Sieben Meter lange Stretch-Limousine, Eskorte und viel Tamtam: Fährt der US-Präsident mit seinem Cadillac One vor, im Volksmund "The Beast" genannt, ist richtig was geboten. Da gibt man sich in Deutschland bescheidener, zumindest was die Außenwirkung angeht. Die offizielle Staatskarosse stammt von Mercedes und sieht aus wie jede andere S-Klasse, hat's aber in sich.
Natürlich handelt es sich beim S 680 Guard nicht um ein normales Auto. Vielmehr ist sie eher ein rollender Safe, der seine kostbare Fracht - beispielsweise Staatschefs oder Mitglieder von Königshäusern - sicher ans Ziel bringt. Deshalb wiegt die gepanzerte S-Klasse auch gut 4,2 Tonnen und damit rund 1,5 Tonnen mehr als sein ziviles Pendant. Fast 15 Zentimeter dickes Panzerglas schützt alle Fenster, mehrere Zentimeter dicke Platten aus gehärtetem Spezialstahl umschließen die selbsttragende Fahrgast-Schutzzelle rundum, auch am Dach und am Boden. Wie ein Kleid ist die Aluminiumkarosserie über den kugelsicheren Panzer gestülpt.
Die Türen wiegen 240 Kilo
Jede Tür wiegt 240 Kilogramm. E-Motoren helfen beim Öffnen und Schließen und sorgen dafür, dass die schweren Türen auch am Hang in ihrer Position bleiben. Außerdem haben die Personenschützer so immer eine Hand frei, beispielsweise für den schnellen Griff zur Waffe. Mercedes ist der einzige Hersteller weltweit, dessen Schutzfahrzeuge in allen Bereichen die höchste zivile Sicherheitsnorm VR10 erfüllen, erklärt Sasa Zejnic, Marketingleiter für die Guard-Modelle. Alles darüber hinaus entspräche militärischen Standards.
Alle Materialien werden vom Beschussamt in Ulm getestet. Dessen Experten beschießen die Muster mit allen möglichen Waffen. Um das begehrte Sicherheitszertifikat zu bekommen, muss der Wagen die von vielen Staaten gemeinsam erstellten Richtlinien der VPAM (Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen) erfüllen und beispielsweise Schüssen von Scharfschützen oder auch einem Sprengstoffanschlag standhalten.
Das gilt nicht nur für Karosserie oder Fenster, sondern auch für die Reifen. Ein dickes Stahlgürtelgeflecht sowie ein Hartgummikern stellen sicher, dass der Wagen selbst mit platten Reifen noch fit für die Flucht nach vorne ist. 30 Kilometer mit bis zu 80 km/h sind im Notfall drin.
Die Fenster - "technisches Meisterwerk"
Trotz der dick gepanzerten Karosserie sind die Innenmaße identisch mit denen einer herkömmlichen S-Klasse. Lediglich die Fenster ragen ein wenig weiter in den Innenraum. Auf die ist Zejnic besonders stolz. "Ein technisches Meisterwerk", sagt er. "Trotz der leichten Wölbung und der Dicke des Glases kann man hervorragend hindurchsehen."
Das komplette Auto ist dafür konzipiert, seine Insassen in allen Situationen zu schützen. Entdecken Sensoren einen Gasangriff, verriegeln sofort die Lüftungsklappen. Gleichzeitig wird aus einer Flasche Luft in den Innenraum gepumpt, um einen Überdruck zu erzeugen. Wie in den James-Bond-Autos ist neben dem Fahrersitz ein ganzes Sammelsurium an zusätzlichen Druckschaltern montiert. Damit lässt sich beispielsweise Löschmittel unter dem Boden versprühen, eine Außensprechanlage aktivieren oder ein Umgebungsmikrofon einschalten, um zu hören, was rund ums Auto vor sich geht. Denn wegen der Panzerung dringen praktisch keine Geräusche ins Wageninnere.
Fahrgefühl und Komfort wie im Serienmodell
S-Klasse und S-Guard-Modelle wurden parallel entwickelt. Ziel war, den Passagieren im gepanzerten Modell das gleiche Fahrgefühl und den gleichen Komfort zu bieten wie im Serienmodell. Und die gleiche passive Sicherheit, beispielsweise bei einem Unfall. Deshalb entsprechen Vorbau und Heck samt Kofferraum der Serie, sind also nicht gepanzert. Nur so funktionieren sie bei einem Aufprall als Knautschzone.
Wer aber kauft so ein Hochsicherheitsfahrzeug? "Generell könnte jeder eine S-Klasse Guard bestellen", sagt Zejnic. "Aber natürlich prüfen wir genau, wer in diesem Fahrzeug sitzt, und wir müssen Embargolisten erfüllen." Königshäuser, Bundesbehörden - Zejnic gibt sich bedeckt, was die Kunden und auch was den Preis angeht, der schon in der Basisausstattung bei über 500.000 Euro liegt.
Fakt sei: Jeder habe andere Anforderungen, die Mercedes umzusetzen versucht. Soll der Guard beispielsweise als Behördenfahrzeug eingesetzt werden, muss in die Alukarosse eine Stahlplatte eingesetzt werden, damit der Magnet des Blaulichts hält. Sechs Monate Lieferzeit sind deshalb normal.
Muss es schneller gehen, hat Mercedes einige Fahrzeuge im Pool. Bei Bedarf werden sie vermietet wie beispielsweise beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg.
Unter der Motorhaube sitzt der gleiche 612-PS-Motor wie im Maybach-Modell der S-Klasse. Noch, denn Euro 7 könnte das Aus für den V12 bedeuten. Angesichts des Gewichts und auch wegen der sensiblen Batterie, die man zusätzlich schützen müsste, erübrigt sich aber die Frage nach einem künftigen Guard-Modell mit E-Antrieb.
Quelle: ntv.de, Hanno Boblenz, sp-x
Tags: