Der weltgrößte Autohersteller war beim Thema E-Mobilität lange Zeit sehr zögerlich. Toyotas ersten Stromer merkt man die Unentschlossenheit immer noch an: Guten Ansätzen stehen einige lästige Schwächen gegenüber. Eine Empfehlung ist das große SUV so nur für einen beschränkten Kundenkreis.
Beim Thema E-Mobilität wähnte sich Toyota lange Zeit nicht unter Druck: Dank der sparsamen Hybride kamen die Japaner zunächst weder in den USA noch in der EU in Konflikt mit staatlichen CO2-Limits. Und mit der Wasserstoff-Brennstoffzelle hatte man außerdem eine ebenfalls lokal komplett emissionsfreie Antriebstechnik in der Hinterhand.
BEV von Toyota deutlich später als die Konkurrenz
Entsprechend gering war in Toyota City lange Zeit die Begeisterung für das teure Batterie-Elektroauto. Erst 2022 kam mit dem bZ4X das erste echte Serienmodell mit der Technik auf den Markt - zwei Jahre später als der Wettbewerber VW ID.4, der ebenfalls kein Frühstarter war. Auf den stärksten Konkurrenten, das Tesla Model Y, verlor Toyota sogar vier Jahre.
Trotz der langen Wartezeit kann sich der bZ4X technisch kaum positiv abheben. Immerhin: Die Batterie-Garantie lässt sich (unter anderem durch regelmäßige Wartung beim Vertragspartner) auf eine Million Kilometer verlängern, Wasserkühlung und Wärmepumpe sind Standard. Bei den Kern-Kriterien Reichweite (bis zu 513 Kilometer) und Ladegeschwindigkeit (bis 150 kW) bieten die Japaner aber selbst auf dem Papier allenfalls Durchschnitt für das gehobene SUV-Segment. In der Praxis fällt das Fazit sogar eher schlechter aus.
Echtes Reise-SUV ist der Toyota-Stromer nicht
Vor allem am Schnelllader brauchen Fahrer Geduld; nur unter Idealbedingungen erreichte die Ladeleistung zumindest zeitweise Werte oberhalb von 100 kW. Häufig waren es auch nur mittlere zweistellige Werte. Als Langstreckenauto taugt der Crossover somit nur bedingt.
Das geringe Tempo dürfte vor allem Software-Gründe haben: Toyota bremst offenbar das potenziell batterieschädigende Schnellladen über das Batteriemanagementsystem vorsichtshalber stark ein, um die in der Garantie versprochene Haltbarkeit (70 Prozent SoH) sicher zu erreichen. Das ist deutlich mehr als bei der Konkurrenz, nutzt einem aber nachts und im Regen am Schnelllader wenig. Möglicherweise können die Japaner aber künftig per Software-Update nachbessern.
Mit einer höheren Ladeleistung ließe sich auch die nicht eben üppige Praxis-Reichweite verbessern. Wir kamen bei mäßig winterlichen Temperaturen und regelmäßiger Autobahnfahrt mit dem Testwagen (Frontantrieb) nie deutlich über die 300-Kilometer-Grenze.
Und noch ein Punkt erschwert einem den Reisealltag mit dem bZ4X: Das Bord-Infotainmentsystem bietet wenig Elektrofahrer-Nutzwert. So fehlt sowohl eine taugliche Routenplanung im Navi als auch ein Feedback-Display während des Ladevorgangs. Füllstand und verbleibende Zeit muss man im Zweifel über die App seines E-Mobilitätsproviders erfragen oder die Zündung einschalten.
Trister Innenraum, aber gute Verarbeitung
Nichts mit dem Antrieb zu tun hat eine andere Schwäche des Toyota-Stromers: der äußerst trostlose Innenraum. Großflächig in Grau gehalten, mit viel hartem Plastik, empfindlichem Pianolack-Imitat und komplett fehlender nächtlicher Ambiente-Beleuchtung wirkt er, als hätten die Designer am Ende einfach die Lust verloren. Ein Handschuhfach haben sie sich dann auch gleich gespart - Kleinkram und Papiere müssen in die wuchtige Mittelkonsole. Die Verarbeitung immerhin liegt auf gewohnt hohem Toyota-Niveau.
Der stiefmütterliche Umgang mit dem neuen Antrieb und seinen speziellen Anforderungen ist schade, denn in vielerlei Hinsicht ist der Toyota ein gutes Auto, das seinem ungleich populäreren Verbrenner-Pendant RAV4 bei Komfort, Platzangebot und Verarbeitung kaum nachsteht.
Hervorzuheben sind der große und gut nutzbare Kofferraum, die grundsätzlich eingängige Bedienung, das sehr gute Platzangebot in Reihe eins und die ansprechenden Fahrleistungen des leisen und druckvollen E-Antriebs. Die Ausstattung kann sich sehen lassen, schon im Basismodell "Comfort" (ab 43.000 Euro mit Frontantrieb, Allrad: 50.500 Euro) ist das Angebot an Sicherheitsassistenten nahezu komplett, die übrige Ausstattung zumindest ordentlich. Ein paar in dieser Preis- und Fahrzeugklasse interessante Extras (elektrische Heckklappe, Matrix-LED-Licht und Sitzheizung) gibt es aber erst im "Teamplayer"-Modell für mindestens 47.500 Euro.
Toyotas erstes E-Auto startet in einem gut gefüllten Segment. Die Konkurrenz in Form von Tesla, VW, Ford Mustang Mach-E, Hyundai Ioniq5, Kia EV6 und vielen anderen ist zahlreich und stark, bietet meist mehr Reichweite und bessere Ladeleistungen - bei niedrigeren Preisen.
Die Japaner können dem nicht viel mehr als die optional lange Batterie-Garantie und die umfangreiche Ausstattung entgegensetzen. Fans der Marke mit ausgeprägten Sicherheits- und Zuverlässigkeits-Ansprüchen können einen Blick riskieren. Alle anderen warten wohl besser auf die neue Generation von Toyota-Stromern.
Toyota bZ4X - technische Daten
Mittelklasse-SUV
Länge: 4,69 Meter, Breite: 1,86 Meter, Höhe: 1,60 Meter, Radstand: 2,85 Meter, Kofferraumvolumen: 452 Liter
ein Drehstromsynchronmotor, Leistung: 150 kW/204 PS, max. Drehmoment 265 Nm, einstufiges Reduktionsgetriebe, Vorderradantrieb, Batteriekapazität: 71,4 kWh
Reichweite: 442-513 km, Ladeleistung: AC 11 kW, DC 150 kW, Vmax: 160 km/h, 0-100 km/h: 7,5 s, Durchschnittsverbrauch: 14,4 bis 16,7 kWh/100 km, CO2-Ausstoß: 0 g/km, Testverbrauch: 21 kWh/100 km
Preise: ab: 42.900 Euro
Quelle: ntv.de, Holger Holzer, sp-x
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