Guide Michelin - von der Reisehilfe für Autofahrer zum Gastroführer

  09 Februar 2025    Gelesen: 153
  Guide Michelin - von der Reisehilfe für Autofahrer zum Gastroführer

Ursprünglich ging es dem Guide Michelin um handfeste Reise-Tipps für Automobilisten und Radler auf Tour. Heute - und schon seit Längerem - weist das ehemals rote Buch als App Feinschmeckern den Weg zu kulinarischen Hochgenüssen.

550 Kilometer trennen Frankfurt und Salzburg. Eine Strecke, für die man mit dem Flugzeug eine gute Stunde braucht. Alternativ könnte man auch die Bahn nehmen. Doch das Risiko, zumindest auf deutscher Seite irgendwo zu stranden und nach acht oder neun statt sechs Stunden anzukommen, mögen wir nicht eingehen.

Also wählen wir das Auto, in diesem Fall einen gediegenen und geräumigen SUV von DS: Schließlich fahren wir zur Verleihung der österreichischen Michelin-Sterne. Was passt da besser als ein stilvoller Wagen der französischen Marke? Rasch ziehen nach der Abfahrt von der deutschen Michelin-Zentrale am Frankfurter Flughafen die Ausfahrten Aschaffenburg, Würzburg und Nürnberg vorbei.

Erster Guide Michelin im Jahr 1900

Wie die Reise wohl vor 100 Jahren verlaufen wäre oder noch früher im Jahr 1900, als Michelin in Frankreich den ersten Guide herausbrachte? Damals war das rote Büchlein noch kein Gastroführer mit Restaurant- und Hotelempfehlungen. Vielmehr richtete es sich an die 2400 französischen Autofahrer sowie die Fahrradtouristen, die unterwegs Pannenhilfe benötigten, ihre Batterien nachladen oder Benzin tanken mussten.

Reisen war aufwändig, zumal mit dem Auto. Der kostbare Sprit wurde in Depots gelagert, Straßen und Wege waren für Pferdekutschen ausgelegt und entsprechend holprig. Da waren Radfahrer und Automobilisten froh, wenn ihre Gefährte auf den von den Brüdern Michelin eben erst erfundenen, aufblasbaren Luftreifen rollten. Und vor allem: Wenn sie nachschlagen konnten, wo sie einen der nicht eben seltenen "Platten" reparieren lassen konnten.

Erste Übernachtungs-Adressen ab 1923

Mit der Motorisierung des Verkehrs entstanden immer mehr Tankstellen und Werkstätten, und die Interessen der Reisenden wandelten sich. Wo kann man komfortabel übernachten, wo zumindest schlafen? Es dauerte aber noch bis 1923, bis der Guide Michelin auch solche Adressen aufnahm und den Grundstein zum Erfolg des roten Nachschlagewerks legte. Ohne Straßenkarten und ohne Guide Michelin in Frankreich auf Tour gehen? Fast undenkbar.

Heute sucht man den roten Führer vergebens im Buchhandel. Seit einigen Jahren wird der Guide nicht mehr gedruckt. Vielmehr finden sich alle Adressen und Beschreibungen in einer kostenlosen App, was angesichts der immer kleiner werdenden Handschuhfächer moderner Autos sicher seine Berechtigung hat.

340 Sternetempel in Deutschland im Jahr 2024

Der DS rauscht staufrei gen Süden, vorbei an den vielen Sternetempeln links und rechts der Autobahn. 2024 haben sich in Deutschland 340 Restaurants einen oder mehrere Sterne erkocht, 10 wurden sogar mit drei Sternen gekrönt. Einmal dort zu speisen, dürfte aber für das Gros der Bevölkerung ein unerfüllter Traum bleiben. Bei Menüpreisen von selten unter 150 Euro bleiben selbst die Ein-Stern-Adressen einem kleineren Teil der Bevölkerung vorbehalten.

Trotzdem empfiehlt es sich, die Michelin-App herunterzuladen und sich die 199 mit dem Bib Gourmand ausgezeichneten Restaurants näher anzuschauen. Der Bib steht für ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis und wer dort stoppt, wird in der Regel nicht enttäuscht.

1964, als die erste deutsche Ausgabe erschien, hätten wir nach drei, vier Stunden irgendwo vor Nürnberg das Büchlein aus dem Handschuhfach gezogen, ein nettes Restaurant gesucht und uns Käsespießchen, einen Toast Hawaii oder ein paar Fliegenpilzeier gegönnt, jene beliebten hartgekochten Eier mit rotem Tomatendeckel und Mayonnaisetupfen. Wie es schmecken würde, hätten wir aber vorher nicht gewusst. Der Guide beschränkte sich auf Restaurantname und -adresse, Telefonnummer sowie ein, zwei Preise - zur Qualität wurde anfangs kein Wort verloren.

Heute anderer Fokus der Bewertungen

Eher schon zur Qualität der Herbergen: Es gab Symbole für Heizung, Dusche oder Badewanne, warmes Wasser oder Toilette auf dem Zimmer. Heute hat sich der Fokus der Bewertung etwas verschoben: Wellness, Gastronomie, Komfort und auch Nachhaltigkeit und Bio-Küche bewerten die Tester und vergeben dafür zusätzlich grüne Sterne.

Uns drängt aber die Zeit, Salzburg wartet. Deshalb muss eine schnelle Bockwurst und ein Kaffee an der Autobahn reichen. Macht zehnfünfzig plus einen Euro für Toilette. Kein Vergleich zu 1964. Damals kostete die Tasse Kaffee 25 Pfennig, ein Frühstück in guten Hotels keine drei Mark. Ein VW Käfer oder Opel Kadett verbrauchte sieben Liter, war aber auch selten schneller als mit 100 km/h unterwegs. Unser 300 PS starker, mit Gepäck und vier Insassen schwer beladene DS 7 genehmigt sich dagegen rund elf Liter. Für einen Plug-in-Hybriden ist das nicht gerade wenig, doch angesichts 115 km/h Durchschnittstempo und langen Abschnitten jenseits von 150 km/h geht das noch in Ordnung.

Guide Michelin für Österreich 2009 eingestellt - wieder da

Der Tag endet mit einem Sternehimmel, der über 82 Köchinnen und Köchen in Österreich aufgegangen ist. Damit findet eine lange Wartezeit ein Ende, denn Michelin hatte den Guide und damit die Sternebewertung 2009 eingestellt - weil sich das Buch nicht mehr rechnete.

Nun ist auch Österreich in der Michelin-App kein Niemandsland mehr. Im Gegenteil: Mit 2 Drei-Sterne-Tempeln, 18 Zwei-Sterne-Restaurants und 62 Ein-Sterne-Betrieben stehen unsere Nachbarn prozentual hochgerechnet auf die Zahl der Einwohner sogar besser da als Deutschland.

Quelle: ntv.de, Hanno Boblenz, sp-x


Tags:


Newsticker