"Trump ist wie Putin am größten Stück vom Kuchen interessiert"

  13 Februar 2025    Gelesen: 79
  "Trump ist wie Putin am größten Stück vom Kuchen interessiert"

Der Friedensplan, der US-Präsident Trump vorschwebt, spielt Russlands Präsident Putin in die Karten. Für die Ukraine sieht es hingegen düster aus. Kein Wunder: Trump und Putin seien Neoimperialisten, die die Welt, also auch Europa, unter sich aufteilen wollen, sagt Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff.

ntv.de: Die USA halten für einen Friedensschluss schmerzhafte Zugeständnisse Kiews für unausweichlich - unter anderem den Verzicht auf einen NATO-Beitritt. Außerdem sehen die USA die Europäer weitgehend alleine in der Pflicht, die Ukraine zu unterstützen und einen Frieden militärisch abzusichern - ohne US-Truppen. Die Befreiung aller seit 2014 von Russland besetzten Gebiete halten die USA für "illusorisch". Wird US-Präsident Donald Trump damit den Frieden bekommen, den er will?

Nicole Deitelhoff: Die Frage ist: Was für einen Frieden will Trump? In erster Linie geht es Trump darum, dass er Ruhe hat vor der Ukraine und die Kosten der militärischen Unterstützung einsparen kann - und dass er sich dabei noch wertvolle Mineralien aus der Ukraine sichern kann. Trump interessiert sich wenig für die langfristigen Effekte seiner Politik, sondern nur dafür, was er kurzfristig auf dem Zettel hat und in einer seiner Pressekonferenzen präsentieren kann. Trump gesteht Putin dessen Kriegsziele weitgehend zu, um sich Ruhe zu verschaffen. Denn die umkämpften Gebiete in der Ukraine scheinen bei Russland als momentaner Besatzungsmacht zu verbleiben. Damit wird Putin relativ zufrieden sein, im Gegensatz zu den Europäern und den Ukrainern. Für eine gewisse Zeit wird so in der Ukraine Ruhe einkehren - bis zu dem Zeitpunkt, an dem Russland versucht, die nächsten Schritte zu gehen, das heißt, sich auch noch den Rest der Ukraine einzuverleiben. So lange kann Trump sich anderen Dingen widmen und das als seinen großen Erfolg verkaufen.

Das US-Institut für Kriegsstudien warnt: Ein schwacher Friedens-Deal könnte alles schlimmer machen. Es verweist auf das Abkommen "Minsk II", das 2015 nach Friedensgesprächen geschlossen wurde - und Putin nicht von seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine abgehalten hat. Könnte ein schwacher Deal zu mehr Eskalation führen?

Minsk ist immer noch das Schreckensbild, das wir vor uns haben: Ein Deal, in dem Russland nicht einmal als eine Konfliktpartei eingebunden wurde, sondern offiziell nur als Beobachter, obwohl es eindeutig Konfliktpartei war. Außerdem gab es Regulierungen, die beide Seiten nicht umsetzen konnten und wollten. Wenn wir jetzt einen Friedensdeal haben, in dem Russland zu nichts genötigt wird und es behalten darf, was es schon hat - was sollte Putin dann davon abhalten, in Zukunft weitere Schritte zu unternehmen? Nicht nur in Richtung Restukraine, sondern auch in Richtung NATO-Bündnisgebiet? Das steht hier auf dem Zettel. Das alles ist typisch für Trumps Politik. Auch schon aus seiner ersten Präsidentschaft kennen wir das: Große Deals, die nicht zielführend sind - und den USA zumeist mittelfristig sogar schaden.

Haben Sie Beispiele?

Erinnern Sie sich an die Treffen mit dem "kleinen Rocket Man" aus Nordkorea, wie Trump ihn zunächst nannte, Kim Jong Un. Trump kündigte damals an: Das würde große Veränderung bringen, Frieden zwischen Nordkorea und Südkorea. Davon geblieben ist nichts. Ganz im Gegenteil, Nordkorea hat sich durch Trump international legitimieren können und hat sein Atomprogramm weiter ausgebaut. Heute steht es fest an Russlands Seite. Wenn wir uns an die Handelskonflikte mit China in Trumps erster Amtszeit erinnern, was ist daraus geworden? Letzten Endes haben nur die USA draufgezahlt. China hat seine Verpflichtungen aus dem Handelsabkommen mit den USA nie erfüllt: Die USA haben somit außer den Kosten des Konflikts nichts erreicht. Die Neuverhandlung von NAFTA hat dessen Namen verändert, aber substanziell haben Kanada und Mexiko profitiert. Die USA haben ihr Handelsbilanzdefizit vergrößert, Jobs wurden vor allem bei den Partnern geschaffen. Es sollte immer so aussehen, als habe Trump seinen Willen bekommen: Er kündigte etwas auf, erhob Zölle, drohte massiv und schloss dann einen Deal, der die USA besserstellt. Langfristig gesehen war das kaum der Fall.

Wie ist es bei diesem Deal? Hat Trump die Verhandlungsmasse für Gespräche mit Putin im Vorfeld schon verschleudert?

Absolut. Vielleicht ist der Deal zwischen Trump und Putin längst per Handschlag, wenn auch bildlich über ein Telefonkabel, zustande gekommen. Denn was sonst sollte jemand, der sich auf Verhandlungen versteht, dazu bringen, seine Karten bereits offenzulegen und dem Gegner seinen Verhandlungsspielraum mitzuteilen, wie Trump es jetzt gemacht hat. Trump könnte Putin gesagt haben: "Du darfst behalten, was du willst. Und ja, wir nehmen die Ukraine auf gar keinen Fall in die NATO auf. Und mach dir keine Sorgen über US-Truppen irgendwo in der Ukraine, das wirst du nicht sehen - das müssen die Europäer selbst hinbekommen. Wenn die Ukraine nicht mehr existiert, werde ich sagen: Es war Europas Schuld." Was Trump jetzt offiziell verkündet, macht man eigentlich nur, wenn der Deal längst unter Dach und Fach ist. Genau das treibt viele Experten um: Ist da - direkt vor der Sicherheitskonferenz in München - schon gelaufen, als wir heute wissen? Und München ist nur noch die Bühne, auf der das symbolisch nachvollzogen wird?

Offiziell behauptet Putin, er sei für Verhandlungen offen, allerdings nur zu Bedingungen seines Diktatfriedens. Auf dem Schlachtfeld entwickelt sich die Lage weiter zu Russlands Gunsten. Ist Putin momentan ernsthaft an Gesprächen interessiert?

Einerseits läuft es gut für Putin auf dem Schlachtfeld, insbesondere wenn wir auf die Frontlinie im Osten blicken. Da ist die Ukraine immer noch enorm unter Druck und die Russen machen Fortschritte, wenn auch langsam. Die Russen zahlen dafür einen hohen Blutzoll, können aber immer noch mehr Soldaten reinwerfen. Andererseits hat aber auch die Ukraine nennenswerte Erfolge erzielt, vor allem in Kursk. So einseitig ist das Bild nicht. Außerdem weiß Putin, dass die russische Wirtschaft mittlerweile heiß zu laufen beginnt und er große Probleme haben dürfte, die Zinsen in den Griff zu bekommen. Putin hat deshalb Anreize, jetzt zu sagen: "Nehme ich doch, was ich habe. Dann kann ich in aller Ruhe abwarten, wie sich die Lage in den nächsten Jahren entwickelt. Und dann hole ich mir den Rest." Das hat Putin mit anderen Ländern schon gemacht. Das sehen wir in Georgien und in Moldau.

Putin "möchte, dass die Menschen nicht mehr sterben", glaubt Trump. Und weiter sagte er: "Ich hoffe, es geht schnell. Jeden Tag sterben Menschen. Dieser Krieg in der Ukraine ist so schlimm. Ich will diese verdammte Sache beenden." Haben Putin und Trump plötzlich ihre Empathie für die Kriegsopfer entdeckt?

Auf solche Äußerungen sollte man nicht viel geben, ob sie nun von Putin oder von Trump kommen. Erinnern wir uns an Putins Verhalten in den letzten drei Jahren seines Angriffskriegs, an Flächenbombardements von ziviler Infrastruktur, unter anderem von Kinder- oder Schwangerschaftskliniken. Da müssen wir uns nichts vormachen. Genau das Gleiche gilt für seine eigenen Soldaten. Putin hat keinerlei Interesse an deren Wohlergehen, sondern hat sie immer als Kanonenfutter genutzt. Auch bei Trump geht es hauptsächlich darum, sich einen moralischen Anschein zu geben. Mit Putin und Trump sitzen zwei Neoimperialisten an einem Verhandlungstisch, die ein Land unter sich aufzuteilen gedenken - und sich dabei noch die kostbarsten Ressourcen unter den Nagel reißen wollen. Der entscheidende Satz, den Trump gesagt hat während seiner Inaugurationsrede, war der, dass er die USA nicht nur "great again" machen will, sondern "greater". Er will die USA vergrößern. Trump ist wie Putin am größten Stück vom Kuchen interessiert. Keiner von beiden ist an der Beständigkeit von territorialen Grenzen interessiert. Sie sind beide Gegner der regelbasierten Weltordnung, da sollte man sich nichts vormachen.

Muss die Ukraine also bald kapitulieren?

Der Handlungsspielraum der Ukraine ist begrenzt. Das liegt auch an der Schwäche Europas. Die Ukrainer sind abhängig von der militärischen und finanziellen Unterstützung der USA. Und wenn Trump dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sagt: "Pass mal auf, wenn du jetzt nicht spurst, dann sind wir raus aus der Nummer und dann bekommt ihr keine Unterstützung mehr" - dann wäre das faktisch das Einläuten der Kapitulation der Ukraine. Aus eigenen Kräften kann sie diesen Krieg nicht lange weiterführen. Das heißt: Sie wird größtenteils einwilligen müssen. Sie wird versuchen, in Hintergrundgesprächen, die dieser Tage längst begonnen haben, das Schlimmste zu verhindern. Aber sie kann sich dem auch nicht entziehen.

Zumindest die offiziellen Verhandlungen sollen sich laut Trumps Aussage nur zwischen Russland und der Ukraine abspielen. Die Leitung überlässt er einem Quartett um Außenminister Marco Rubio. Keine Vertreter aus der EU oder der Ukraine sind bislang vorgesehen. Spielen die EU und die Ukraine für Trump überhaupt keine Rolle?

Nein. Das ist ein Club von Neoimperialisten. Die USA und Russland sehen sich als Großmächte, die unter sich die Welt, also auch Europa, wenn es nicht auf sich aufpassen kann, aufzuteilen gedenken. Die Ukraine ist nur Verhandlungsmasse - kein Verhandlungspartner. Das wird aus dem Wortlaut von Trumps Beiträgen auf seinem sozialen Netzwerk "Truth Social" klar. Da steht, Trump habe sich mit Putin beraten und werde Selenskyj jetzt lediglich informieren über die Einzelheiten, die besprochen worden seien. Damit signalisiert Trump Selenskyj: friss oder stirb. Das ist für die Ukraine bitter, denn es ist ein Abrücken von dem bisherigen Grundsatz, nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg zu verhandeln. Noch weniger als von der Ukraine war von Europa die Rede. Ich denke, die Europäer sind bislang nicht am Verhandlungstisch vorgesehen.

Wie sollten die Europäer jetzt reagieren?

Es gibt zwei grundlegende Richtungen, die sie einschlagen können. Entweder die Europäer reißen sich jetzt zusammen und machen den großen Wurf. Dafür müssten sie viel Geld in die Hand nehmen und endlich anfangen, selbst für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Das heißt, sie müssen die Aufrüstung und die Rüstungsproduktion ankurbeln, solide Verteidigungspläne aufstellen und das Personal dafür beibringen. Das Problem in Deutschland ist, dass es vor einer Bundestagswahl kein Bedürfnis gibt, auch nur über Verteidigung nachzudenken oder zu sprechen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass viele immer noch nicht verstanden haben, wie sehr unsere Sicherheit davon abhängt, dass wir auch in der Lage sind, die Ukraine zu verteidigen. Das Problem stellt sich ähnlich in vielen anderen Ländern Europas. Die Alternative ist, sich zu unterwerfen unter dieses neue Amerika unter Trumps Führung, das kein Interesse an Europa hat. Die Frage ist, was sind die Europäer denn noch bereit, Trump zu geben: Grönland vielleicht, und dann ein Stückchen Riviera? Es wird von Europa als politischem Projekt vielleicht nicht viel übrig bleiben, wenn Trump aus dem Amt scheidet, falls er bis dahin nicht ohnehin eine dritte Amtszeit anstrebt und gewährt bekommt.

Mit Nicole Deitelhoff sprach Lea Verstl

Quelle: ntv.de


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