Polestar 2 im fünften Jahr - eher mittel oder noch klasse?

  21 Januar 2025    Gelesen: 89
  Polestar 2 im fünften Jahr - eher mittel oder noch klasse?

Ganz zaghaft entwickelt die Marke Polestar so etwas wie eine Modellpalette mit den Baureihen 3 und 4. Doch auch der Polestar 2 hat sich weiterentwickelt, was ntv.de dazu bewog, ihm noch einmal auf den Zahn zu fühlen.

Polestar hat mittlerweile einen weiten Weg zurückgelegt vom 1996 gegründeten Tuner zur properen Automarke. Nur krankte es bisher an einer nennenswerten Modellpalette; allein der Polestar 2 musste die Marke bisher in Betrieb halten, da die Bedeutung des Polestar 1 auf jene eines exklusiven Sammlerfahrzeugs beschränkt blieb.

Inzwischen sind zwei weitere Offerten im Markt, um das Volumen des Labels hochzufahren; allerdings hat Polestar sein Mitte 2020 eingeführtes Urmodell 2 auch nicht so gelassen, wie es damals auf den Markt kam. Vor allem haben die Techniker den Antriebsstrang überarbeitet und mit der Hilfe eines neuen Antriebslayouts (neues Aggregat sowie Hinterradantrieb) mehr Effizienz geschaffen. Die Varianten mit Allradantrieb - wie hier besprochen - erhalten die Möglichkeit, das vordere Triebwerk abzukoppeln bei ausbleibender Lastanforderung.

Ein Handicap dieser Mittelklasse ist nach wie vor der Einsatz eines 400-Volt-Bordnetzes. Damit steht sie zwar nicht allein da, allerdings muss das Laden schneller werden, wenn die Elektromobilität kundenseitig an Fahrt aufnehmen soll. Es macht eben einen Unterschied, ob du 28 Minuten oder bloß 18 Minuten am Lader verbringst, um beispielsweise von 10 auf 80 Prozent zu laden. Ersteren Wert gibt der Hersteller für die Polestar-2-Variante mit 82 kWh großer Batterie an. Eine insbesondere bei kalter Witterung optimistische Einschätzung.

Und in diesem Kontext die Bitte an die Polestar-Techniker, doch künftig unbedingt eine manuelle Batteriekonditionierung anzubieten. Zwar wird der Akku durchaus auf Wohlfühltemperatur gebracht, aber eben nur mit entsprechender Ladeplanung. Nicht jeder User möchte aber Ladeplanung automatisiert betreiben angesichts immer mehr aufploppender - womöglich persönlich präferierter - Lademarken sowie Ladeplätze. Auch wenn man immer besser filtern kann, funktioniert die automatisierte Planung nicht immer wie gewünscht.

Mit kaltem Akku lädt es sich zäh

Abgesehen davon muss der Nutzer berücksichtigen, dass ein großer und über Nacht bei Bedingungen um den Gefrierpunkt ausgekühlter Akku locker mal eine halbe Stunde oder etwas mehr konditioniert werden muss, bis er sich im optimalen Temperaturbereich befindet. Eine eingefrorene Batterie kann auch mal 50 Minuten brauchen bis zum Erreichen der 80-Prozent-Marke. Wer sich der Ladebedingungen bewusst ist, kann mit dem Polestar 2 viel Spaß erleben. Vor allem, wenn es sich um die Ausbaustufe mit zwei Motoren und Performance-Paket handelt, wie beim Testwagen der Fall.

Dann heißt es, gut, und zwar ziemlich gut festhalten, denn der Allradler rennt ziemlich ungestüm nach vorn (4,2 Sekunden bis 100 km/h) und erreicht für Elektroautoverhältnisse zügige 205 Sachen. Allerdings entsteht nicht der Eindruck, die Fahrwerker hätten ihr Chassis nicht im Griff. Oder dass es der Leistung nicht gewachsen sein könnte. Traktionsprobleme kennt der Schwede nicht. Und eine dezent sportliche Abstimmung lässt das Powerpaket (476 PS und 740 Newtonmeter) mit den zum Performance-Paket gehörenden 20-Zöllern zwar etwas trockener über kurze Fugen rollen, allerdings reicht der Gesamtkomfort immer noch für ein glückliches Zusammenleben, das mehr als eine Stunde währt. Ein wahrer Sportler ist der Polestar 2 freilich sowieso nicht, zu undefiniert seine Lenkung, zu ungünstig sein Schwerpunkt (1,47 Meter Höhe).

Die Polestar-Qualität geht in Ordnung

Aber der Schwede ist sichtlich ein Qualitätsprodukt, jedenfalls was das Interieur und dessen Finish angeht. Allein schon, wenn du den Getriebewählhebel in der Hand hast, spürst du eine gewisse Solidität. Generell wirkt die Architektur wertig, nichts klappert oder knarzt - Punkt für Polestar. Allerdings nagt so langsam dann doch der Zahn der Zeit am Polestar-Innenraum.

Ja, das androidbasierte Menü auf dem großen Screen lässt sich einfach und intuitiv beherrschen. Doch wo bleibt das Head-up-Display? Hier muss die Marke passen. Und auch das klassisch gehaltene Layout des Kombiinstrumentes passt architektonisch nicht mehr in die Zeit, auch dann nicht, wenn TFT-Technologie verbaut wird. Viel zu konfigurieren gibt es an der Erscheinungsoberfläche indes nicht, eine verpasste Chance.

Am Ende ist der 4,61 Meter lange Ur-Polestar selbst nach beinahe fünf Jahren noch ein cooler Tourer mit seiner noch immer erfrischend anderen Karosserieform (Limousinen-Crossover). Und als Langstreckler taugt der Zweitonner ebenfalls, ist er doch recht geräumig. Vorn sowieso, und hinten sitzt man auch ganz ordentlich, obwohl der Mittelklässler mit 2,74 Metern kein Radstandmonster ist. Und kein Ladevolumenmonster angesichts maximal rund 1100 Litern. Dafür schluckt das Abteil bei aufgestellter Rücksitzlehne über 400 Liter, genug also, um Taschen für einen ausgedehnten Trip unterzubringen.

Um sich der (sehr theoretischen) WLTP-Reichweite von 568 Kilometern ein bisschen weiter anzunähern, wäre das 1000 Euro teure "Klima-Paket" empfehlenswert inklusive Wärmepumpe. Pixel-LED-Scheinwerfer (1200 Euro) und Adaptivtempomat (1000 Euro) sollten noch an Bord. Der Grundpreis von 63.490 Euro klingt zwar keineswegs niedrig, scheint aber gerechtfertigt angesichts eines solch leistungsfähigen Gefährts.

Allerdings muss der Hersteller auf der Hut sein und seinen Mittelklässler auch in Zukunft modern halten, denn das Interesse am Polestar 2 hat im Jahr 2024 bereits nachgelassen. Statt 6000 Fahrzeuge wie 2023 wurden bloß noch etwas mehr als 2000 Exemplare zugelassen hierzulande. Immerhin hat die Kundschaft inzwischen die Auswahl zwischen mehreren Modellen. Und in Zukunft werden es noch mehr Baureihen. Polestar verfügt eben mittlerweile über so etwas wie eine Modellpalette.

Quelle: ntv.de


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