke dominieren.
Im Jahr 1926 war es so weit: Gleich der erste Rennwagen mit Maserati-Logo und dem Typencode 26 gewann die 1,5-Liter-Klasse der Targa Florio. Ein Auftakt nach Maß für eine 30-jährige motorsportliche Dominanz der Marke, die aber auch tragische Opfer forderte: Gründer Alfieri Maserati starb 1932 an den Spätfolgen eines Rennunfalls, noch bevor seine Rennwagen über die deutschen Silberpfeile - und die Scuderia Ferrari-Siege in Serie erzielten. Auch Formel-1-Legende Juan Manuel Fangio wechselte 1957 von Ferrari auf Maserati und sicherte so seinen fünften WM-Titel.
Erzrivalen Ferrari und Maserati mussten kooperieren
Groß war der Schock bei allen Tifosi, als die Erzrivalen Ferrari und Maserati ab 1993 kooperieren mussten. Verordnet hatte diese Zusammenarbeit der Fiat-Konzern, der damals nach Ferrari auch Maserati in sein Imperium integrierte. Dabei sah in den 1980ern noch alles gut aus für Maserati: Der kompakte und in verschiedenen Karosserievarianten verkaufte Biturbo avancierte zum bis dahin meistverkauften Maserati-Modell.
Mit dem 3200 GT als erstem Maserati unter Fiat und mit Maranello-Motoren - manche Fans schrien entsetzt auf - und im 21. Jahrhundert mit neuen Quattroporte-Generationen sowie einer Ghibli-Limousine, aber auch Coupés, Cabrios und Crossover-Typen wie dem Levante fand Modena zurück in die Erfolgsspur. Sogar für Rennsport gab es genügend Budget. Firmengründer Alfieri Maserati hätte es gewiss gefallen - auch als seine Marke 2021 im neu gegründeten Stellantis-Konzern integriert wurde. Immerhin ist Maserati in diesem Mega-Marken-Konstrukt das einzige Luxuslabel. Was noch fehlt, ist ein vollelektrischer Folgore, der auch Verbrenner-Tifosi in Ekstase und Kaufrausch versetzt.
Chronik
1914: In der Via Pepoli 1A Bologna im Stadtteil Pontevecchio wird am 1. Dezember die "Officine Alfieri Maserati SA" gegründet. Gründer Alfieri Maserati beschäftigt auch zwei seiner Brüder, Ettore und Ernesto, die sich u.a. mit der Entwicklung und Produktion von Zündkerzen beschäftigt
1915: Alfieri Maserati wird von der Armee eingezogen und entwickelt in Mailand Zündkerzen für Flugzeugmotoren. Die Produktion erfolgt wenig später in der neuen Firma Trucco & Maserati. Trucco ist ein alter Freund von Alfieri, den er 1908 kennenlernte, als beide Ingenieure für den Sportwagenhersteller Isotta-Fraschini arbeiteten
1918: Italiens Nationalheld, der Dichter Gabriele d'Annunzio, startet mit einem SVA-Flugzeug, in dem Alfieris patentierte Zündkerzen eingesetzt werden, zu einem Flug nach Wien
1920: Alfieri Maserati engagiert sich im Motorsport und beginnt mit der Entwicklung eigener Fahrzeuge. Sein Bruder Mario Maserati entwirft das Unternehmenslogo mit dem Dreizack
1921: Am 24. Juli debütiert die von Alfieri Maserati realisierte Eigenentwicklung Isotta-Fraschini Speciale auf dem Circuito del Mugello. Angetrieben wird der Rennwagen von einem halbierten Hispano-Suiza-V8-Flugmotor
1922: Alfiero Maserati startet eine Kooperation mit dem Sport- und Rennwagenbauer Diatto. Alfieri Maserati gewinnt, teils mit seinem Bruder Ernesto als Co-Pilot, mehrere große Motorsportsportveranstaltungen
1925: Der Sportwagenbauer Diatto gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Mit finanzieller Unterstützung des Rennfahrers Marchese Diego de Sterlich, der bis dahin auf Diatto startete, erwirbt Alfieri Maserati eine Serie an Chassis des Typs Diatto 30 Sport. Diese Chassis liefern die Basis für die erste Serie an Maserati-Rennwagen
1926: Als erstes Maserati-Modell wird der Tipo 26 vorgestellt. Die Typenbezeichnung bezieht sich auf das Jahr seines ersten Renneinsatzes. Tatsächlich gewinnt der Tipo 26 auf Anhieb die 1,5-Liter-Klasse der Targa Florio
1927: Am 8. Mai verliert Alfieri Maserati bei einem Rennunfall in Sizilien eine Niere
1929: Mit dem 16-Zylinder-Typ Maserati V4 erzielt Maserati am 28. September einen ersten Geschwindigkeitsweltrekord
1930: In Tripolis gewinnt Maserati seinen ersten internationalen Grand Prix. Beim Großen Preis von Italien in Monza tritt Maserati erstmals gegen Ferrari an
1932: Alfieri Maserati stirbt im Alter von 44 Jahren an den Spätfolgen des Rennunfalls in Sizilien. Das Unternehmen wird von seinen Brüdern Ernesto, Ettore und Bindo fortgeführt
1933: Der erfolgreiche Rennfahrer Tazio Nuvolari verlässt Ferrari und startet auf Maserati
1937: Der italienische Großindustrielle Adolfo Orsi übernimmt alle Geschäftsanteile von den drei Maserati-Brüdern, die jedoch weiterhin im Unternehmen arbeiten
1939: Maserati gewinnt in Indianapolis
1940: Der Stammsitz von Maserati wechselt von Bologna nach Modena. Das Unternehmen baut inzwischen auch Lastwagen mit Elektroantrieb
1946: Der Prototyp des ersten reinen Straßenfahrzeugs, der Maserati A6, wird präsentiert
1947: Auf dem Genfer Automobilsalon debütiert im März der A6 Gran Turismo mit einer Karosserie von Pinin Farina. Insgesamt werden 61 Einheiten des Modells produziert
1948: Die drei Maserati-Brüder verlassen zwischenzeitlich das Unternehmen, kehren nach Bologna zurück und gründen den Rennwagenhersteller Osca
1950: Als Nachfolger des A6 1500 debütiert der A6G 2000, das "A" steht für Alfieri, das "G" für Ghisa (Gusseisen-Motorenblöcke) und "6" für die Zahl der Zylinder. Pininfarina baut neun Fastback-Coupés, Frua in Turin fünf Cabrios und ein Coupé, Vignale ein Coupé im Design von Giovanni Michelotti
1957: Juan Manuel Fangio gewinnt seine fünfte Formel-1-Weltmeisterschaft auf Maserati. Für Maserati ist dies der Höhepunkt des Engagements in der Formel 1. Anschließend zieht sich Maserati vorübergehend aus dem Motorsport zurück. Als erster Straßensportwagen in größerer Serie wird der Maserati 3500 GT mit einer Alu-Karosserie plus Stahlrohrrahmen (Patent Superleggera) von Touring eingeführt. Der Sechszylinder war eine Weiterentwicklung des Motors aus dem Rennwagen 350 S von 1956
1959: Scheibenbremsen sind optional für den 3500 GT verfügbar. Vignale entwickelt eine Spider-Version des 3500 GT, von der 250 Einheiten verkauft werden. Der Maserati 5000 GT debütiert mit einem V8-Motor, der aus dem Rennwagen 450 S stammt, mit dem Juan Manuel Fangio und Jean Behra 1957 die 12 Stunden von Sebring gewannen. Die Karosserien der insgesamt nur 34 gebauten Maserati 5000 GT stammen von Allemano, Bertone, Frua, Ghia, Monterosa, Pinin Farina, Touring und Vignale.
1961: Neu ist der Maserati 3500 GTI mit damals noch innovativer Benzindirekteinspritzung
1963: Der Maserati Sebring geht in Serie als Weiterentwicklung des 3500 GT, bis 1969 werden in zwei Serien 598 Einheiten verkauft. Zu den prominenten Sebring-Käufern zählen Luciano Pavarotti und Adrian Swarovski (Kristallglas-Unternehmer). Auf dem Turiner Salon debütieren gleichzeitig die Modelle Maserati Mistral und Maserati Quattroporte. Der Quattroporte gilt als schnellste viertürige Serienlimousine der Welt, der Mistral begründet die Maserati-Tradition Modelle nach Winden zu benennen
1964: Serienstart des Maserati Mistral mit Türen, Motorhaube und Heckscheibenrahmen aus Aluminium
1965: Mit dem Gran Turismo Mexico legt Maserati einen Schwerpunkt auf Modelle mit V8-Motoren. Zuvor sorgte bereits der Maserati 5000 GT für Aufsehen
1966: Der von Giorgetto Giugiaro gezeichnete Ghibli wird vorgestellt
1968: Der Industrielle Orsi verkauft Maserati an Citroen
1969: Zwischen Ghibli und Mexico wird der neue Maserati Indy platziert, dies mit Vignale-Design
1970: Auf dem Genfer Salon debütiert der Citroen SM mit Maserati-Motor
1971: Vorstellung des Maserati Bora im Giugiaro-Design, als erster Maserati mit Mittelmotor-Layout. Ingenieur Giulio Alfieri nutzt dabei seine mit dem Birdcage Tipo 63/65 gewonnene Expertise. Zugleich debütiert der Bora als erster Serien-Maserati in der Citroen-Ägide
1974: Der Khamsin wird als Nachfolger des Ghibli präsentiert. Citroen gerät finanziell in Schieflage, die Übernahme durch Peugeot wird eingeleitet
1975: Citroen meldet den Konkurs von Maserati an. Das italienische Staatsunternehmen Gepi und der Automobilkonstrukteur Alejandro de Tomaso übernehmen Maserati
1981: Die Sechszylinder-Typen der Maserati-Biturbo-Familie werden eingeführt
1984: Maserati und Chrysler kooperieren, allerdings wenig erfolgreich. So scheitert das Gemeinschaftsmodell Chrysler TC am Markt
1993: Maserati wird von Fiat übernommen
1997: Das Werk in Modena wird vorübergehend stillgelegt und mit neuen Maschinen ausgestattet. Derweil müssen die Maserati-Mitarbeiter bei Ferrari in Maranello arbeiten
1998: Als erster Maserati der neuen Ära fährt das Coupé Maserati 3200 GT an den Start, dies mit einem in Maranello gefertigten Motor
2001: Maserati meldet sich auf dem weltweit größten Markt für Luxusautos, den USA, zurück
2004: Rückkehr auf die Rennstrecken, u.a. mit dem Supersportwagen Maserati MC12, der abgeleitet wurde von einer Ferrari-Konstruktion
2013: Mit der Limousine Ghibli geht der erste Maserati mit Dieselmotor in Serie, der Quattroporte wird in sechster Generation aufgelegt
2014: Auf dem Genfer Salon enthüllt Maserati die Studie Alfieri Maserati als Hommage zum 100. Unternehmensjubiläum
2016: Der Maserati Levante wird als erstes SUV der Marke vorgestellt und bis 2024 gebaut
2020: Der Mittelmotorsportwagen Maserati MC20 debütiert mit 463 kW/630 PS Leistung
2022: Als zweites SUV der Marke startet der Maserati Grecale, dies mit Vierzylindern und einem V6, im Folgejahr startet die Auslieferung des vollelektrischen Grecale Folgore
2023: In zweiter Generation wird das Sportcoupé Maserati GranTurismo aufgelegt, auch als elektrischer GranTurismo Folgore im Angebot. Ebenfalls in Neuauflage debütiert das GranCabrio, ab 2024 zusätzlich als vollelektrisches GranCabrio Folgore
2024: Maserati feiert am 1. Dezember seinen 110. Gründungstag. In den ersten zehn Monaten des Jahres gingen die Absatzzahlen des Unternehmens um 60 Prozent zurück. Neuen Schub sollen die vollelektrischen Typen bringen
Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x
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