Erst Bastler, dann Bombenbauer, jetzt Berühmtheit - FOTO

  17 September 2015    Gelesen: 564
Erst Bastler, dann Bombenbauer, jetzt Berühmtheit -  FOTO
Eine selbstgebaute Uhr brachte Ahmed Mohamed aus Texas in Polizeigewahrsam. Es folgte ein Proteststurm - und eine Einladung ins Weiße Haus.

Am Montag war Ahmed Mohamed ein mutmaßlicher Terrorist, der in Handschellen aus dem Klassenraum geführt wurde. Am Dienstag berichteten Lokalmedien in Texas über seinen Fall. Am Mittwoch wurde der 14-jährige Junge aus Irving, einem Vorort von Dallas zu einer nationalen Berühmtheit in den USA. Barack Obama hat ihn ins Weiße Haus eingeladen, Facebook-Chef Mark Zuckerberg will sich mit ihm treffen, Wissenschaftler und Astronauten der Nasa bitten ihn zu einer Diskussion nach Houston.

Was ist passiert?

Der schlaksige Junge mit der eckigen Brille sieht nicht nur aus wie ein Nerd, er bastelt und tüftelt wirklich gern. Am Montag brachte er eine selbstgebastelte Uhr mit in die Schule. Die Uhr sah nicht aus, wie sich High-School-Lehrer in Texas eine Uhr vorstellen: Sie bestand aus einer Platine, die über Drähte mit einem Digitaldisplay verbunden war und verbarg sich in einem kleinen silbernen Koffer mit Tigerhologramm.



Zuerst zeigte Ahmed die Konstruktion seinem Techniklehrer, der riet ihm, die Uhr niemandem zu zeigen. Also bewahrte er sie in seiner Schultasche auf, doch während des Englisch-Unterrichts piepte das Gerät. Nach Ende der Stunde zeigte der Junge seine Bastelei der Lehrerin, sie nahm ihm die Uhr weg. In der sechsten Stunde kam dann der Direktor der MacArthur High School in den Klassenraum. Ein Polizeibeamter begleitete ihn.

In Handschellen wurde Ahmed abgeführt und in eine Jugendarrestanstalt gebracht. Dort wurde der 14-Jährige über Stunden von mehreren Beamten befragt, ohne dass die Eltern informiert wurden. Drei Lehrer hätten den Schüler beschuldigt, eine Bombenattrappe gebastelt zu haben, teilte die Polizei in einer Erklärung mit. Dabei räumten die Beamten ein, dass Ahmed immer beteuerte, er habe einfach nur eine Uhr gebaut. "Sie könnte aber für einen Sprengsatz gehalten werden, falls sie auf einer Schultoilette oder unter einem Auto gefunden worden wäre", argumentierte Polizeisprecher James McLellan.

Nach stundenlanger Befragung durfte Ahmed nach Hause, zuvor aber nahm die Polizei noch seine Fingerabdrücke. Seine Familie holte ihn ab, ein Foto, das seine Schwester von Ahmed machte, zeigt einen sichtlich verwirrten Jungen im Nasa-Shirt. Er trägt Handschellen.

Nach den ersten Berichten über den Fall dauerte es nicht lange, bis in den sozialen Netzwerken ein Sturm der Empörung über die Schule und die Polizei in Texas hereinbrach. Unter dem Hashtag #IStandWithAhmed äußerten Tausende ihr Mitgefühl mit dem Jungen, dessen Eltern aus dem Sudan stammen. Für sie ist klar, dass Ahmed ein Opfer der Terrorparanoia und Islamophobie in den USA geworden ist. Ähnlich hatte sich zuvor sein Vater Mohamed Elhassan Mohamed geäußert: "Er wurde festgenommen, weil er Mohamed heißt und wegen des 11. Septembers", sagte er. Sein Sohn war im Jahr der Terroranschläge auf World Trade Center und Pentagon gerade erst zur Welt gekommen.

Der Fall hat eine Debatte über anti-islamische Vorurteile in den USA ausgelöst. Filme wie "American Sniper", konservative Medien wie Fox News, islamophobe Blogs und große Teile der Republikaner haben in den vergangenen Jahren ein Klima in den Vereinigten Staaten geschaffen, das die 2,6 Millionen Muslime unter Generalverdacht stellt. Barack Obama kann darüber schmunzeln, dass ihn laut einer aktuellen Umfrage 54 Prozent der Republikaner für einen verkappten Muslim halten. Für den 14-Jährigen Ahmed hatte diese Paranoia ernste Folgen.

Der Fall rührt zugleich am amerikanischen Selbstverständnis: Die USA rühmen sich das beste Land der Welt für junge, erfindungsreiche Menschen zu sein. Und nun wurde ein Teenager wegen seiner Tüfteleien in Handschellen abgeführt und wie ein potentieller Terrorist behandelt.

Auf genau diesen Punkt ging auch Barack Obama ein: "Coole Uhr, Ahmed", twitterte der US-Präsident. "Willst du sie ins Weiße Haus mitbringen? Wir sollten mehr Kinder wie dich für die Wissenschaft begeistern. Das macht Amerika groß." Ähnlich äußerte sich Hillary Clinton: "Ahmed, bleib neugierig und bastele weiter", ließ sie den Account ihres Wahlkampfteams twittern.

Von den aussichtsreichsten republikanischen Präsidentschaftsbewerbern äußerte bislang niemand. Ted Cruz, Senator aus Ahmeds` Heimatstaat Texas, veröffentlichte aber ausgerechnet am Dienstag einen neuen Werbespot, in dem er vor "radikalem islamischen Terrorismus" warnt.
Nicht nur aus der Politik bekam Ahmed in den vergangenen 24 Stunden reihenweise Einladungen. Die Nasa hat den Jungen, der das Shirt der Weltraumbehörde so gern trägt, eingeladen, Wissenschaftler und Astronauten zu treffen. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg will Ahmed treffen. "Jemand, der das Können und die Lust hat, etwas zu erschaffen, sollte nicht festgenommen sondern beklatscht werden", schrieb Zuckerberg.

Bei der Polizei in Irving, Texas, hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt: In einer Mitteilung rechtfertigen sich die Beamten für ihr Vorgehen, Ahmed sei "für seine eigene Sicherheit" in Handschellen abgeführt worden. Die Polizei hat ihre Anschuldigungen gegen den Jungen inzwischen fallengelassen, entschuldigt hat sie sich nicht.

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